Kurt Landauer Von den Fans wiederentdeckt
Lange Zeit erinnerte sich kaum jemand an Kurt Landauer. Dass sein Name heute wieder ein Begriff ist, geht vor allem auf das Engagement von Münchner Fans zurück. Sie verhalfen dem ehemaligen Bayern-Präsidenten zu neuer Popularität.
Als Drehbuch-Autor Dirk Kämper 2009 mit seinen Recherchen zu "Landauer - der Präsident" beginnt, sitzt er gerade in einem Hotelzimmer in Breslau. Viele Informationen über den ehemaligen FC Bayern-Präsidenten, dessen Namen er vorher noch nie gehört hat, findet er nicht. Der Historiker Dietrich Schulze-Marmeling erwähnte ihn in einigen seiner Bücher, dann gibt es noch einen Zeitungsartikel - und die Internetseiten der Münchner Ultra-Fangruppierung "Schickeria". Schnell wird klar: Es waren die Bayern-Fans, die den 1961 verstorbenen Funktionär jüdischer Abstammung wiederentdeckt und den Stein ins Rollen gebracht haben.
"Wir haben mit dem Autoren Dirk Kämper, der auch Historiker ist, einen grandiosen Autor gefunden, der erst einmal sehr viel Zeit und Arbeit investieren musste, um diesen Kurt Landauer zu bergen."
(Produzent Michael Souvignier)
Fünf Jahre später, im September 2014 in München: Im Kino am Sendlinger Tor haben sich etwa 200 Bayern-Fans für eine exklusive Preview des Spielfilmes "Landauer - der Präsident" versammelt. Sie belohnen sich mit dieser Vorführung selbst und sehen auf der Kinoleinwand, wozu ihr Engagement letztlich geführt hat: zu einem "fulminanten Comeback" (Karl-Heinz Rummenigge) des ehemaligen FC Bayern-Präsidenten.
Gregor Weinreich vom Club Nr. 12 (Vereinigung aktiver Bayern-Fans) erklärt am Rande der Veranstaltung, dass die Anhänger des Rekordmeisters vor etwa 15 Jahren begannen, sich intensiv mit der Vergangenheit ihres Klubs auseinanderzusetzen. Wenig später richtete der Club Nr. 12 eine Arbeitsgruppe zu historischen Themen ein, die immer wieder über diesen einen Namen stolperte: Kurt Landauer. Erste Informationen über den nahezu vergessenen Bayern-Präsidenten fanden die Fans im Münchner Stadtarchiv, 2002 folgte der erste Artikel über die Person im Fanzine "Vorspiel".
"Ich habe von '74 bis '84 zehn Jahre für den FC Bayern gespielt, und in dieser Zeit ist mir der Name nicht einmal über den Weg gelaufen."
(Karl-Heinz Rummenigge)
Landauer-Shirts und ein umbenannter Weg
Wenig später entdeckt auch der FC Bayern dieses zuvor nahezu unbekannte Kapitel seiner Vergangenheit und bringt 2003 und 2004 im hauseigenen Magazin Geschichten über Kurt Landauer und seinen damaligen Spielführer Konrad Heidkamp. Landauers Konterfei ist zu dieser Zeit auch schon vereinzelt auf T-Shirts in der Münchner Südkurve zu sehen - ebenfalls eine Initiative des Club Nr. 12. Dieser wollte neben bekannten, kultigen Köpfen wie Paul Breitner auch eine Person aus der weiter zurückliegenden Vergangenheit auf die Fan-Shirts drucken - die naheliegendste Wahl war Landauer.
2005 beschließt der Kommunalausschuss des Stadtrats, den Rettungsweg an der Allianz-Arena "Kurt-Landauer-Weg" zu nennen. Auch hier haben Bayern-Fans ihre Finger im Spiel. Ein Mitglied des Club Nr. 12 hatte mehrere Briefe an die Stadtverwaltung mit dieser Bitte geschrieben, am Ende wird der Vorschlag tatsächlich umgesetzt. Einige Fans wünschten sich sogar, dass die Arena in "Stadion am Kurt-Landauer-Weg" umbenannt wird. Ein Ansinnen mit wenig Aussicht auf Erfolg. Immerhin aber gibt es ab 2006 auch ein Fußballturnier um den Kurt-Landauer-Pokal - organisiert von der Fangruppe "Schickeria".
Die ersten Landauer-Fäden sind geknüpft, 2009 laufen sie erstmals alle zusammen. Zum 125. Geburtstag Landauers wird in der KZ-Gedenkstätte Dachau und in der Versöhnungskirche des ehemaligen, jüdischen Bayern-Präsidenten gedacht. Anwesend sind unter anderem Landauers Neffe Uri Siegel, die FC Bayern-Funktionäre Karl-Heinz Rummenigge, Karl Hopfner und Fritz Scherer - und natürlich Vertreter der "Schickeria". Zudem entfalten Münchner Fans vor einem Bundesligaspiel ein gewaltiges Banner mit dem Konterfei Landauers über der Südkurve. Darüber ist zu lesen: "Der FC Bayern war sein Leben - nichts und niemand konnte das ändern." Spätestens jetzt ist Landauer jedem echten Bayern-Anhänger ein Begriff.
"Er hat großartige Arbeit für den FC Bayern geleistet, und das ist auch bei unseren Fans nachhaltig in Erinnerung geblieben."
(Karl-Heinz Rummenigge)
Landauer wird geehrt
2010 gibt es zwar immer noch kein Station am Kurt-Landauer-Weg, aber immerhin einen Kurt-Landauer-Platz. Der jüdische Sportverein TSV Maccabi München benennt seinen Fußballplatz dementsprechend um, bei der Eröffnung sind Uli Hoeneß, Oberbürgermeister Christian Ude und Charlotte Knobloch, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde, zugegen.
"Sie haben sich damit für einen Paten entschieden, der in beispielhafter Weise Münchner Fußballtradition, Loyalität und Toleranz repräsentiert." (Uli Hoeneß)
2013 erweist auch der FC Bayern seinem ersten Meistermacher die höchste, denkbare Ehre und verleiht ihm posthum die Ehrenpräsidentenwürde. Vor Landauer wurden nur Wilhelm Neudecker und Franz Beckenbauer mit diesem Titel ausgezeichnet. Kurze Zeit später, Anfang 2014, erinnern Schickeria und Club Nr. 12 mit einer erneut beeindruckenden Choreografie an das Meisterschaftsfinale 1932 zwischen dem FC Bayern und Eintracht Frankfurt. Die Ultras werden dafür vom Deutschen Fußballbund (DFB) mit dem Julius-Hirsch-Preis ausgezeichnet. DFB-Präsident Wolfgang Niersbach sagt: "Die Choreografien und Aktionen für den ehemaligen FC Bayern-Präsidenten Kurt Landauer und andere jüdische Vereinsmitglieder haben viele Fußball-Fans für dieses Thema sensibilisiert." Was noch deutlich untertrieben ist, denn mittlerweile ist Landauer auf Schals und T-Shirts eine feste Institution in der Kurve. Ein jüdischer Bayern-Präsident, der dank der Initiative der Fans stets im Stadion präsent ist - gibt es ein stärkeres Zeichen gegen Rassismus und das Vergessen?