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Den Finger in die Wunde Der Aktionskünstler Wolfram Kastner

Der Aktionskünstler Wolfram Kastner kämpft mit spektakulären Kunstaktionen dagegen, dass immer noch Kriegsverbrecher als Helden verehrt werden. Für seine provokanten Auftritte bekommt er oft Anzeigen und wird mit Bußgeldern bedroht. Am Donnerstag muss er vors Münchner Landgericht.

Von: Ulrich Trebbin

Stand: 29.01.2017 | Archiv

"Ein amerikanischer Präsident hat mal gesagt, wir leben in einer Demokratie, wenn wir sie erhalten. Und das müssen wir täglich machen, es gibt leider immer noch braune Brut und Verharmlosung der Geschichte in diesem Lande, und ich denke, dass man was dafür tun muss, dass diese Lehren, die man aus der Geschichte zieht, so gezogen werden, dass sie wirksam sind. (…) Geschichte ist nie vorbei (…) Es existieren ja die Denkmäler noch. In öffentlichen Diskussion werden Argumente ausgetauscht, davon lebt Demokratie. Und das muss man befördern."

Wolfram Kastner

Farb-Aktion am "Jodl"-Grab auf der Fraueninsel

Auf der Fraueninsel im Chiemsee liegen die beiden Ehefrauen von Alfred Jodl begraben. An ihrem Grabstein ist auch eine Inschrift  für Jodl selbst angebracht. Alfred Jodl war während des Zweiten Weltkrieges als Chef des Wehrmachtführungsstabes im Oberkommando der Wehrmacht an führender Stelle an der Planung der deutschen Militäroperationen beteiligt. Wolfram Kastner hatte an dem Grab schon mehrere Kunstaktionen durchgeführt, aber passiert war trotzdem nichts. Die Inschrift blieb. Viele auf der Insel sagen, das Grab werde doch 2018 ohnehin aufgelöst.

"Aber ich bin mir nicht sicher, dass das wirklich passiert. Und jeder Tag, wo dieses Ding dort steht, ist einer zu viel. Man muss es kenntlich machen, und wir werden das kenntlich machen mit etwas Farbe und einer Tafel, die beschreibt, wer dieser Mann war. So dass es nicht mehr als Ehrengrab dort funktioniert."

Wolfram Kastner

Jodl liegt dort nicht begraben. Deshalb hat Kastner die Ehrentafel mit blutroter Farbe übergossen.

"Jodl war einer, der für viele Verbrechen, blutige Verbrechen verantwortlich ist, er hat zum Beispiel den Hungertod von 800.000 Menschen in Leningrad zu verantworten, er war zuständig für den Kommissarsbefehl, den er unterzeichnet hat, wo tausende sowjetische Kriegsgefangene sofort ermordet wurden, er war verantwortlich für die Operation Nordlicht. Diese rote Farbe symbolisiert die Schandtaten, die Bluttaten, die Morde, die er zu verantworten hat."

Wolfram Kastner

NPD-Demonstration und einstweilige Verfügung gegen den Künstler

Im September 2016 sind am Friedhof der Fraueninsel NPD-Aktivisten mit NPD-Fahnen aufmarschiert, um den Stein von der roten Farbe zu reinigen. Auf ihrer regionalen Webseite hat die NPD die Taten Jodls verharmlost und die Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse kritisiert. Für ihre Aktion sind sie weder strafrechtlich belangt worden, noch ist die Gemeinde gegen sie vorgegangen. Der Grabinhaber hat den Stein inzwischen generalsanieren und wieder am Friedhof aufstellen lassen.

Auf Wolfram Kastner hat die Gerichtsbarkeit dagegen sehr wohl reagiert. Das Amtsgericht Rosenheim erließ gegen ihn einen Strafbefehl über 10.500 Euro - wegen Nötigung, Diebstahl und Sachbeschädigung. Dagegen hat Kastner Widerspruch eingelegt. Außerdem drohte ihm das Münchner Landgericht an, dass er im Falle weiterer Aktionen am Jodl-Stein bis zu 250.000 Euro bezahlen oder bis zu einem halben Jahr ins Gefängnis gehen müsste. Über seinen Widerspruch wird am Donnerstag verhandelt.

Ein Brandfleck auf dem Königsplatz

Der Münchner Künstler Wolfram Kastner legt den Finger in die Wunde, zeigt auf, wo die Bundesrepublik über NS-Schuld hinweg gegangen ist. Seit 1995 erinnert er regelmäßig mit einem Brandfleck an die Bücherverbrennung am Münchner Königsplatz. Die Stadt hat seine Aktion zunächst verboten, später sollte er dann seine Erinnerungsspur mit Rollrasen wieder zudecken. Inzwischen sind der jährliche Brandfleck und die öffentliche Lesung aus verbrannten Büchern Tradition geworden. Allerdings schickt die Stadt dem Künstler jedes Jahr eine Rechnung für die Benutzung des Königsplatzes.

"Dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende auch Menschen"

Auch in Frankfurt, Nürnberg, Würzburg, Landsberg, Linz und Salzburg erinnert Kastner mit Aktionen und Kunstprojekten an die Bücherverbrennungen der Nazis von 1933. Er will damit zum Nachdenken über NS-Geschichte anregen. Vor dem Leipziger Volkshaus schrieb er das Zitat von Heinrich Heine auf das Pflaster: "Dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende auch Menschen".

Hitler und Papst

Wolfram Kastner ist zur Stelle, wenn irgendwo im deutschsprachigen Raum Kriegsverbrecher als Helden verehrt werden. Er schneidet Schleifen  von Gedenkkränzen ab, verhüllt oder bemalt Kriegerdenkmäler, erinnert mit weißen Koffern ("Hier wohnte …") an die Deportation von Juden, lässt Papst und Hitler gemeinsam durch die Münchner Fußgängerzone laufen, prangert die Diskriminierung von Juden und Hexen in der Geschichte der Kirche an oder kritisiert mit Installationen die Militarisierung in der Welt.


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