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Surfen im Verborgenen Was ist eigentlich das Darknet?

Der Münchner Amokschütze hatte sich seine Pistole im anonymen Teil des Internets besorgt - dem sogenannten Darknet. Ist dieser "dunkle Bereich" des Internets ein reiner Tummelplatz für Kriminelle? Nein, sagt der Journalist und Netzexperte Peter Welchering.

Von: Birgit Magiera

Stand: 25.07.2016

Buchstabencodes auf schwarzem Bildschirm | Bild: picture-alliance/dpa

Was ist das eigentlich, das Darknet? Ein besonders dunkler Platz im Internet?

Peter Welchering: Das Darknet ist vor allen Dingen zum Kampfbegriff geworden. Den holt die Politik immer raus, wenn es darum geht, mehr Überwachungsmaßnahmen im Netz zu fordern oder zu begründen. Die beste Definition von Darknet hat wohl der amerikanische Sicherheitsexperte Martin McKeay gegeben:

"Das ist eine Reihe von Systemen rund um den Globus mit geheimen Internet-Protokoll-Adressen und besonders abgesicherten Zugangsroutinen."

Martin McKeay, Sicherheitsheitsexperte, über das Darknet

Wenn wir von Darknet reden, meinen wir also Computer im Internet, die eine geheime IP-Adresse haben und die mit aufwändigen Zugangsroutinen und Zugangsrouten gesichert sind. Da kann nicht einfach jeder so drauf. Die sind für den gewöhnlichen User nicht ohne weiteres sichtbar.

Und wer baut solche geheimen Bereiche?

Peter Welchering: Solche Zugangsroutinen und Zugangsrouten bieten beispielsweise Anonymisierungsnetzwerke und Dienste wie TOR, Pemar oder Mixminion. Die kann ich nicht einfach mit einem Browser aufrufen, dafür muss ich spezielle Software installieren. Diese Software brauche ich, denn damit sind die Versandrouten von Daten praktisch nicht mehr nachzuverfolgen, weil jedes Datenpäckchen mehrfach verschlüsselt und alle Angaben über Empfänger, Absender, Beförderungsweg und -art bewusst verfälscht werden, um Datenspione und -Detektive in die Irre zu führen.

Ich muss also schon einigen technischen Aufwand treiben, um an solche Server im Darknet zu kommen?

Peter Welchering: Das hängt davon ab, was ich da machen will. Will ich für Marketingzwecke illegal 10.000 Mail-Adressen kaufen, dann ist das recht einfach. Dann muss ich einfach eine bestimmte Internet-Protokoll-Adresse eingeben. Hinweise auf solche Internet-Protokoll-Adressen bekomme ich teilweise schon über Suchmaschinen oder Diskussionsforen. Will ich geklaute Kreditkarteninformationen kaufen, wird’s etwas aufwändiger. Dann muss ich in aller Regel über Anonymisierungsserver und virtuelle private Netzwerke gehen, um an diese Server zu gelangen, über die so etwas gehandelt wird. Bei Waffen, wie der in München in Frage stehenden Glock, muss ich nicht erst ins Darknet. Die werden auch so ziemlich offen auf verschiedenen leicht zugänglichen Servern gehandelt.

Sind in der Anonymität des Darknet nur Kriminelle unterwegs?

Peter Welchering: Nein, die Bandbreite ist enorm: Da gibt es die Wikileaks-Betreiber, die ihre Daten mit belastendem Material auf eigenen Darknet-Servern gespeichert haben. Unternehmen nutzen sog Darknet-Techniken, um sich gegen Industriespionage zu wappnen, Bürgerrechtler und Netzaktivisten betrieben Server im Darknet, um Regimekritikern in autoritären Ländern helfen zu können. Recht hoch abgesichert sind momentan Server kurdischer Oppositionsgruppen und der Gülen-Bewegung in der Türkei, weil deren Aktivisten befürchten müssen verhaftet zu werden. Deshalb gibt es auch wiederum Cybermilitärs aus 150 Ländern, die  bevölkern mit ihren Angriffsservern dieses Darknet. Aber eben auch die erwähnten kriminellen Geschäft: Schlepperorganisationen wickeln die Koordination ihre Schleusungen via Darknet-Server ab, Kriminelle verkaufen dort Kreditkarten, Waffen, Drogen – also im Darknet ist es wie im richtigen Leben.

Ist das Darknet also ein völlig gesetzloser Ort für Waffen und Drogenshopping, unbehelligt von der Polizei oder anderen Sicherheitsbehörden?

Peter Welchering: Das wird gerne erzählt, ist aber ein Märchen. Wenn wir von Darknet reden, meinen wir Internet-Server mit geheim gehaltener IP-Adresse und Sicherungstechnologien, die eben auch Darknet-Technik genannt werden. Solche Server stehen auch in größeren Firmen, ganz legal. Und es gibt eine legale Software. Damit lassen sich Daten von öffentlich zugänglichen Servern auf Rechner im Darknet sichern. Und natürlich haben die Sicherheitsbehörden Zugriff auf solche Server im Darknet. Die National Security Agency hat eigens einen Überwachungssoftware dafür entwickelt.

Wie sieht das mit deutschen Sicherheitsbehörden aus?

Peter Welchering: Zumindest der Verfassungsschutz setzt diese amerikanische Überwachungssoftware auch ein. Dabei handelt es sich um einige Softwarepakete des Überwachungspakets "Xkeyscore". Das ist auf 700 Überwachungsservern an weltweit 150 Standorten installiert, auch beim Bundesamt für Verfassungsschutz. Und damit können Anonymisierungsserver identifiziert und die dort gespeicherten Daten mitgelesen werden. Das macht die Darknet-Server angreifbar.


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