Flüchtlinge "Sichere Herkunftsstaaten" - Was bringt's?
Vom Westbalkan kommen 40 Prozent der Asylbewerber. Darum verlangen der Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) und die CSU, Albanien und Kosovo zu "sicheren Herkunftsstaaten" zu erklären. Das soll die Zahl der Asylbewerber senken. Seit vergangenem Jahr gibt es bereits drei "sichere Herkunftsstaaten" auf dem Balkan. Wie wirkt sich das aus?
Die Koalition setzte große Erwartungen in ihr Gesetz, vor ziemlich genau einem Jahr: "Einstufung weiterer Staaten als sichere Herkunftsstaaten", Bundestagsdrucksache 18/1528. Das Gesetz erklärt drei Balkanländer für sicher im Hinblick auf Menschenrechte und politische Verfolgung.
Eines der Länder ist Serbien. Das Land stehe an zweiter Stelle der Herkunftsländer, sagte Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) im September 2014. Die Zahl der anerkannten Schutzbedürftigen liege aber "bei unter einem Prozent". Heißt: Nicht mal jeder hundertste Asylantrag von Serben ist erfolgreich. Deshalb wurde das Land per Gesetz ein "sicherer Herkunftsstaat", genau wie Bosnien-Herzegowina und Mazedonien. Asylanträge könnten dann schneller abgelehnt werden, argumentierte die Regierung.
Asylbescheid innerhalb weniger Tage angestrebt
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge legte sich sogar fest. Nur noch "wenige Tage" werde das Verfahren dauern. Entsprechend schneller wären man dann Abschiebungen möglich, und in der Folge werde Deutschland als Zielland "weniger attraktiv", so steht es im Gesetz. Eine Argumentation, der die Opposition nicht folgte. Grünen-Chefin Simone Peter warnte: Länder zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären, bringe nichts. Im November trat das Gesetz in Kraft. Vor fast neun Monaten. Zeit für eine erste Bilanz. Tatsächlich sind Asylverfahren heute kürzer. Bei Serben dauern sie statt sieben Monaten im Durchschnitt nur noch dreieinhalb. Bei Bosniern und Mazedoniern ziehen sie sich nur noch gut vier Monate hin.
Asylverfahren laufen bereits schneller
Aber von „Tagen“, wie angekündigt, kann keine Rede sein. Und überhaupt laufen Asylverfahren heute viel schneller, auch bei nicht sicheren Herkunftsstaaten. Die durchschnittliche Bearbeitungszeit aller Asylanträge liegt inzwischen bei – aus früherer Sicht sensationellen - fünf Monaten. Das Bundesinnenministeriums räumt ein, die Beschleunigung der Verfahren sei „noch nicht ganz so deutlich, wie wir uns das vielleicht gewünscht hatten“. Daran arbeite man aber weiter, sagt Ministeriumssprecher Tobias Plate.
Doch auch sonst hält sich die Wirkung des Gesetzes in Grenzen. Dass Deutschland "als Zielland weniger attraktiv" wäre, lässt sich nicht wirklich sagen. Zwar kommen aus Bosnien nur noch halb so viele Asylbewerber wie im Oktober 2014, dem letzten Monat vor Inkrafttreten des Gesetzes. Auch im Fall Serbiens sank die Zahl (von 3122 auf 2240). Dadurch lag Serbien im Juni tatsächlich nicht mehr auf Platz zwei der Herkunftsländer. Aber immer noch auf Platz drei. Noch magerer ist die Bilanz bei Mazedonien. Von dort kommen heute sogar mehr Menschen nach Deutschland als voriges Jahr (im Oktober 950, im Juni 1581). In der Tat kämen immer noch sehr viele Menschen "aus diesen drei eingestuften Ländern", sagt Ministeriumssprecher Plate: "Aber der Anstieg ist deutlich gedämpft."
Zum Vergleich verweist das Innenministerium auf Kosovo, auch ein Balkan-Land, aber kein per Gesetz "sicheres". Der Anstieg der Asylbewerber von dort sei viel drastischer als im Fall Serbiens. Das stimmt, allerdings gilt diese Aussage für Kosovo nur bis März. Seit April bricht die Zahl der Asylbewerber von dort ein, auf zuletzt nur noch ein Zehntel. Der Grund: Asylanträge von Kosovaren wurden eine zeitlang „prioritär“ bearbeitet, sie wurden also rascher geprüft und anderen vorgezogen. Ein "sicherer Herkunftsstaat" ist Kosovo wohlgemerkt nicht.