Bilanz der Maßnahmen Was das Asyl-Paket I bislang gebracht hat
Der Bundestag hat das sogenannte Asylpaket II beschlossen, das „Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren“. Heute ist es Thema im Bundesrat. Nicht zu verwechseln ist das Gesetz mit dem "Asylverfahrenbeschleunigungsgesetz" ("Asylpaket I"). Janina Lückoff hat recherchiert, was die Maßnahmen bis jetzt gebracht haben.
Das Ziel des Asylpakets I war laut Innenminister Thomas de Maizière (CDU): "Aussichtslose Asylanträge sollen in Deutschland gar nicht erst gestellt werden". Und wenn doch, dann sollen sie schneller bearbeitet werden. VierMonate ist dieses Gesetz jetzt in Kraft.
Albanien, Kosovo und Montenegro wurden zu sicheren Herkunftsländern erklärt, um so die Anträge von Personen aus diesen Staaten in einem beschleunigten Verfahren bearbeiten zu können. Tatsächlich sind die Zahlen der Asylbewerber von dort gesunken: Während im September beispielsweise aus Albanien noch gut 6.700 Menschen einen Asylantrag in Deutschland gestellt haben, waren es im Januar nur noch rund 1.300.
Aufklärung gegen Lügen der Schlepper
Betrachtet man die Bewerber aus dem Kosovo, dann sank die Zahl im genannten Zeitraum von knapp 800 auf rund 550. Laut Innenministerium ist das eine Folge des Asylpakets I. Über die sozialen Medien spreche es sich in den sicheren Herkunftsländern herum, dass die Asylbewerber von dort bis zum Asylentscheid und ihrer Ausreise in der Aufnahmeeinrichtung wohnen müssen. Auch das trage dazu bei, dass sich weniger Menschen auf den Weg machten.
Grünen-Fraktionschef Hofreiter sieht das anders:
"Beim Westbalkan sind die Zahlen gesunken, nachdem die Konsulate und Botschaften Aufklärungskampagnen gemacht haben und nachdem den Leuten gesagt worden ist, dass das, was die Schlepper ihnen versprechen – nämlich dass hier ein Auto, eine Wohnung und ein Arbeitsplatz sofort für jeden bereit stünde – nicht stimmt. Es gibt keinen zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Rückgang der Menschen, die aus der Westbalkanregion zu uns gekommen sind und der Erklärung zu sicheren Herkunftsländern."
Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter
Um Asylverfahren zu beschleunigen, war zunächst mehr Personal im dafür zuständigen Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) erforderlich. Ende September waren dort ca. 550 Entscheider beschäftigt, derzeit sind es 860. Gebraucht werden nach Aussage des BAMF 1.700 Asylentscheider; bis Mitte des Jahres sollen diese Stellen alle besetzt sein.
Zwar werden inzwischen die Verfahren - anders als es der Name "Asylverfahrenbeschleunigungsgesetz" vorsieht - nicht schneller bearbeitet: Die durchschnittliche Verfahrensdauer von 5,3 Monaten im August sank lediglich auf 5,2 Monate im Dezember. Dafür stieg aber die Zahl der Asyl-Entscheidungen: im September hat das BAMF knapp 23.000 Bescheide ausgestellt, im Januar waren es mehr als doppelt so viele, knapp 50.000. Oder - auf den Tag gesehen: Im September waren es 1.000 Entscheidungen am Tag, im Dezember 2.000.
Schnellere Asylentscheidungen bewirken die Möglichkeit, rascher ausweisen beziehungsweise abschieben zu können. Wie viele abgelehnte Asylbewerber abgeschoben wurden, variiert von Bundesland zu Bundesland. Nach Angaben des Bayerischen Innenministeriums hat der Freistaat 2015 knapp 4.200 abgelehnte Asylbewerber abgeschoben, rund die Hälfte davon im Zeitraum zwischen September und Dezember.
Abschiebung ohne Ankündigung
Damit standen in Bayern jeder Abschiebung vier ausreisepflichtige Ausländer gegenüber, während es beispielsweise in Bremen auf jede Abschiebung 62 Ausreisepflichtige waren. Knapp 13.400 abgelehnte Asylbewerber reisten vergangenes Jahr laut bayerischem Innenministerium freiwillig aus Bayern aus. Überwiegend habe es sich dabei um Menschen aus den Westbalkanstaaten gehandelt. Mit dem Asylpaket I wurden auch Abschiebungen ohne Ankündigung möglich - in Bayern waren Ankündigungen nach Angaben des Innenministeriums in München ohnehin nicht üblich.
143 Euro Taschengeld stehen einem alleinstehenden Asylbewerber zu; mit Inkrafttreten des Asylpakets I sollen die Bundesländer in den Erstaufnahmeeinrichtungen neben Unterkunft und Verpflegung auch den Geldbetrag grundsätzlich als Sachleistung gewähren.
Taschengeld zieht Wirtschaftsflüchtlinge an
"Sollen", betont Innenminister de Maizière, nicht "können". Denn seiner Ansicht nach könne das Geld ja auch genutzt werden,...
"... um den Schlepper anschließend zu bezahlen, ins Heimatland zu schicken, oder für Dinge auszugeben, die an sich nicht dafür vorgesehen sind. Ich kann nur sagen, dass der serbische Ministerpräsident uns dringend sagt, dass ein Taschengeld für drei, vier Personen - dann von fünf-, sechshundert Euro - für die serbische Bevölkerung einen Pull-Effekt hat."
Innenminister Thomas de Maizière
Die Kritiker der Maßnahme sehen darin eine Bevormundung der Flüchtlinge; sie könnten nicht mehr selbst entscheiden, was gekauft wird und wo. Tatsächlich setzt kaum ein Bundesland diese freiwillige Vorgabe bislang um; vielen ist das Sachleistungsprinzip zu bürokratisch. Nur Bayern vollzieht dies seit Inkrafttreten des Gesetzes konsequent: Flüchtlinge in den Erstaufnahmeeinrichtungen bekommen hier anstelle des Taschengeldes beispielsweise Fahrkarten für den öffentlichen Nahverkehr, Telefonkarten oder einen Internetzugang sowie Kleidung aus den Kleiderkammern zur Verfügung gestellt.
Seit Inkrafttreten des Asylpakets I dürfen nicht mehr nur jene Personen einen Integrationskurs besuchen, die einen positiven Asylbescheid bekommen haben, sondern auch Asylbewerber mit guter Bleibeperspektive, also vor allem Menschen aus Syrien, Iran, Irak und Eritrea. Sie sollen so frühzeitig in die Gesellschaft und den Arbeitsmarkt integriert werden können. Innenminister de Maizière:
"Wir bekennen uns zur Aufnahme und Integration der schutzbedürftigen Flüchtlinge. Wir öffnen früher die Integrationskurse für Menschen mit Bleibeperspektive. Wir wollen, dass die, die bleiben – oder jedenfalls in den nächsten Jahren bleiben - früher in Arbeit kommen. Sprache und Arbeit sind die besten Mittel für Integration."
Innenminister Thomas de Maizière
Begehrte Integrationskurse
Das Interesse an den Kursen ist laut BAMF hoch: Seit Ende Oktober sind mehr als 65.000 Anträge auf Zulassung zu einem Integrationskurs eingegangen. Insgesamt erwartet die Behörde bis zu 430.000 Teilnehmer in diesem Jahr - das wären mehr als doppelt so viele wie 2015. Entsprechend stieg auch der Umfang des Angebots: Insgesamt wurden von Januar bis September 2015 bundesweit knapp 8.700 Kurse angeboten, 15 Prozent mehr als im Vorjahr. Für das vierte Quartal - also den Zeitraum nach Inkrafttreten des Asylpakets I liegen noch keine Zahlen vor.
Dieser Punkt im Asylpaket I sorgte dafür, dass das grün-regierte Bundesland Baden-Württemberg dem Gesetzentwurf im Bundesrat zustimmte, und einige SPD-Abgeordnete sich im Bundestag nur enthielten, anstatt dagegen zu stimmen: Der Bund überweist den Ländern mehr Geld für die Flüchtlinge. Bundeskanzlerin Merkel:
Acht Milliarden zusätzlich vom Bund
Laut Bundesfinanzministerium stellt der Bund in diesem Jahr rund acht Milliarden Euro an zusätzlichen Mitteln bereit. Davon bekommen Länder und Kommunen rund 3,6 Milliarden Euro für die Kosten im laufenden Asylverfahren. Durch den Betrag von 670 Euro pro Kopf und Monat handele es sich, so das Finanzministerium, um ein "atmendes System"; es könne also noch zu Anpassungen bei den tatsächlichen Zahlungen kommen.
Länder und Kommunen an der Grenze des Möglichen
Bayern und Nordrhein-Westfalen sehen die Länder und Kommunen aber schon jetzt an den Grenzen ihrer finanziellen Möglichkeiten oder darüber hinaus: 17 Milliarden Euro seien in den Länderhaushalten für flüchtlingsbedingte Ausgaben in diesem Jahr vorgesehen; die tatsächlichen Kosten dürften aber schon jetzt deutlich darüber hinausgehen und eher bei 20 bis 25 Milliarden Euro liegen, beklagten die Finanzminister von Bayern und Nordrhein-Westfalen diese Woche in einem Brief an Bundesfinanzminister Schäuble.
Der Bund komme seiner finanziellen Verantwortung nur unzureichend nach. Gemessen an den 17 Milliarden bewege sich die zugesagte Unterstützung bei weniger als 25 Prozent. Die Forderung: Der Bund müsse seinen Finanzierungsanteil auf mindestens 50 Prozent der tatsächlichen Kosten aufstocken.