Bayerische Flüchtlingspolitik Eine Chronik der Abschreckung
"Asylmissbrauch", "Wirtschaftsflüchtlinge" - solche Schlagworte prägten über Jahrzehnte eine bayerische Asylpolitik der reinen Abschreckung. In Zeiten neuer Flüchtlingsnot gibt es in der CSU inzwischen aber auch mildere Töne.
Es ist noch nicht lange her, dass die CSU den Slogan "Wer betrügt, der fliegt" ausgab. Gemeint war damit eine Warnung vor allem an angebliche Armutsmigranten aus Balkanländern. Eine Willkommenskultur für Flüchtlinge, wie sie etwa Sozialverbände fordern, sieht anders aus. Doch die gab es in Bayern eigentlich nie. Begriffe wie "Asylmissbrauch" oder "Wirtschaftsflüchtlinge" hatten die Unionsparteien schon in den 1980er-Jahren ins Spiel gebracht. Flüchtlinge sollten als Betrüger denunziert werden. Und das in Zeiten, in denen - wie Anfang der 1990er-Jahre - Menschen vor dem Jugoslawienkrieg nach Deutschland flohen.
Kampagnen wie "Das Boot ist voll" endeten damit, dass das Grundrecht auf Asyl mit dem sogenannten Asylkompromiss von 1993 ausgehöhlt wurde. Das ausländerfeindliche Begleitgeheul lieferten damals die rassistisch motivierten Übergriffe in Hoyerswerda, Rostock und anderswo.
1992: CSU-Politiker fordert "asylantenfreie Zone"
In Bayern heizte der damalige Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Erich Riedl (CSU), die Stimmung an, indem er eine "asylantenfreie Zone" für einen Teil Münchens forderte. Zu jener Zeit, Anfang 1992, hielten sich in der bayerischen Landeshauptstadt etwa 7.000 Asylbewerber auf, die meisten stammten vom Balkan. Um alle unterbringen zu können, wurden Notunterkünfte in Turnhallen, Schulen oder Fabriken eingerichtet.
Container auf der Theresienwiese
Auf dem "heiligen" Oktoberfestgelände, der Theresienwiese, stellte die Stadt 40 Container als Sammelunterkünfte auf. Kritiker verglichen das mit Gefangenenlagern. Die Abschreckungspolitik tat ihre Wirkung: So protestierten in manchen Münchner Vierteln zum Teil Hunderte Bürger gegen Asylunterkünfte in ihrer Nachbarschaft.
Aber nicht nur die CSU machte Stimmung gegen Asylbewerber, auch der damalige Münchner SPD-Oberbürgermeister Georg Kronawitter sprach von "Armutsflüchtlingen", angesichts derer über eine Grundgesetzänderung zum Asylrecht durchaus nachgedacht werden könne. In den 1990er-Jahren kümmerte sich Bayern unter den CSU-Ministerpräsidenten Max Streibl und Edmund Stoiber wenig um das Schicksal von Flüchtlingen. Das wurde den überforderten Kommunen überlassen. München zog 1993 die Konsequenz und richtete ein eigenes Flüchtlingsamt ein.
CSU heute auf etwas weicherem Asylkurs
Mit sinkenden Asylbewerberzahlen im weiteren Verlauf der 1990er-Jahre entspannte sich die Situation zunächst. Doch aufgrund der jüngsten Krisenherde in Nahost und Afrika kommen seit einigen Jahren wieder wesentlich mehr Flüchtlinge nach Deutschland. In Bayern platzen die beiden Erstaufnahmelager im mittelfränkischen Zirndorf und in der Münchner Bayernkaserne mittlerweile aus allen Nähten. Dennoch gibt es eine Stimmungsmache gegen Flüchtlinge in den Ausmaßen von vor 20 Jahren inzwischen nicht mehr. Die Christsozialen leiteten sogar einen Kurswechsel zu einer weniger harten Asylpolitik ein. Die aktuelle Sozialministerin Emilia Müller will den Belangen von Flüchtlingen erklärtermaßen mehr Gehör widmen. Eine ihrer ersten Maßnahmen war das Abschaffen der Essenspakete, die Kritiker als Entmündigung bezeichnet hatten.
Außerdem plant die CSU-Politikerin mittelfristig weitere Erstaufnahmelager in den restlichen Regierungsbezirken, um der Überfüllung entgegenzuwirken. Auch Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) stellte inzwischen klar, dass Asylpolitik erste Priorität habe. Allein für 2014 rechnet Bayern mit 20.000 weiteren Asylbewerbern.
Kasernierte Flüchtlinge
Der Bayerische Flüchtlingsrat, stets harter Kritiker der Asylpolitik im CSU-regierten Freistaat, begrüßte die Initiativen aus dem Sozialministerium. Dennoch müssten auch das Innenministerium und die Ausländerbehörden nachziehen. Für viele Flüchtlinge sei die Situation immer noch entwürdigend, so der Flüchtlingsrat. Sehr lange andauernde Asylverfahren und Duldungsphasen sowie die zum Teil kasernenartigen Gemeinschaftsunterkünfte seien zermürbend und in manchen Fällen auch re-traumatisierend. Dadurch dass Bayern weiterhin auf der Residenzpflicht beharrt, würden Flüchtlinge auf Jahre hinaus an denselben Aufenthaltsort gebunden. Außerdem würden sie bei Ankunft weder auf Folterspuren untersucht noch seien sie in Bayern in die allgemeine Gesundheitsversorgung eingebunden. Angesichts solcher Bedingungen sagte August Stich, Leiter der Tropenmedizin bei der missionsärztlichen Klinik in Würzburg, kürzlich im Bayerischen Rundfunk, ob eine "neue Willkommenskultur durch die behördlichen und administrativen Strukturen durchschlägt", bleibe abzuwarten.