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BR24-Interview "Am Brenner geht es um verbale Abschreckung"

Österreich gibt etwas nach - und sieht "bis auf weiteres" von Grenzkontrollen am Brenner ab. Es kämen derzeit nur wenige Flüchtlinge nach Österreich. Doch es sei ohnehin um verbale Abschreckung gegangen, sagt Alexandra Föderl-Schmid, die Chefredakteurin des Wiener "Standard" im Gespräch mit BR24.

Von: Christian Jakubetz

Stand: 13.05.2016 | Archiv

Grenzübergang Brenner | Bild: picture-alliance/dpa

BR24: Im Ausland wird befürchtet, dass die Grenze am Brenner komplett zugemacht wird, in Österreich hingegen heißt es: Wir wollen nur notfalls die Möglichkeit haben, besser und gezielter zu kontrollieren. Welche Variante halten Sie für realistisch?

Alexandra Föderl-Schmid: Es geht der österreichischen Regierung vor allem darum zu signalisieren, wir sind bereit, die Grenze dichtzumachen. Es geht zuerst einmal um verbale Abschreckung. Aber wenn dieser Schritt aus Sicht der Regierung tatsächlich notwendig sein sollte, wird sie nicht davor zurückschrecken, internationalen Protesten zum Trotz. Denn der Druck im Inland, etwa vonseiten der FPÖ, ist groß.

BR24: Österreich verschärft das Asylrecht, wählt womöglich einen FPÖ-Bundespräsidenten und macht womöglich Grenzen dicht, der Kanzler tritt zurück : Rechtspopulismus, den es schon immer gab - oder alles mehr oder weniger eine Auswirkung der Flüchtlingskrise?^

Alexandra Föderl-Schmid: Der Grund für die Krise von SPÖ und ÖVP ist nicht nur die Flüchtlingskrise. Werner Faymann hat 18 Wahlniederlagen seit 2008 zu verantworten. Dass die FPÖ im Aufwind ist, hat mit der Debatte über Flüchtlinge und Integration zu tun, ist aber auch ein Ausdruck dessen, dass viele in Österreich den politischen Stillstand, die Lähmung und das Gehabe der beiden Parteien, die sich das Land und die Positionen jahrzehntelang aufgeteilt haben, satt haben.

BR24: Unbeschadet dessen, ob die Grenzen nun wirklich zugemacht oder nur die Kontrollen verschärft werden: Ist die jetzige Entwicklung nicht auch ein Beleg dafür, dass es ein Interesse an einem wirklich gemeinsamen Europa nur sehr eingeschränkt gibt?

Alexandra Föderl-Schmid: Die Glaubwürdigkeit in die Handlungsfähigkeit der EU hat in den vergangenen Jahren gelitten, das hat sich während der Eurokrise bereits gezeigt und noch stärker in der mangenden Solidarität im Umgang mit Flüchtlingen. Nationalismus und Egoismus nehmen zu, nicht nur in Österreich.

Grenzkontrollen vorerst auf Eis

Österreich hat Pläne für Kontrollen am Grenzübergang Brenner auf Eis gelegt, weil aus Italien derzeit wenige Flüchtlinge einreisen. Wien hatte im April in Erwartung eines möglichen Migrantenandrangs mit Bauarbeiten an dem Grenzübergang begonnen. Das Land rechnete nach Schließung der aus Griechenland führenden Westbalkanroute mit einem Anstieg der Zahl der im Nachbarland ankommenden Flüchtlinge. Rom und die EU sind entschieden gegen Kontrollen am Brenner. Österreichs Innenminister Sobotka sagte, Italien habe die Zahl der einreisenden Migranten in den vergangenen Wochen erfolgreich reduziert. Somit seien Grenzkontrollen fürs Erste unnötig.

Das Gespräch führte Christian Jakubetz


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Heribert Beckmann, Samstag, 14.Mai 2016, 08:01 Uhr

4. Verbale Abschreckung

Es wirkt wie im Mittelalter, jeder Staat kocht seine eigene Suppe. Die EU Länder die Flüchtlinge nicht aufnehmen sollten einmal an die Zeit 1939 - 1945 denken. Wenn die Welt nicht Flüchtlinge vor der braunen Masse aufgenommen hätte, wo sie jetzt wären. Vielleicht nicht mehr am leben. Das Schweden, Österreich und Deutschland die meisten Flüchtlinge aufgenommen hat bis jetzt ist wohl jedem klar. Das dabei auch Subjekte mit durchschlüpfen ist nicht zu vermeiden. Die Länder, die keine Aufnahme von Flüchtlingen wollen und dagegen sind sollten keine Gelder aus dem großen EU Topf mehr bekommen, da halten sie aber die Hand auf. Wenn diese Gelder gestrichen werden, dann fallen sie wirklich ins Mittelalter zurück und stehen mit der Hellebarde an den Grenzen.
Wenn sich alle EU Länder sich an den Schengen und Maastricht Verträgen gehalten hätten, wäre ein großer Schlamassel ausgeblieben.
Wie hat die EAV gesungen : Willkommen im Neandertal :

Truderinger, Freitag, 13.Mai 2016, 22:23 Uhr

3. Sinnlos!

Niemand kann ernsthaft glauben, illegale Einwanderung bzw Massenflucht ließe sich durch Grenzkontrollen aufhalten. Diese Maßnahmen dienen nur der Beruhigung rechter Angstmenschen. Wer vor Krieg und Terror flüchtet, findet einen Weg, auch wenn er noch so beschwerlich ist.

  • Antwort von Markus, Samstag, 14.Mai, 13:20 Uhr

    Das wird nicht passieren, vorher gibt es Krieg oder Revolution. Sie werden doch nicht ernsthaft glauben, dass die Mehrzahl der Menschen hierzulande sich ihren Lebensraum nehmen lässt. Weder von Schutzsuchenden, noch von der Politik. Sie erleben es bereits jetzt, dass alleine in Österreich (wenn auch nicht als alleinigen Grund) das Original gewählt wird. Das wird auch in Deutschland passieren, wenn Sie noch ein paar Jahre diesen Kurs weiterfahren. Sollte sich eine unvorhergesehene Verändeung ergeben (z.B. die Wirtschaft stürzt ab), dann bekommt die Sache nochmals eine eigene Dynamik, die derzeit gar nicht kalkulierbar ist.

Walter Danielis, Freitag, 13.Mai 2016, 18:28 Uhr

2. Grenzkontrollen

Nur wirksame Grenzkontrollen (EU- oder Ländergrenzen) können die massenhafte illegale Migration stoppen.
Ich bin Österreich und jedem anderem Land dankbar wenn es dabei hilft diese illegale Migration zu stoppen. Dieser Kommentar wurde von der BR-Redaktion entsprechend unseren
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bergbauer, Freitag, 13.Mai 2016, 18:12 Uhr

1. Am Brenner geht es um verbale Abschreckung

Ich arbeite in Bayern und lebe in Südtirol und passiere die Brennergrenze zweimal die Woche, seit etwa 10 Jahren.
Nirgendwo in Europa wird dort im Moment deutlicher wie fragil die EU aufgebaut ist und wie rückwärtsgerichtet die Politik agiert.
Am Anfang gab es 2 Grenzkontrollen, Wartezeiten manchmal 6 Std , dann kam die E Spur, wurde schon als der erste
Schritt zur Einigung gefeiert, dann die Aufhebung der Kontrollen, eine Zeitlang schien die Vision Wirklichkeit zu werden, und jetzt gehts mit Vollgas zurück ins
Mittelalter, einhergehend mit Theaterdonner aller möglichen Gruppierungen vornehmlich der Rechten.
Ich hätte nie gedacht, dass sich die "Europäer " innerhalb einer Generation zurück nach Neandertal bewegen. Dieser Kommentar wurde von der BR-Redaktion entsprechend unseren
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  • Antwort von qw, Freitag, 13.Mai, 21:50 Uhr

    Ich gebe Ihnen recht. Es ist ein Armutszeugnis, wie sich einzelne Staaten und die gesamte EU in der Fluechtslingsfrage verhalten. Mein Vertrauen in dieses EU-Konstrukt ist zunichte. Diese Abschottungspolitik, dass man die EU-Festung baut, wird die Menschen nicht aufhalten. Echte Lösungen, dass den Menschen in den Herkunftslaendern geholfen wird, sind leider nicht in Sicht. Merkel wollte die Fluchtursachen bekämen, aber leider nur leere Worte. Die Grenzen in der EU wurden ja schon wieder errichtet, was kommt als nächstes? Schusswaffeneinsatz, wie jetzt schon in der Tuerkei, auf Frauen und Kinder? Ja, irgendwie entwickeln wir uns zurück.
    Wir waren jedes Jahr einmal in Italien oder Südtirol, aber dieses Jahr sicher nicht. Ich stelle mich nicht mehr stundenlang an Grenzen.