Sprengstofffund in Chemnitzer Wohnung Polizei fahndet weiter nach jungem Syrer
Polizei-Großeinsatz im sächsischen Chemnitz: Bei der Durchsuchung einer Wohnung wegen eines geplanten Anschlags fand die Polizei "hochbrisanten Sprengstoff", gefährlicher als TNT. Im Fokus der Ermittler steht weiter ein 22-jähriger, flüchtiger Syrer.
Es handele sich um den in Syrien geborenen Jaber Al-Bakr, teilte die Polizei Sachsen mit. Der Gesuchte sei "mit einem schwarzen Kapuzensweatshirt mit auffälligem Druck bekleidet", so die Polizei auf ihrer Internetseite. Der Mann sei weiter auf der Flucht, teilte das Landeskriminalamt Sachsen am Sonntagmorgen mit.
Auf den Öffentlichkeitsaufruf hin sind nach Polizeiangaben bisher mehr als 80 ernstzunehmende Hinweise eingegangen. Die Nachrichtenagentur dpa hat aus Sicherheitskreisen erfahren, dass der Vorfall in Chemnitz einen Zusammenhang mit der Terrormiliz "Islamistischer Staat" habe.
Knapp entkommen
Offenbar entkam der 22-Jährige der Polizei in Chemnitz knapp .Die Beamten gaben einen Warnschuss ab, sagte eine Sprecherin des Landeskriminalamtes. Sie bestätigte einen entsprechenden Bericht von "Spiegel Online". Unklar sei, ob der Verdächtige zufällig das Haus verließ oder ob er die beginnende Aktion bemerkt hatte.
Weiterhin gefährlich
Der heute 22 Jahre alte Syrer halte sich seit 2015 in Deutschland auf und sei seit mehreren Monaten als Flüchtling anerkannt, sagte der Sprecher des Landeskriminalamtes Sachsen, Tom Bernhardt, am Sonntag. Er sei in der Vergangenheit nicht polizeilich auffällig geworden. "Wir müssen davon ausgehen, dass nach wie vor eine Gefahr von dieser Person ausgeht", sagte der Sprecher. Die Polizei könne sich nicht hundertprozentig sicher sein, dass sie allen Sprengstoff in der Wohnung sichergestellt und vernichtet habe.
Zwei Festgenommene wieder auf freiem Fuß
Am Samstagnachmittag hatte die Polizei drei Verdächtige festgenommen. Zwei der drei Personen wurden am Sonntagvormittag wieder auf freien Fuß entlassen. Bei dem dritten Verdächtigem, einem Syrer, läuft die Haftprüfung. Nach Angaben der Polizei besteht bei ihm der Verdacht einer Mittäterschaft. Er ist der Mieter der Wohnung, in der der Sprengstoff gefunden wurde. Es werde wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat ermittelt, sagte eine Sprecherin.
Sprengstoff vernichtet
Im Fritz-Heckert-Wohngebiet, einem Plattenbauviertel im Südwesten von Chemnitz, hatte es am Samstagvormittag nach Angaben des LKA einen stundenlangen Polizeieinsatz wegen des Verdachts auf Vorbereitung eines Sprengstoffanschlags gegeben. Dem LKA zufolge wurde ein Haus evakuiert und eine Wohnung von Einsatzkräften gestürmt. Gegen 13.00 Uhr sprengten Spezialkräfte die Tür der Wohnung, die Räume waren leer. Die Sicherheitskräfte hätten zwar keine Bombe gefunden, aber mehrere Hundert Gramm "hochbrisanten Sprengstoffs" - laut LKA ein Gemisch verschiedener Substanzen, gefährlicher als TNT. Am Samstagabend wurde das Gemisch in mehreren zuvor ausgehobenen Löchern rund um das Haus kontrolliert vernichtet.
Erhöhte Sicherheit am Flughafen Berlin-Schönefeld
Über mögliche Anschlagsziele gab es zunächst keine Informationen seitens der Behörden. Am Wochenende wurden aber deutschlandweit die Sicherheitsvorkehrungen erhöht. "Dies betrifft insbesondere kritische Infrastruktur", sagte der Sprecher des Bundespolizeipräsidiums, Ivo Priebe, am Sonntag in Potsdam. Dies betreffe insbesondere Flughäfen und Bahnhöfe. An den beiden Berliner Flughäfen Tegel und Schönefeld wurden bereits am Samstagabend die Sicherheitsvorkehrungen erhöht.
Man habe die Einsatzkräfte dort verstärkt, sagte der Sprecher des Brandenburger Polizeipräsidiums, Torsten Herbst. Ein Einsatzzug der Bereitschaftspolizei, bestehend aus 30 Beamten, führe am Terminal Sichtkontrollen durch. Autos und Busse würden angehalten und kontrolliert, ob sich der gesuchte 22-Jährige darin befinde. Dies sei eine reine Vorsichtsmaßnahme, betonte Herbst. Es gebe keinen konkreten Hinweis, dass der Mann in Schönefeld sei.
Bis jetzt äußerten sich die Sicherheitskräfte nicht dazu, ob der Verdächtige aus dem Ausland gezielt gesteuert wurde. Auch ein Bericht, wonach ein deutscher Flughafen angegriffen werden sollte, wurde nicht kommentiert.
Einsatz am Chemnitzer Hauptbahnhof beendet
Auch den Chemnitzer Hauptbahnhof betrafen die Anti-Terror-Ermittlungen: Die Polizei hatte ihn teilweise für Reisende gesperrt. Ein Spezialroboter untersuchte dort auf einem Gleis einen roten Koffer, den zwei dort festgenommene Verdächtige bei sich hatten. Der Koffer sei jedoch ungefährlich gewesen, es habe sich um eine Vorsichtsmaßnahme gehandelt.
In diesem Jahr waren bereits mehrfach Pläne für mutmaßliche Sprengstoffanschläge in Deutschland vereitelt worden. Im Februar kam die Polizei einer Gruppe auf die Schliche, die womöglich einen Anschlag in Berlin plante. Im Juni nahm die Polizei drei mutmaßliche IS-Anhänger fest, die es auf die Düsseldorfer Altstadt abgesehen haben sollen. Zuletzt flog im September ein 16-jähriger Flüchtling aus Syrien in Köln auf: Laut den Ermittlern hatte er einen Sprengstoffanschlag geplant und von einem Chatpartner im Ausland Anweisungen zum Bombenbau erhalten.