Installation am Iseo-See Christo geht in der Lombardei übers Wasser
Christos schwimmende Stege in Norditalien sind nach monatelangen Vorarbeiten installiert, die Hotels sind ausgebucht. Jetzt können Besucher wie der Meister übers Wasser gehen. Das neue Projekt des Verpackungskünsters begeistert.
Es gehört schon eine große Portion Wahnsinn dazu, eine Landschaft so zu verändern. Christo hat Wege geschaffen, wo keine waren. Und wer den Iseosee besucht, kann jetzt übers Wasser laufen.
Der Weg führt über drei Kilometer, zwei Inseln kann man erreichen, die größere Monte Isola und die kleine Isola di San Paolo. Wer seinen Fuß auf die 16 Meter breiten Stege setzt, betritt eine neue Welt aus leuchtendem Orange. Sanft liegen sie auf den Wellen. Der Boden gibt etwas nach. Und Christo, der Maestro, will gar nicht viel erklären – die Floating Piers muss man erleben, sagt er:
"Das ist ein sehr physisches Projekt. Das ist keine Malerei, keine Skulptur, man muss dahin gehen, das heißt: laufen. Das ist physisch, nicht virtuell. Ich bin an den echten Dingen interessiert, die ich fühle, die mir Freude machen. Es geht nicht nur um die Dinge. Das Projekt ist die Reise zu den Dingen."
Christo
Das Laufen über die schwimmenden Stege ist ein Erlebnis. Das übers Wasser gehen funktioniert, weil sie hier 220.000 Plastikwürfel zusammengeschraubt und im See verankert haben. Die leuchtenden Stoffbahnen, die sie bedecken, kommen aus Deutschland, insgesamt 100.000 Quadratmeter. Die Idee dazu hatten Christo und seine inzwischen verstorbene Partnerin Jeanne-Claude schon vor 40 Jahren. Mehrere Anläufe dazu gab es, in Argentinien und in Japan. Jetzt haben in Norditalien rund 600 Menschen dafür gearbeitet, dass das Werk gelingt. Allen voran Wolfgang Volz: der Fotograf aus Süddeutschland ist seit 46 Jahren an Christos Seite – am Iseosee ist er der Projektmanager:
"Wir sind Träumer, wir träumen von einem Planeten Lago d’Iseo, Floating Piers, und wir schaffen uns diese Realität. Christoph und Jeanne-Claude haben immer gesagt: unsere Arbeit ist über die Freiheit und die Freiheit bedeutet natürlich ganz, ganz wichtig kein Eintrittsgeld, jeder kann kommen, wann er will. Das Kunstwerk gehört niemandem, das kann niemand erwerben, sondern es muss frei von jeder Belastung sein."
Christo
Wenn man Paola Pezzotti dieser Tage sieht, dann ist ihr dennoch eine gewisse Belastung anzusehen. Die 37jährige ist die Bürgermeisterin von Sulzano, am Ufer des Iseosees. Christo kam am 1. August 2014 bei ihr vorbei und hat das Projekt vorgestellt. Bevor Christo 1995 das Reichstagsgebäude in Berlin verhüllen konnte, vergingen zwei Jahrzehnte langer Planungen. Hier am Iseosee – haben sie das Projekt in nicht einmal zwei Jahren gestemmt. Und das liegt auch an Leuten wie Paola Pezzotti:
"Es ist unmöglich nicht davon begeistert zu sein. Und Christo stellt das sehr einfach dar, aber auch fesselnd. Mit hat das gleich gefallen. Als er das vorgestellt hat, habe ich gesagt: genehmigt, das müssen wir machen. Für den See, für die anderen Gemeinden, für die ganze Region. Aber wir brauchten Mut."
Bürgermeisterin Paola Pezzotti
Immerhin: der Besucherstrom ist gewiss. Jeden Tag werden 40.000 bis 50.000 erwartet, genau weiß das niemand. Die Floating Piers sollen die Landschaft hier am See auf Dauer verändern, so die Hoffnung. Auch wenn das Werk nur 16 Tage lang aufgebaut bleibt.
Christo schlendert über seine schwimmenden leuchtend orangenen Stege und findet das in Ordnung so. Denn Vergänglichkeit ist Teil des Konzeptes.
Sulzano am Iseosee freut sich auf den Besucheransturm - auch wenn die Stege wieder verschwunden siein werden.
"Das Wichtige an diesem Projekt ist der zeitliche Charakter, diese nomadische Qualität. Und das geht, indem wir ein Material verwenden, den Stoff, als Hauptelement um die Verletzlichkeit und die Bewegung der Dinge zu übersetzen, die einmal weg sein werden. Denn ich besitze das Werk nicht, niemand besitzt es. Es ist wie unser Leben – es ist vorbei, es bleibt nur dort." Christo
Wer das sehen will und spüren, der muss sich also auf den Weg machen. Bis zum 3. Juli darf jeder auf Christos neustem Werk herumlaufen, Tag und Nacht. Und der Besuch am Iseosee, er lohnt sich.
Kommentieren
BeKie_JMF, Montag, 20.Juni 2016, 09:55 Uhr
3. ... und es ist doch Kunst!
Das ist Kunst! Ohne Kunst wäre es sehr kalt und dunkel auf dieser Welt! Bei allen menschlichen und natürlichen Katastrophen auf unsere Welt ist es umso mehr wichtig, leuchtende Punkte zu geben. Christo macht das! … und machen sie sich doch keine so große Gedanken bezüglich des Recycling der nutzlosen Überreste dieser Installation. Christo hat sich das sehr gut überlegt! Denken sie lieber daran, wie sie Ihre Freunde, Kollegen und vielleicht auch Familienmitglieder davon überzeugen können, auf diese schei* Nes..Kaffee-Kabs zu verzichten. 2 Milliarden Kaps = 4000 Tonnen Alumüll allein in Deutschland, dass ist eine Sünde an der Natur!
Ich durfte am Eröffnungstag Chisto’s Kunstwerk unter den eigenen Füßen erleben. Ein unvergessliches Erlebnis! Da werden dir die Augen an Gottes Schöpfung wieder gereinigt und du tankst Kraft für ein Leben für die Natur!
focus, Freitag, 17.Juni 2016, 22:23 Uhr
2. Kunstwerk?
Ich bin kein Kunstkenner. Aber wenn das Kunst ist, dann möchte ich auch keiner sein. Ein rein technisches Produkt, das irgendwie auch wieder entsorgt werden muß. Hat sich der "Künstler" darüber auch Gedanken gemacht? Eine Kunst wäre es, die Entsorgung durchztuführen, ohne die Umwelt zu belasten. Dieser Kommentar wurde von der BR-Redaktion entsprechend unseren
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Christian Fröhlich, Freitag, 17.Juni 2016, 11:53 Uhr
1. Die Welt erstickt im Plastikmüll...
...und der alte Mann fantasiert davon, übers Wasser zu wandeln. Man muss sich wundern...Anderswo setzen Visionäre alles daran, die Ozeane von Plastikmüll zu befreien. Ist schon immer wieder verwunderlich, wofür die Menschen sich begeistern lassen und für was sie Energie einsetzen.