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"Du Ungläubige" Der Sohn ein Salafist: Wie Islamismus eine Familie zerstört

Anna B. (Name geändert) aus Oberbayern ist todunglücklich. Ihr zum Islam konvertierter Sohn hält sie für eine Ungläubige. Die Enkelkinder darf Anna B. deshalb nicht mehr sehen. Von Lehrern und Beratungsstellen fühlt sie sich alleingelassen.

Von: Sabina Wolf und Joseph Röhmel

Stand: 10.03.2018 | Archiv

Anna B. (Name geändert) aus Oberbayern schaut sich am PC Fotos mit ihren Enkelkindern an. Der Sohn verbietet ihr den Kontakt mit den Enkeln.  | Bild: BR

Vor über zehn Jahren ist Martin B. (Name geändert) zum Islam konvertiert. Der junge Mann aus Oberbayern gilt als ein Salafist. Seine Mutter ist sehr unglücklich darüber, hat kaum noch Kontakt, weil sich ihr Sohn aus religiösen Gründen immer mehr vor ihr zurückzieht.

"Er sagt, ich bin eine Kafir. Kafir heißt „eine Ungläubige“. Er sagt, dass das Leben, das er vorher hatte, und das ich mit ihm geführt habe, dass das alles falsch gewesen sei."

Anna B., Mutter eines Konvertiten

Auch ihre Enkel sieht die Frau nur noch selten. Die Erziehungsmethoden ihres Sohnes haben sie erschreckt. Zum Beispiel, dass er seiner Tochter mit dem Teufel drohte. Sie erklärte ihrer Enkelin:

"…Pass mal auf, habe ich gesagt, das mit dem Satan, den gibt es in Wirklichkeit gar nicht."

Anna B., Mutter eines Konvertiten

Martin B. reagiert darauf scharf: "Du hast unserer Tochter Lügen erzählt. Wie kannst du sowas machen. Und dann heißt es, dass es Allah nicht gibt, wenn es den Teufel nicht gibt", zitiert Anna B. ihren Sohn.

"Die Kinder werden irgendwie so getrimmt, dass ihnen eingeredet wird, alle anderen sind schlecht, sind Kuffar, die nicht Muslime sind. Und du darfst nur mit Muslimen Kontakt haben."

Anna B., Mutter eines Konvertiten

Ihr Sohn Martin B. möchte sich auf BR-Anfrage nicht dazu äußern. Anna B. ist todunglücklich. Sie würde gerne Oma sein, aber sie darf es nicht mehr. Sie fühlt sich allein, schaut alte Fotos mit ihren Enkelkindern an, damals vor ein paar Jahren, als sie sich noch um sie kümmern durfte.

Bei der Einschulung eskaliert die Situation

Tränen fließen immer wieder. Monatelang beobachtet der Bayerische Rundfunk, wie die Einsamkeit an Anna B. frisst. Besonders belastend sei, so berichtet sie den Reportern, die Einschulung ihres Enkels verlaufen.

Sie habe durch Zufall erfahren, welche Schule ihre Enkel besuchen, habe sich ein Herz genommen und sei hingegangen:

"Mein Sohn hat mich angeschimpft und angerempelt. Er hat gesagt, ich würde den Kindern schaden und sollte nach Hause gehen. Vor all den Leuten hat er das gesagt."

Anna B.

Musik hören ist verboten

Anna B. fühlt sich allein gelassen. Niemand wolle ihr helfen. Lehrer und die Beratungsstellen, alle, die sie konsultiert und um Rat gebeten hat, würden sagen, sie könnten nichts machen. Der Sohn sei ja schließlich erwachsen und es sei "nichts vorgefallen".

Wann sind Lehrer alarmiert? Wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist? Anna B. glaubt, dass ihre Enkelkinder keine schöne Kindheit haben: Musik hören, basteln oder Bücher anschauen – das war alles "haram", verboten, als sie zuletzt Kontakt hatte. Werden so Salafisten-Kinder erzogen?  

Viermal pro Schultag melden sich im Schnitt Lehrer und Erzieherinnen bei der Beratungsstelle Radikalisierung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge in Nürnberg. Dort bekommen Lehrer und Erzieher Rat, wenn Kinder durch islamistische oder salafistische Äußerungen auffallen. Solche Situationen oder Beleidigungen wie "dreckiger Ungläubiger" und "Christen ans Kreuz" sind offenbar keine Seltenheit in Schulen, recherchiert der Bayerische Rundfunk. Florian Endres, Leiter der Beratungsstelle, berichtet:

"Wir hatten Konstellationen, wo beispielsweise ein Grundschüler aufgefallen ist. Die ging es um Aussagen wie 'Du bist ein Ungläubiger. Wenn du mich weiter so behandelst, dann sag ich meinem Vater Bescheid, dann wird er dir zu Leibe rücken, bis hin zu Kopfabschneiden'. Es ging auch um Videos aus dem IS-Kontext, die auch bei Grundschülern gefunden wurden. Es ist wirklich in allen Bereichen der deutschen Gesellschaft mittlerweile so, dass man salafistische Orientierungen feststellen kann."

Florian Endres, Leiter der Beratungsstelle Radikalisierung 

Das Projekt Mother Schools

Der Freistaat Bayern reagiert. Eine Maßnahme ist ein umfassendes Präventionsprogramm gegen Radikalisierung, finanziert vom bayerischen Sozialministerium. Beim Pilotprojekt "Mother Schools" geht es darum, Gefahren radikaler Ideologien zu erkennen, von rechts, von links oder durch Islamismus. Dabei stehen die Mütter im Zentrum.

Derzeit sind es beim Pilotprojekt in Unterfranken ausschließlich Muslimas. Über einen Zeitraum von zehn Wochen schult Trainerin Heike Mix die Mütter. Sie hat beobachtet, dass die Kursteilnehmerinnen zwar wissen, dass islamistische Radikalisierung online oder durch den Umgang mit "falschen Freunden" entstehen kann. Doch dies zu erkennen und wie dann richtig zu reagieren, dafür gibt Heike Mix den Frauen im Kurs ein Instrumentarium an die Hand.

Ein weiteres Präventionsprojekt in der Schule heißt "ReThink". Es wird ebenfalls vom bayerischen Sozialministerium finanziert. In Schulklassen sollen typische Situationen, die im Alltag von muslimischen Kindern und Jugendlichen vorkommen können, nachgespielt werden. Zum Beispiel wenn Salafisten versuchen, Kontakt zu ihnen aufzunehmen. Der Psychologe Ahmad Mansour will den Kindern gemeinsam mit seinem Team die Abläufe bewusst machen und dann durch die andere Spielarten gleicher Situationen klarmachen, dass es durchaus Handlungsalternativen und Gegenstrategien gibt.

"Unser Ziel ist es die Jugendlichen zu verunsichern und zu hinterfragen. Auf diese Weise sollen auch Alternativen entstehen. Man kann Moslem sein, und für Gleichberechtigung sein. Man kann Türke sein und diese religiöse Autorität in Frage stellen. Das macht mich nicht zu einem schlechten Moslem. Im Gegenteil, das macht mich zu einem mündigen Menschen."

Ahmad Mansour, Psychologe

Kontakt mit salafistischen Moscheen

Ab Mai wird das Projekt "ReThink" an bayerischen Schulen angeboten. Ein Weg, um den Salafisten etwas entgegenzusetzen. Denn noch immer gelten sie als die besseren Sozialarbeiter. Der Bayerische Rundfunk nimmt Kontakt zu einer Salafisten-Moschee in München auf, die vom bayerischen Verfassungsschutz beobachtet wird: Findet salafistische Kindererziehung auf dem Boden des Grundgesetzes statt? Doch statt konkreter Antworten begegnet den Reportern Aggression und erstaunlicherweise die Aufforderung Geld zu geben. Die Fragen nach der Vereinbarkeit von Grundrechten und Salafismus im Bereich der Kindererziehung scheinen unangenehm.


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