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Kehrtwende in der Syrien-Politik Keine Alternative für die Kanzlerin

Das ist eine deutliche Kehrtwende: Die Bundesregierung nimmt Abschied von ihrer bisherigen, sehr zurückhaltenden Position im Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat.

Von: Clemens Verenkotte

Stand: 26.11.2015 | Archiv

Symbolbild: Ein Tornado der Luftwaffe wird aus dem Hangar gelotst. | Bild: picture-alliance/dpa

Die klare Aufforderung von Frankreichs Staatspräsident Hollande an die Bundeskanzlerin, seine Ad-hoc-Reaktion auf die Pariser Anschläge militärisch zu unterstützen, zeigt Wirkung. Allerdings in einem weitaus größeren Umfang, als dies Berlin nach dem 13. November zu erkennen gab.

Nicht mehr allein Substitutionseinsätze der Bundeswehr in Mali, um französische Einheiten zu entlasten, nicht mehr allein deutsche Militärausbilder für kurdische Perschmerga-Verbände im Nordirak. Nein, Merkel stellt Frankreich mit den Recce-Tornados das zur Verfügung, was dem französischen Luftwaffen-Einsatz fehlt und worum sie Hollande vermutlich direkt gebeten hat - Aufklärungs-Jets, die den Luftraum überwachen und Videoaufnahmen von mutmaßlichen Angriffszielen in Echtzeit liefern. Weitere Marine- und Luftwaffen-Kapazitäten stellt Berlin zudem für den Einsatz der Franzosen in Syrien zur Verfügung.

Kein machtpolitisches Abseits für Deutschland

Warum hat sich Merkel für diese Zusagen entschieden, die - als mittelbare Folge - die Anschlagsgefahr durch islamistische Terrorzellen erhöhen werden? Aus zwei Gründen:

Erstens, die Bundeskanzlerin hat feststellen müssen, dass sich nach dem 13. November von Paris die machtpolitischen Gewichte innerhalb der Europäischen Union zugunsten Frankreichs verschoben haben. Hollande strebte binnen weniger Tage die Bildung einer breiten Anti-IS-Koalition an; er konferierte zunächst mit denjenigen Partnern, von denen er wusste, dass sie über die entsprechenden militärischen Ressourcen verfügen: Zunächst mit David Cameron, dann mit Barack Obama. Für Merkel war sehr schnell klar, dass sie Deutschland ins machtpolitische Abseits rücken würde, sofern sie "Nein" zu den deutschen Aufklärungs-Tornados gesagt hätte.

Versprechen an Frankreich

Und zweitens: Außenpolitische Solidaritätsbeteuerungen haben ihren Preis. Gerhard Schröder hatte nach den 9/11-Anschlägen in den USA George W. Bush "uneingeschränkte Solidarität" zugesagt, und damit die deutsche Beteiligung am Afghanistan-Einsatz des NATO-angeführten Bündnisses eingeleitet. Eine Beteiligung, die Deutschland bis heute militärisch am Hindukusch bindet und binden wird. François Hollande hatte nach den Terroranschlägen von Paris - ähnlich wie Bush - von einem "Krieg" gegen eine Terror-Organisation gesprochen, deren Zerstörung eine globale Aufgabe sei. Die Bundeskanzlerin, als engste politische Verbündete in Europa, sagte Hollande sehr rasche Unterstützung zu - und hat jetzt geliefert. Ohne diesen Beitrag hätte die Bundesregierung nicht allein Frankreich vor den Kopf gestoßen - sie hätte vielmehr mit den Langzeitfolgen einer Absage erheblich an außen- und sicherheitspolitischem Einfluss in Europa verloren.


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