Öffnungszeiten Neuer Streit ums Shoppen am Sonntag
Die großen Warenhauskonzerne sind vorgeprescht und wollen endlich Schluss machen mit Gesetz, das sie für einen Anachronismus halten und dass sie aus ihrer Sicht gegenüber dem Onlinehandel benachteiligt. Aber rechnet sich der verkaufsoffene Sonntag wirklich?
"Mehr/wert" hat sich sonntags auf die Reise durch Deutschland gemacht und ist auf ein Wirrwarr an Regelungen mit vielen Ausnahmen und zum Teil absurden Auseinandersetzungen gestoßen.
Unterschiede in Nord und Süd
An einem Sonntag ist "mehr/wert" unterwegs in Deutschland, ganz im Süden, in den Berchtesgadener Alpen, in Schönau am Königssee. Der Ort ist voller Touristen. Doch die meisten Läden sind zu. Es bleiben enttäuschte Kunden.
Händler wünschen sich kulante Regeln
Rund 1.000 Kilometer weiter nördlich liegt Eutin in Schleswig-Holstein – ebenfalls eine beliebte Touristen-Region. Doch hier können Einheimische und Gäste von März bis Oktober nach Herzenslust einkaufen und sind begeistert. Vor allem Schmuck und Kleidung gehen sonntags gut. An 14 Sonntagen pro Jahr öffnet auch Andreas Booke sein Kaufhaus.
"Wir leben hier vom Tourismus. Die Menschen kommen gerne sonntags oder am Wochenende in die Stadt. Sie wollen bummeln, sie wollen flanieren, sie wollen essen, sie wollen trinken, aber sie wollen auch kaufen."
Andreas Booke
Anders als Bayern hat Schleswig-Holstein eine Ausnahmeregelung, die sogenannte Bäderregelung. Damit kann in Küstenorten auch sonntags geöffnet werden, zur Freude der Geschäftsleute hoch im Norden.
Strenge Regeln in Bayern
Frust dagegen im Süden: Ladenbesitzer Franz Schoen und Markus Zeitz in Schönau ärgern sich schon lange über die strengen Regelungen in Bayern. Hier hält man sich an das Bundesgesetz: Maximal vier verkaufsoffene Sonntage im Jahr. Markus Zeitz, der Geschäftsführer eines Trachtenladens meint: "Gerade die wichtigsten Tage in der Vor- und Nachsaison, die Feiertage und die Sonntage bringen uns das Geld. Das brauchen wir, dass wir unsere Waren bezahlen, dass wir unser Personal das ganze Jahr beschäftigen können, dass wir einfach auch leben können."
Wenn sonntags die Tagestouristen kommen, schaut Markus Zeitz mit seinem Trachtenladen in die Röhre. Und auch Franz Schoen mit seinem Sportgeschäft darf am Sonntag nichts verkaufen. Für beide sind das erhebliche Umsatzeinbußen. Franz Schoen spricht von vierstelligen Beträgen, die er jeden Sonntag verliere.
In Bayern müssen Händler Waren abdecken
Zu den wenigen Geschäften, die geöffnet sind, gehört der Laden von Vera Thiel. Doch auch sie darf längst nicht alles sonntags verkaufen. So sind Produkte zum Sonnenschutz, wie Sonnenbrillen, Sonnenhüte, Kappen, Sonnenmilch und Badehosen erlaubt, Regenschirme jedoch nicht, berichtet sie. Auch Souvenirs mit Ortskennzeichnung sind erlaubt, viele andere Waren nicht. Sie müssen sonntags abgedeckt werden. Ein Irrsinn, findet Vera Thiel. Das passe nicht mehr in unsere Zeit.
Gegenwehr der Kirchen
Die Kirchen sehen das völlig anders und wollen weiter am verkaufsfreien Sonntag festhalten. Monsignore Dr. Thomas Frauenlob, Leiter des Pfarrverbands Berchtesgaden, erläutert dazu:
"Es heißt der Sonntag soll frei sein, soll reserviert sein für Gott. Wenn kein Tag mehr unterscheidbar ist, wenn kein Tag mehr herausgenommen ist, wo diese Geschäftigkeit eingedämmt wird, dann wird es auch das Lebensgefühl ein anderes, dann wird es schwierig."
Thomas Frauenlob, Pfarrverband Berchtesgaden
Im Norden dagegen konnten die Kirchen nicht verhindern, dass verkaufsoffene Sonntage vielerorts ganz normal sind. Die Beschäftigten in Eutin versuchen, es positiv zu sehen. Die Kunden seien entspannt und so mache die Sonntagsarbeit Spaß, auch wenn Familie und Privatleben etwas darunter leiden. Andere freuen sich über die Zusatzstunden und Ausgleichstage unter der Woche.
Regelungswirrwarr
Dazu kommt außerdem noch der Sonntagszuschlag. Die Gewerkschaft verdi sieht die Sonntagsarbeit trotzdem kritisch und befürchtet einen Dominoeffekt, wie Frank Schischefsky, Pressesprecher von Verdi Nord, erklärt: "Der Sonntag soll ein Ruhe- und Feiertag bleiben, denn klar ist doch auch, wenn der Handel anfängt, kommen alle anderen hinterher. Dann sind die Post, die Versicherer, die Banken da und das kann doch niemand ernsthaft wollen."
Dabei ist das Ladenschlussgesetz längst aufgeweicht. Seit der Bund die Gesetzgebungskompetenz 2006 an die Länder delegiert hat, gelten überall andere Regelungen. Meist sind nur vier verkaufsoffene Sonntage erlaubt, beispielsweise anlässlich von Stadtfesten. Doch dazu kommen noch etliche Ausnahmen in Tourismusregionen. Ein heilloser Wirrwarr – für Kunden und Händler.
Der Handelsverband HDE fordert deshalb eine einheitliche Liberalisierung der Sonntagsöffnung.
In Warnemünde dürfen Läden sonntags öfter öffnen
Besonders liberal wird das Gesetz in Mecklenburg-Vorpommern ausgelegt. In Warnemünde etwa darf an bis zu 36 Sonntagen geöffnet werden, vom Drogeriemarkt bis zum Modeladen. Der Geschäftsführer eines Markenmodeladens berichtet, dass der Sonntag einer der wichtigsten Tage sei. Man mache ungefähr 22 bis 25 Prozent des Wochenumsatzes.
Sonntagsöffnung für alle?
Wäre die Sonntagsöffnung also der große Umsatzbringer für den Einzelhandel? Nein, sagt der Handelsexperte Prof. Andreas Kaapke von der Dualen Hochschule Baden-Württemberg. Profitieren würden wohl nur bestimmte Branchen: "Alles, was wir Impulskäufe nennen. Also wo es um Mode geht, um Design, also kein Muss-Artikel, sondern Kann-Artikel, so ein bisschen Lust-Artikel, Schuhe, Schmuck, vielleicht eine Ledertasche, da hat der Sonntag eine echte Chance."
Damit könnte man Kunden vielleicht davon abhalten, im Internet zu kaufen, hofft zumindest der Einzelhandelsverband. Doch es formiert sich Widerstand. In Mecklenburg-Vorpommern klagt Verdi nun gegen die freizügige Sonntagsöffnung, Verdi-Nord-Pressesprecher Frank Schischefsky erläutert: "Weil wir der Meinung sind, dass sie sehr weit über das geltende Gesetz hinausgeht. In Mecklenburg-Vorpommern ist sie so weit gefasst, dass die großen Städte zum Teil drin sind, die Zeiten sind zu lang. Also es passt hinten und vorne nicht, es gibt viele Gründe."
Mehr als hundert Mal hat Verdi solche Klagen schon durchgezogen, oft erfolgreich. Auch in Remscheid in Nordrhein-Westfalen, wo ein verkaufsoffener Sonntag kurzfristig wieder abgesagt werden musste, zum Ärger der Ladenbesitzer, die zum Großteil enttäuscht waren, dass über ihre Köpfe hinweg entschieden wurde.
Entscheidung vor Gericht
Am Ende könnten immer öfter Gerichte darüber entscheiden, wo man sonntags einkaufen kann und wo nicht. Deshalb meint Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland HDE: "Wir brauchen jetzt dringend aus Sicht des Einzelhandels eine Planungssicherheit und Rechtssicherheit, damit man genau weiß, an welchen Sonntagen darf man überhaupt öffnen und sich die Mitarbeiter darauf einstellen können."
Das wünschen sich auch Franz Schoen und Markus Zeitz. Sie kämpfen weiter dafür, dass sie ihre Läden auch sonntags öffnen dürfen. Deshalb wollen sie jetzt gegen das Ladenschlussgesetz klagen.