Selbstverpflichtung der Fleischindustrie Hat sich etwas geändert?
Schlachten im Akkord, stundenlang – bei teils schlechter Bezahlung: Nach negativen Schlagzeilen unterzeichnete die deutsche Fleischindustrie 2015 eine Selbstverpflichtungserklärung. Nun erscheint in Berlin der Jahresbericht.
Arbeiter am Schlachthof Landshut berichten BR Recherche und Süddeutscher Zeitung im Sommer von extremer Akkordarbeit. Im Zuge der Recherchen stellt sich heraus: Der Betrieb hat jahrelang gegen Vorschriften und Gesetze in den Bereichen Arbeitsrecht, Tierschutz und Hygiene verstoßen. Dabei hat die Lebensmittelsicherheit laut dem Betreiber Vion nie in Frage gestanden.
Ein Einzelfall? Zumindest was die arbeitsrechtliche Dimension angeht, offenbar nicht: Denn sechs Branchenriesen der deutschen Fleischindustrie haben sich bereits vor einem Jahr selbst verpflichtet, für bessere Arbeitsbedingungen zu sorgen und dem Wirtschaftsministerium jährlich zu berichten. Dort sieht man jetzt erste Fortschritte:
"Wir hatten ja Berichte über Katastrophale Arbeitsverhältnisse in der Branche. Wir sehen jetzt, dass die Unternehmen mitgezogen sind und sämtliche Beschäftigungsverhältnisse unter deutsches Arbeits- und Sozialversicherungsgesetz gestellt haben."
Oliver Schmolke, Bundeswirtschaftsministerium
Subunternehmen und osteuropäische Arbeitskräfte
Angesichts des ersten Berichts sieht er die Fleischwirtschaft weiter in der Pflicht – denn seit Jahren setzt sie maßgeblich auf Subunternehmen, die oft osteuropäische Arbeiter beschäftigen. Unterzeichnet hat die Selbstverpflichtungserklärung auch der niederländische Konzern Vion: In Bayern zählt er zu den größten Arbeitgebern der Branche: Am in die Kritik geratenen Standort Landshut und an anderen Orten im Freistaat arbeiten rund 2.300 Menschen für Vion – inzwischen unterliegen alle deutschem Sozialversicherungsrecht. Doch nur die Hälfte der Mitarbeiter ist Konzernangaben zufolge direkt angestellt. Verändert hat sich diese Quote laut einem Unternehmenssprecher im vergangenen Jahr kaum.
Forderung der Gewerkschaft: Mehr Stammpersonal
Die Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten – NGG – sieht das kritisch: NGG-Niederbayernchef Kurt Haberl beobachtet die bayerische Fleischindustrie seit Jahren fordert: Stammpersonal anstelle von Subunternehmen einzusetzen:
"Wenn irgendwelche Verstöße bekannt werden, kann man es nicht auf einen Subunternehmer abwälzen und auch ein Teil des Betriebsrisikos kann nicht auf einen Subunternehmer abgewälzt werden. Aber auch im Hinblick auf Hygiene- und Arbeitssicherheit kann man das mit eigenem Stammpersonal besser handhaben als mit Fremdpersonal."
Kurt Haberl, Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten
Forderung der Grünen: Mehr Kontrolle durch die Landratsämter
Die Arbeitsbedingungen in vielen Schlachthöfen schlagen inzwischen auch bundespolitisch Wellen. Aus Sicht von Anton Hofreiter, dem Fraktionsvorsitzender der Grünen, müssten die lokalen Kontrollbehörden aktiver werden:
"Die Kommunen sind in vielen Fällen verantwortlich – insbesondere die Landratsämter. Da müssten die Schrauben deutlich angezogen werden. Häufig haben wir in Kommunen oder Landratsämtern die Situation: Ach das ist ein wichtiger Gewerbebetrieb, da drücken wir mal lieber beide Augen zu."
Anton Hofreiter, Die Grünen
Abzuwarten bleibt jetzt, wie sich Politik und die Größen der Fleischindustrie weiter positionieren werden. Denn wenn heute der erste Jahresbericht nach der Unterzeichnung der Selbstverpflichtungserklärung übergeben wird, so ist das allenfalls ein Signal dafür, dass die Branche langsam beginnt, auf öffentlichen Druck zu reagieren.
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Thinking, Mittwoch, 28.September 2016, 09:39 Uhr
4. Kommentar 2
Also es braucht dort schon Korrekturen durch den Gesetzgeber und es braucht dort auch mehr Kontrollen, aber dafür braucht es auch entsprechende Stellen in angemessener Form, entsprechend mit qualifizierten Fachpersonen besetzt. Ähnlich wie bei der Polizei sind dort die entsprechenden Behörden enorm unterbesetzt.
Thinking, Mittwoch, 28.September 2016, 09:36 Uhr
3. Kommentar 1
Es braucht in entwickelten demokratischen Staaten, eine starke und eigenständige Wirtschaft und es braucht eine effiziente und angemessene Politik. Es ist schon wichtig, dass die Politik und die Wirtschaft sich gegenseitig als Partner verstehen, in dem Sinne, dass die Politik verlässliche und faire Regeln definiert, die dafür sorgen, dass die Wirtschaft erfolgreich wachsen und agieren kann. Das ganze sollte im Optimalfall eine Wechselwirkung haben in einem demokratischen Staat, dass heißt die beteilligten Parteien, Bürger, Politik und Wirtschaft arbeiten für einander fungieren jeweils aber zugleich auch als Korrektiv. Die Politik hat die Regeln zu definieren, Selbstverpflichtungen der WIrtschaft funktionieren meistens nicht, sofern es nicht um Ausbildungsspezifische Belange geht, dass hat die Vergangenheit oft schon gezeigt. Es braucht dort veränderte Rahmenbedingungen.
Kritiker, Mittwoch, 28.September 2016, 09:20 Uhr
2. Selbstverpflichtung???
Bei allem was bisher mit Selbstverpflichtung versucht wurde hat nichts wirklich funktioniert. Das ist nur eine Masche wie sich die Zuständigen und Verantwortlichen der Verantwortung und Gesetzmäßigkeit entziehen können und weiter untätig sein. Es ist schlichtweg ein Saustall wie an den Großschlachthöfen die deutschen Gesetze ausgehebelt und unterlaufen werden. Die Mitarbeiter gnadenlos ausgebeutet und deutsche Arbeitsplätze vernichtet. Die verantwortlichen Politiker schauen weg. Es riecht an allen Ecken und Enden nach Koruption und Vetternwirtschaft und das wieder einmal im umgang mit Tieren und Lebensmitteln.
Anna, Mittwoch, 28.September 2016, 09:11 Uhr
1. Schlachthof
Wenn die Arbeitsbedingungen schlecht sind, leiden die Tiere noch mehr, die nicht ihre Stimme erheben können. Mit Reden alleine ist es nicht getan.