Report München: Rückblick und Analyse Was läuft falsch in der Flüchtlingspolitik?
Seit 15 Jahren dreht sich die Asyl- und Einwanderungspolitik im Kreis. Was ist falsch gelaufen in den letzten Jahren und welche Lösungen gibt es aktuell? Wie soll den Flüchtlingen, die nun in Massen kommen, eine Perspektive geboten werden? Legale Zuwanderungsmöglichkeiten, sagt etwa Rita Süßmuth. Ein Rückblick und eine Analyse.

Oberbayerische Ruhe: Holzkirchen nahe München. Mitten im Dorf, gleich hinter dem Rathaus, ein Protest-Camp von Flüchtlingen. Sie protestieren gegen die Unterbringung in diesen Containern: Zu heiß im Sommer, zu kalt im Winter. "Unzumutbar", sagen die Flüchtlinge. Vielen warten seit Jahren auf eine Entscheidung über ihren Asylantrag.
"Wir Flüchtlinge wollen etwas Respekt und Rücksicht. Wir sind auch Menschen."
Flüchtling
Die Flüchtlinge sind in Holzkirchen offen aufgenommen worden. Es gibt einen großen Helferkreis und viel Verständnis. Doch langsam kippt die Stimmung.
"Ich bin dafür, dass man den Leuten hilft, die wirklich Hilfe brauchen, aber dass man dann irgendwann aussortiert, gell?"
Passantin in Holzkirchen
Wer soll bleiben, wer darf bleiben? Drängende Fragen, die sich nicht erst seit heute stellen. Doch an den Antworten mühen sich deutsche Politiker schon seit 15 Jahren ab. "Wir wollen, dass politisch Verfolgte Asyl erhalten. Wir wollen, dass der Asylmissbrauch bekämpft wird. Und drittens wir wollen eine Verkürzung der Verfahrensdauern." sagte Angela Merkel, damals CDU -Parteivorsitzende im Jahr 2000.
"Diesen massenhaften Missbrauch des guten Asylrechts, das im Grundgesetz geschützt ist, einzudämmen und abzustellen."
Horst Seehofer, CSU
"Genauso schlau wie vorher"
Seit 15 Jahren dreht sich die Asyl- und Einwanderungspolitik im Kreis. „Wir sind jetzt genauso schlau wie vorher", sagte Wolfgang Bosbach (CDU) bereits im Oktober 2004. Gab es da nicht die Süssmuth-Kommission? Bereits 2001 hatte Rita Süssmuth gesagt, Deutschland brauche Zuwanderung und die müsse man frühzeitig steuern über Quoten, etwa nach dem Bedarf an Fachkräften. Sie wollte die Nöte der Migranten im Einklang mit den Interessen Deutschlands lösen. Frühzeitig. Doch die Vorschläge wurden so gut wie gar nicht umgesetzt. Wir besuchen sie 14 Jahre danach in ihrem Haus in Neuss.
"Ich muss sagen, dass ich davon überzeugt bin, dass je früher wir mit der gesteuerten Zu- und Einwanderung umgegangen wären umso besser."
Rita Süssmuth
Doch das ist nicht geschehen: Deshalb sitzt dieser studierte Chemiker aus Afrika in Holzkirchen seit Jahren sinnlos in einem Container und wartet auf seinen Asylbescheid. Und das, obwohl eine bayerische Firma ihn bald als Fachkraft einstellen möchte.
"Es gibt ja durchaus Schnittmengen. Der anerkannte Asylbewerber kann genau unter die Gruppe fallen, die wir brauchen im Arbeitskräftemangel."
Rita Süssmuth, CDU
Doch Süssmuths Partei war lange Zeit nicht so weit: Das Thema Zuwanderung musste vor allem für Parolen im Wahlkampf herhalten. Verkürzt lautete der Slogan: "Kinder statt Inder".
"Die Begrenzung der Zuwanderung ist das Motto. Wie kann man diejenigen, die als Asylbewerber abgelehnt sind, die als Bürgerkriegsflüchtlinge nicht mehr in Not sind, die illegal sind, aus Deutschland in ihre Heimatländer zurückbringen?" Günther Beckstein, CSU, am 2. April 2000 als Bayerischer Innenminister
Wertvolle Zeit verstreicht
Während noch heute die gleichen Rezepte angepriesen werden, haben die Flüchtlings- und Migrantenströme zugenommen. Wertvolle Zeit ist verstrichen. Einer, der das in Flüchtlingslagern auf der ganzen Welt beobachtet, ist Professor Zenker. Das ist das massive Versäumnis in der deutschen und europäischen Politik, sich zu der Flüchtlingsproblematik zu bekennen und dann ein Einwanderungsgesetz zu schaffen mit Kontingenten einem viel höheren quantitativen und qualitativen Niveau. Heinz-Jochen Zenker, Vorstandsvorsitzender Ärzte der Welt, äußert sich kritisch: "Stattdessen haben Politiker den Menschen vorgemacht, man könne das Problem durch Abschottung lösen. Mehr Zäune gegen Flüchtlinge im französischen Calais. Hohe Zäune an den Spanischen Exklaven in Nordafrika, vor Libyen patrouillieren Grenzschutzschiffe der EU, und auch vor den griechischen Inseln. Ein neuer Zaun auch an der ungarischen Grenze EU-Außengrenze. Lange hat sich die EU dabei auf zweifelhafte Partner verlassen. Libyens Diktator Gaddafi fordert 2010: mehr Geld dafür, dass er Flüchtlinge vor dem Mittelmeer stoppte.
"Wenn wir nicht zusammen finden, wird Afrika Flüchtlinge nach Europa künftig nicht mehr aufhalten. Europa ist dann nicht mehr der weiße, christliche Kontinent, sondern schwarz."
Muammar Gadaffi, Staatschef Libyen, 2010
Der Diktator wurde mit Hilfe des Westens gestürzt. Kaum einer hat an die Zeit nach Gaddafi gedacht, kritisiert der Afrika-Forscher Professor Kappel: "Wir stehen jetzt vor einem weitaus vergrößerten Problem, weil wir viel zu spät gehandelt haben. Wir müssen die nächsten zehn Jahre benutzen, an die Ursachen ranzugehen. Und hier verstärkt über Entwicklungskooperation, über Wirtschaftskooperation, über Sicherheitskooperation in einem Gesamtkonzept zu agieren, damit die Menschen wieder eine Perspektive in Afrika haben. Sonst werden die Menschen verstärkt zu uns kommen. Und ich weiß nicht, ob Europa in der Lage ist, noch viel mehr Menschen aufzunehmen."
EU verschärft nicht selten Not in Afrika
Wolfgang Schäuble äußerte 2006 als CDU-Bundesinnenminister: "Wenn wir die Fluchtursachen bekämpfen und zugleich die Integration derjenigen, die legal bei uns sind, verbessern, dann ist das natürlich eine Politik, die wir nicht nur im nationalen, sondern auch im europäischen Rahmen betreiben."
Doch statt die Armut in Afrika nachhaltig zu bekämpfen, hat auch die EU nicht selten die Not in Afrika verschärft. Durch umstrittene Handelsabkommen. Oder durch den Aufkauf von Fischereirechten. Internationale Fischtrawler vor Westafrika haben viele heimische Fischerboote verdrängt.
"Das hat zur Verarmung der Fischer geführt, die dann auf die kanarischen Inseln geflüchtet sind. Und dann hat man sich gewundert, dass plötzlich Flüchtlinge ankommen."
Heinz-Jochen Zenker, Vorstandsvorsitzender Ärzte der Welt
Jetzt kommen Flüchtlinge in Massen. Und sind selbst in Dörfern wie Holzkirchen täglich sichtbar. Erst unter dem öffentlichen Druck werden Süssmuths Vorschläge jetzt zähneknirschend wieder aus der Schublade geholt.
"Wie schaffen wir legale Zuwanderungsmöglichkeiten als Steuerung, damit die Menschen sich nicht in großen Zahlen auf den Weg machen und wieder zurück geschickt werden und möglicherweise in sechs Wochen wieder da sind? Wie schaffen wir im Herkunftsland legale Möglichkeiten? Wie alt bist du, was ist deine Ausbildung, Interessen, welche Kenntnis hast du von Deutschland?"
Rita Süssmuth, CDU
Was spricht eigentlich dagegen, wenn Asylbewerber und Einwanderer ihre Anträge bereits zuhause stellen können. In der deutschen Botschaft oder den vielen Botschaften der EU? Das könnte den Druck auf Europa mildern und würde ein hartes Grenzregime der EU eher rechtfertigen. Die Menschen aus den Krisengebieten und die Bürger Europas erwarten jetzt Lösungen.
Kommentieren
Abendrot, Dienstag, 11.August 2015, 22:13 Uhr
38. zum Fremdschämen
Was wollen wir denn mit einem Professor diskutieren? So einen Quas hat man auch noch nicht gehört, wenn man sich von hoch dotierten staatlichen Angestellten noch erklären lassen soll, dass wir ja den Marsch der Afrikaner ohne jede Gegenwehr zu erdulden haben. Warum ist klar - wegen unserer kollektiven Schuld! Man will einfach Deutschland zur afrikanischen Kolonie erklären - unsere Politiker haben bereits kapituliert!
Hänni, Dienstag, 11.August 2015, 20:48 Uhr
37. Was? Einiges!
Was überhaupt schon mal schief läuft, ist die etwas undurchsichtige und sehr "selektive" Art der Berichterstattung in den Medien.
Was ist denn aus dem BR-Artikel über de Maizières Besuch in den "Bearbeitungsstraßen" geworden?
Einige Kommentatoren hatten schon seichtes Geschwätz und Lobhudelei für die Einsatzkräfte vorausgeahnt - und ddann war der vorher großßartig angekündigte Livestream nicht mehr zu finden. Ohne weitere Hinweise.
Jetzt ist der Artikel durch einen ganz anderen "ersetzt" worden - und - oh Wunder - es gibt keine Kommentarfunktion mehr.
Kein Wunder, wenn die Menschen sich nicht mehr gesehen und verstanden fühlen, dass sie zu - nicht immer angemessenen - Handlungen übergehen und Taten folgen lassen, wo Worte nicht erlaubt (oder vorgegeben) sind.
Schlafwandler, Dienstag, 11.August 2015, 20:43 Uhr
36. Warnhinweis!
Der Tenor dieser Sendung ist bereits bei der Auswahl der dazu hier zu lesenden Auswahl an Sprüchen erkennbar. Wer keine weiteren Gallensteine gebrauchen kann, der sollte sich lieber was auf den Privaten suchen und hinterher schön entspannt einschlafen. Denn was man hier erwarten kann, bei Süßmuth und Co., das wird wieder billigster Mainstremjournalismus sein, der den wissenden Bürger dazu treibt, vor der schlaflosen Nacht noch tief in den Teppich zu beißen! Herzliche Protestgrüße aus dem heißen Sachsen!
sipi, Dienstag, 11.August 2015, 19:12 Uhr
35. Die Stimmung ist längst gekippt
"Doch langsam kippt die Stimmung" - Zitat aus dem Beitrag.
Vielleicht haben noch nicht alle mitbekommen: Die Stimmung ist längst gekippt! Ich stimme diesem Satz von Seehofer voll zu.
Einem deutschen Normals ist nämlich längst klar, dass das, was sich in unserem Land zur Zeit abspielt, nicht viel mit dem Asylrecht des Grundgesetzes für "POLITISCH VERFOLGTE" zu tun hat, so wie es sich das die Väter des Grundgesetzes vor über 65 Jahren gedacht haben.
Thilo-Sarrazin-Leser, Dienstag, 11.August 2015, 19:09 Uhr
34. Man billigt linken "Trotteln" zu
für die ganze Nation zu sprechen. Das läuft falsch.
Antwort von Bücherwurm, Dienstag, 11.August, 22:17 Uhr anzeigen
Gruß von anderem Sarrazin-Leser! Es gibt noch eine aktuelleres Werk zu diesem Thema, nicht von Sarrazin, sondern einem Migranten namens Pirincci. Wenn Sie es nach den ewig gleichen Sendungen zu diesem leidigen Thema mal so richtig satt haben - Sie werden spätestens ab Mitte des gewissen Buches nach langer Zeit von Herzen laut lachen können und sich wie ein neuer Mensch fühlen. Trotz allem Elend...