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"Flüchtlinge fressen" Zentrum für Politische Schönheit provoziert wieder

Eine Künstleraktivistengruppe will Flüchtlinge mit dem Flugzeug nach Deutschland holen. Weil sie aber ohne Visum nicht einreisen dürfen, fordert die Gruppe vom Bundestag die Aufhebung des Visumsparagrafen in der kommenden Woche. Wenn der Bundestag nicht mitmacht, sollen sich Flüchtlinge in Berlins Stadtmitte öffentlich von vier Tigern auffressen lassen.

Von: Emmanuelle Denove und Markus Langenstraß

Stand: 17.06.2016

Einer der vier lybischen Tiger der Aktion | Bild: picture-alliance/dpa | Rainer Jensen

Das Alte Rom im modernen Berlin

Der Ort für dieses makabre Spektakel liegt ganz nach römischem Vorbild im Zentrum der Stadt. Die Arena aus Gerüstteilen wurde vorm Berliner Maxim Gorki Theater aufgebaut. Davor marschiert ein Aktivist in römischer Legionärskluft auf und ab. Hinter Glas und Metallgittern warten schon jetzt vier lybische Tiger auf ihr Futter. Touristen machen Bilder mit Selfiestangen.

Zuschauer der Aktion spiegeln sich in der Arenascheibe

"Wir haben ein hyperreales Rom in die Hauptstadt gebracht", sagt André Leipold, der sich Geheimrat des Zentrums für Politische Schönheit (ZPS) nennt, bei ihrer "Bundeserpressungskonferenz", ein Nachbau der Bundespressekonferenz im Maxim Gorki Theater. Alle Mitglieder des Künstleraktionsbündnisses auf dem Podium haben schwarze Farbe im Gesicht.

Die "Bundeserpressungskonferenz"

ZPS-Aktivisten bei der "Bundeserpressungskonferenz"

Dann beginnt die Pressekonferenz zur Aktion "Flüchtlinge fressen – Not und Spiele". Das Kollektiv hatte in den letzten Jahren immer wieder mit provokativen Aktionen auf sich aufmerksam gemacht. Letztes Jahr wollte es ertrunkene Flüchtlinge vor dem Kanzleramt bestatten und rückte dazu mit Baggern und Schaufeln an. Ein Jahr zuvor hatte das ZPS die Kreuze geklaut, die an die Mauertoten erinnern sollen, um mit ihnen an den EU-Außengrenzen die Flüchtlingspolitik zu kritisieren. 

Warum kommen die Flüchtlinge nicht einfach mit dem Flugzeug?

Flagge der Aktion im Zentrum von Berlin

Ausgangspunkt der Aktion sei die einfache Kinderfrage gewesen "Mama, warum kommen die Flüchtlinge nicht einfach mit dem Flugzeug?", sagt Leipold. Grund sei die Richtlinie 2001/51/EG, die Fluggesellschaften mit enormen Strafen belegt, wenn sie Passagiere befördern, die kein Visum besitzen. Der Bundestag soll in der kommenden Woche die Einreisebestimmungen ändern. Dabei setzt das ZPS auch auf die Unterstützung von Bundespräsident Joachim Gauck.

Ende Juni will das ZPS 100 geflohene Syrer aus der Türkei nach Berlin bringen. Dazu wird ein Flugzeug mit Crowdfunding gechartert und "Flugbereitschaft" getauft, in Anspielung auf die Bundeswehrflugzeugflotte, mit der Kanzlerin und Minister um die Welt fliegen.

Moralische Erpressung

Kommt ein Nein oder gar keine Reaktion von der Bundesregierung oder dem Bundespräsidenten, kündigt das ZPS drastische Maßnahmen an: Am 28. Juni soll sich eine Gruppe Flüchtlinge "Europa zum Fraß vorwerfen" und sich freiwillig in aller Öffentlichkeit fressen lassen. Auf seiner Seite sucht das ZPS noch Kandidaten, die dazu bereit sind. Zwei sollen sich bereits gefunden haben.

"Natürlich ist das, was wir machen, geschmacklos und zynisch."

Zentrum für Politische Schönheit

ZPS-Plakat im Zentrum vorm Berlin

Aber es bleibe keine andere Wahl, als den Zynismus der Politik mit seinen eigenen Waffen zu schlagen. "Aggressiver Humanismus", nennen sie das beim ZPS. Kaum an Zynismus zu überbieten ist auch die Möglichkeit zu wählen, welche syrische Familie mitfliegen darf: Unter den Videos, die die Ausreisewilligen Syrer vorstellen, gibt es ein Voting. Im Tinder-Stil kann man wählen "Soll fliegen" oder "Soll sterben".
Noch zynischer als die Inszenierung scheint aber die Realität der Reaktionen: Die meisten kommen von besorgten Bürgern, die um die artgerechte Haltung der Tiger bangen.

Thomas Neuendorf, Sprecher der Berliner Polizei, sagte dem Bayerischen Rundfunk: "Die Aktion ist von der künstlerischen Freiheit gedeckt." Man gehe davon aus, dass hier nicht wirklich jemand gefressen werde. Erst zur Gefahrenabwehr müsse die Polizei einschreiten. Am 28. Juni werde man ein Auge aufs Geschehen in de Arena haben.

Das Video zur Aktion des ZPS


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Heuberg, Freitag, 17.Juni 2016, 21:31 Uhr

1. Klamauk statt Hilfe

Jeder Deutsche, auch die Mitglieder des "Zentrums für Politische Schönheit", dürfen hilfsbedürftige Ausländer zu sich nach Deutschland holen. Gemäß dem Aufenthaltsgesetz muss der einladende deutsche Staatsbürger allerdings für den Lebensunterhalt der Hilfsbedürftigen bürgen, die er nach Deutschland holt. Das ist wirkliche Hilfe - aus eigenem Entschluss und auf eigene Rechnung. Die Aktion des "Zentrums für Politische Schönheit" mutet dagegen wie fadenscheiniger Klamauk
an. Statt selber die rechtlichen Möglichkeiten zum persönlichen Helfen auszuschöpfen, wird anderen (der Regierung, der Gesellschaft ...) mangelnde Hilfsbereitschaft vorgeworfen. Was soll das? Ist es nicht absolut unglaubwürdig, von anderen gute Werke zu fordern, die man doch selbst leisten könnte?