Papst-Reise nach Armenien Franziskus spricht von "Völkermord"
Das Eisen ist heiß. Denn die Türkei reagiert extrem verschnupft, wenn Außenstehende auf die schwierige Vergangenheit anspielen. Diese Erfahrung hat letztes Jahr auch der Papst gemacht. Seine Armenienreise ist also eine diplomatische Gratwanderung.
Es war klar, dass Papst Franziskus deutliche Worte finden würde, um das Massaker der Türken an hunderttausenden Armeniern vor 100 Jahren zu geißeln. Schon vor einem Jahr hatte er den Begriff "Völkermord" in einer Messe in Rom gebraucht. Die Türkei hatte daraufhin ihren Botschafter am Heiligen Stuhl abgezogen, und Staatspräsident Erdogan zeigte sich damals sicher, dass der Papst "diesen Fehler höchstwahrscheinlich nicht wieder begehen" werde. Im heutigen Redemanuskript stand dass V-Wort denn auch nicht. Dann aber sagte Franziskus vor Politikern und Diplomaten in Eriwan wörtlich:
"Diese Tragödie, dieser Völkermord, eröffnete die traurige Liste der entsetzlichen Katastrophen des vergangenen Jahrhunderts, die von anormalen rassistischen, ideologischen oder religiösen Motivationen ermöglicht wurden, welche den Geist der Menschenkinder so weit verdunkelten, dass sie sich das Ziel setzten, ganze Völker auszurotten. (...) Ich hoffe, dass die Menschheit aus diesen tragischen Erfahrungen die Lehre ziehen kann, verantwortungsvoll und klug zu handeln, um den Gefahren vorzubeugen, in solche Gräuel zurückzufallen."
Papst Franziskus
Begriff Völkermord/Genozid wird in der Türkei nicht gern gehört
Auch Papst Franziskus kennt diesen Automatismus: Wer die Verfolgung und Ermordung von eineinhalb Millionen Armeniern im damaligen Osmanischen Reich als Völkermord bezeichnet, muss mit massiver Kritik der Türkei rechnen. Die beorderte ihren Vatikan-Botschafter zurück und sprach von „Verleumdung“, nachdem der Papst bei einer Gedenkmesse zum 100. Jahrestag des Genozids Folgendes gesagt hatte:
"Jenes Ereignis, das allgemein für den ersten Genozid des 20. Jahrhunderts gehalten wird, hat das armenische Volk getroffen. Die erste christliche Nation. Es wurden Bischöfe, Priester, Ordensleute umgebracht, Frauen, Männer, Alte, ja sogar Kinder und wehrlose Kranke."
Papst Franziskus
Besuch in der Gedenkstätte bei Eriwan
Der Papst wird am Samstag die nationale Gedenkstätte Zizernakaberd besuchen. Dort trifft er Armenier, deren Angehörige 1915 auf Intervention von Papst Benedikt XV. vor den Massakern nach Italien fliehen konnten. Sie wurden damals in der päpstlichen Sommerresidenz Castel Gandolfo bei Rom untergebracht. Eine solche Geste birgt weniger diplomatischen Sprengstoff als das gesprochene Wort. Bei der Vorstellung des Reiseprogramms vermied Vatikansprecher Federico Lombardi penibel den Begriff Völkermord und sprach stattdessen (so wie es die Armenier tun) vom „großen Übel“.
"Warum gibt es diese Obsession, den Begriff Genozid zu verwenden und nur danach zu fragen? Ich benutze lieber das armenische Wort, damit sich eben nicht alle Fragen nur um die Benutzung dieses einen Wortes drehen. Mir geht es um die Substanz, wir wissen ja, was geschehen ist."
Federico Lombardi, Vatikansprecher
Leiden im Mittelpunkt
In einer Videobotschaft, die er kurz vor dem Abflug aufgenommen hatte, sprach der Papst von „Leiden, die zu den schrecklichsten zählen, an die sich die Menschheit erinnert“, um dann in die Zukunft zu blicken.
"Diese schmerzhaften Erinnerungen dürfen nicht von unserem Herzen Besitz ergreifen. Machen wir es wie Noah, der nach der Sintflut nicht müde wurde, in den Himmel zu blicken."
Papst Franziskus
Noah und die Sintflut
Diese Erwähnung Noahs und der biblischen Sintflut ist dem armenischen Volksglauben geschuldet. Der sieht im Berg Ararat, der hinter der heutigen Grenze Armeniens auf türkischem Staatsgebiet liegt, den Landeplatz der Arche Noah. Franziskus will am Sonntag in einem Kloster, das in Sichtweite des Ararat liegt, Friedenstauben aufsteigen lassen. Damit richtet er den Blick auf einen aktuellen Konflikt: Armenien und das benachbarte Aserbaidschan streiten um die Region Bergkarabach. Nach Jahrzehnten des Waffenstillstands flammte der Konflikt im April wieder kurz auf und hätte beinahe die Reisepläne des Papstes durchkreuzt. Nach Gesprächen hatten sich die Konfliktparteien aber wieder auf einen Waffenstillstand einigen können.