Flucht aus dem Gefängnis Mit Löffeln und im Müll in die Freiheit
Die mutmaßlichen Augsburger Polizistenmörder haben offenbar versucht, aus dem Gefängnis zu fliehen. Es wäre nicht der erste Fall. In Bayern gab es bereits erfolgreiche Ausbrüchen. BR.de zeigt die spektakulärsten ...
Hollywood könnte die Geschichte nicht besser schreiben: 2009 gelang einem griechischen Straftäter die Flucht aus dem Gefängnis Korydallos in Griechenland. Er wurde bei seinem Freigang im Gefängnishof von Unbekannten mit einem Hubschrauber via Strickleiter nach Oben in die Freiheit geflogen.
Nicht ganz so spektakulär läuft es in Bayern ab. Dennoch bewegt gerade der aktuelle Fall der Augsburger Polizistenmörder die Gemüter. Am 21. Februar soll der Prozess gegen das Brüderpaar beginnen. Nun kam heraus: Die Angeklagten wollten offenbar kurz davor noch schnell türmen. Wie die Augsburger Allgemeine berichtet, haben die Strafvollzugsbeamten Rasierklingen in ihren Gefängniszellen gefunden. Einer der Brüder habe aus einem Einmalrasierer ein Messer gebastelt. Ein Mithäftling sagte außerdem aus, dass einer der Angeklagten den Plan hatte, nach dem Ausbruch einen Augsburger Richter zu entführen. Die Flucht der mutmaßlichen Augsburger Polizistenmörder konnte verhindert werden.
Spektakuläre Gefängnisausbrüche in Bayern
2.11.2011 - JVA Kronach: Ganz schnell über alle Berge
Erst sehr spät bemerkten die Strafvollzugsbeamten der JVA Kronach, dass zwei Insassen fehlten. Gegen elf Uhr gab's Mittagessen. Doch zwei Teller blieben leer. "Da waren die beiden nach Informationen der Polizei bereits in Coburg", sagte damals Hans Lange, der Chef der Anstalten Bamberg und Kronach. Übrigens mit zwei Fahrrädern, die sie in Kronach gestohlen hatten. Der Anstaltsleiter räumte ein, es habe "gewisse Versäumnisse" gegeben. Denn das Fehlen der beiden 39 und 41 Jahre alten Männer hätte bereits beim Wecken gegen sieben Uhr festgestellt werden müssen.
Die Männer hatten ihre Betten so drapiert, dass man hätte meinen könne, sie schliefen noch. Später erfuhr die Öffentlichkeit lediglich, dass es in der JVA Kronach eine "bauliche Schwachstelle" gab. Sie seien "aus ihrer abgeschlossenen Haftzelle auf den Dachboden der JVA gelangt und haben sich von dort abgeseilt", erläuterte der Anstaltsleiter. Um die Anstalt gibt es nicht an allen Seiten einen Zaun. So war es für die Häftlinge, die wegen Diebstahls einsaßen, ganz einfach, über das Dach direkt ins Freie zu kommen. Nähere Angaben wollte JVA-Chef Lange nicht machen, "um anderen Gefangenen über die Medien keine Ausbruchsanleitung zu geben".
Eine Großfahndung mit Hubschraubern und Hunden kam den Flüchtigen schließlich auf die Spur. Sie hatten sich in einer Wohnung versteckt und wurden dort durch Kräfte des Spezialeinsatzkommandos festgenommen.
Auch wenn dieser Fluchtversuch misslang, hat er zwei weitere Kronacher Mitinsassen auf die Idee gebracht, ebenfalls das Weite zu suchen. Nur ein paar Monate später gaben sich zwei Zellenkollegen die größte Mühe, mit Hilfe von Messer und Löffel ihr Gitterfenster freizugraben. Den Vollzugsbeamten kamen jedoch die lauten Geräusche, die sie dabei machten, wunderlich vor. Sie konnten die Häftlinge auf frischer Tat ertappen.
29.3.2010 - JVA Traunstein: Kletteraktion und Sprung in die Tiefe
Es war ein akrobatischer Ausbruch: Ein Häftling des Traunsteiner Gefängnisses hat zunächst das Eisengitter seiner Zelle im dritten Stock durchsägt. Dann konnte er mit Hilfe eines Seils die Gefängniswand hinunterklettern.
Der 28 Jahre alte Mann, der wegen Einbrüchen zu drei Jahren Gefängnis verurteilt worden war, kam schließlich über den Frauentrakt der JVA auf die Gefängnismauer und sprang von dort aus mehrere Meter tief in die Freiheit. Lange nicht klar war, wie der Mann an die Sägeblätter gekommen war. Bei den späteren Ermittlungen ging man davon aus, dass Schwester oder Bruder des Gefangenen das Werkzeug einschleusten. Sie waren seine letzten Besucher im Gefängnis.
Die aufmerksamen Vollzugsbeamten entdeckten das aufgebrochene Gitterfenster des Häftlings sofort und lösten in der JVA Großalarm aus. Beim Durchzählen der Gefangenen stellten sie fest, dass der 28 Jahre alte Mann fehlte. Die Großfandung mit zahlreichen Streifenwagen, Hunden und Hubschrauber blieb - trotz des schnellen Handelns - erfolglos. Der Mann wurde nie gefasst.
17.8.2009 - JVA Nürnberg: Viel Holz und ein kleiner Schraubenzieher
Die einfache Holzdecke einer Zellentoilette machte zwei Gefangenen in der JVA Nürnberg die Flucht leicht. Die beiden 30 und 37 Jahre alten Männer - der eine wegen Vergewaltigung, der andere wegen Einbruch in Untersuchungshaft - beschafften sich vermutlich über die Gefängnis-Werkstatt einen Schraubenzieher. Mit diesem machten sie über Wochen an der Toilettendecke zu schaffen, bis der Durchbruch gelang. Vom Dachboden aus kamen die Insassen dann auf das Gefängnisdach und schließlich auf die Anstaltsmauer. Auch die Stacheldrahtrolle konnten die Häftlinge überwinden.
"Für so eine Flucht ist schon Mut notwendig", betonte damals ein JVA-Sprecher. Die Häftlinge hatten für den finalen Sprung in die Freiheit mehrere Bettlacken zusammengeknotet und sich auf einen Parkplatz abgeseilt. "Das sind immerhin 15 Meter Höhe. Wenn da was abreißt, stürzt man zu Tode", so der JVA-Sprecher.
Einer der beiden Ausbrecher war bereits kurz nach der Flucht wieder von der Polizei festgenommen worden. Sein Kompagnon, der 30 Jahre alte Häftling, entkam.
Der Ausbruch war nicht der erste in der JVA Nürnberg. Die Anstaltsleitung kündigte schon bald nach dem Vorfall Konsequenzen an. Bewegungsmelder und Umbaumaßnahmen sollen den aus dem Jahre 1901 stammenden Gefängnisbau ausbruchssicherer machen.
28.6.2006 - JVA Neuburg an der Donau: Im Müllcontainer in die Freiheit
In Neuburg an der Donau gelang es einem Häftling, in einem Müllwagen aus dem Gefängnis zu entkommen. Der wegen Drogendelikten inhaftierte Mann arbeitete in einem betrieb der JVA, in dem Müllcontainer in einen Lkw entleert wurden.
Irgendwie muss es dem Häftling geglückt sein, sich in den Lkw einzuschmuggeln. Dort versteckte er sich unter dem Abfall und wartete unbemerkt auf die Abfahrt ins Freie.
Später gab es Kritik, weil das Wachpersonal die Flucht offenbar zu spät bemerkt hatte. Die Vollzugsbeamten hätten die Dienstregeln missachtet und die Vollzähligkeit der Häftlinge nicht kontrolliert. Das muss laut Vorschrift immer nach der Müllentsorgung passieren.
"Selbstbefreiung" ist natürlicher Freiheitstrieb
Wäre den Augsburger Häftlingen die Flucht gelungen, hätten sie unter Umständen nicht einmal mit einer Bestrafung rechnen müssen. Denn die Flucht aus dem Gefängnis ist grundsätzlich straffrei. Das hat der Gesetzgeber bereits 1880 so festgelegt - mit dem Vermerk: "Selbstbefreiung" entspreche dem natürlichen Freiheitstrieb des Menschen und müsse straffrei bleiben. Bayern verabschiedete als einziges Bundesland 1946 ein Gesetz, welches Gefängnisausbruch unter Strafe stellte. Dieses kippte aber schon bald wieder, da es dem Grundrecht der Gleichheit aller Bundesbürger widersprach.
Die meisten Ausbrecher werden bei ihrer Flucht trotzdem straffällig. Durchgesägte Gitterstäbe erfüllen beispielsweise den Straftatbestand der Sachbeschädigung. Flüchtet der Häftling in seinen Gefängnisklamotten, so ist das Diebstahl. Schlägt er dabei noch einen Strafvollzugsbeamten K.O., wird das als Körperverletzung geahndet.
Mithilfe und Gefangenenmeuterei
Außerdem ist die Hilfe zur Flucht strafbar (Paragraf 120 Strafgesetzbuch). Wer einen "Gefangenen befreit, ihn zum Entweichen verleitet, dabei fördert oder es bloß versucht", muss mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit einer Geldstrafe rechnen. Ein gewaltsamer Ausbruch in Absprache mit mehreren Mitinsassen gilt übrigens als Gefangenenmeuterei und wird nach Paragraf 121 Strafgesetzbuch mit einer Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu mehreren Jahren bestraft.
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br.de/nachrichten, Montag, 18.Februar 2013, 07:24 Uhr
2. Re: Ausbrüche in Bayern
@Franko: Vielen Dank für Ihre Anmerkung. Tatsächlich sind wir bei unserer Recherche auf einige Ausbrüche - spektakuläre und weniger aufsehenerregende - gestoßen, die wir zum Teil hier abbilden. Die Angabe "zahlreich" haben wir nochmal relativiert.
Franko, Freitag, 15.Februar 2013, 19:32 Uhr
1. Ausbrüche in Bayern
Was heißt da eigentlich "zahlreich" - es sind ja wohl gerade 4 in 7 Jahren