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Niedrige Inflation Gut oder schlecht?

Auf den ersten Blick hört sich das toll an: Die Preise steigen nicht mehr. Die Inflationsrate in der Eurozone liegt bei null Prozent. Rigobert Kaiser über die Vor- und Nachteile der niedrigen Inflation.

Von: Rigobert Kaiser

Stand: 12.07.2016

Europäische Zentralbank (EZB) in Frankfurt | Bild: picture-alliance/dpa

Der größte Nachteil ist unübersehbar: Die deutschen Sparer bekommen keine Zinsen mehr, wenn sie ihr Geld zu den Banken bringen. Die extreme Niedrigzinspolitik der EZB ist deswegen in Deutschland besonders umstritten, aber EZB-Präsident Mario Draghi hält unbeirrt an ihr fest:

"Wir haben den Auftrag für stabile Preise zu sorgen. In der gesamten Eurozone, nicht nur in Deutschland. Damit folgen wir europäischem Recht und nicht der Politik, denn wir sind unabhängig."

Mario Draghi

Was sind stabile Preise?

Unter stabilen Preisen versteht die EZB eine jährliche Teuerung von 2 Prozent. Warum ausgerechnet 2 Prozent, erläutert Bundesbankpräsident Jens Weidmann, der sich EZB-Rat schon öfter mit Mario Draghi heftig gestritten hat:

"Ein wesentlicher Grund ist, dass eine Notenbank einen Sicherheitsabstand zur Null-Linie wahren möchte, damit sie geldpolitisch reagieren kann, wenn die Wirtschaft schwächelt und die Preisperspektiven gedämpft sind."

Jens Weidmann

Deutsche Konjunktur läuft gut

Vor allem in den südlichen Ländern aber will die Wirtschaft nicht anspringen. Die deutsche Konjunktur läuft dagegen gut. Die Lohnerhöhungen fallen wie im Öffentlichen Dienst üppig aus. Knapp 5 Prozent über 2 Jahre bei null Prozent Inflation – da haben die Beschäftigten was davon, freut sich Verdi-Chef Frank Bsirske: "Wir haben uns vorgenommen, eine deutliche Reallohnverbesserung in dieser Lohnrunde durchzusetzen. Gemessen an der außerordentlich niedrigen Inflationsrate ist das mit diesem Abschluss gewährleistet."

Ein anderer wesentlicher Grund für die niedrige Inflation sind die niedrigen Energiepreise. Kostete das Barrel Öl vor 2 Jahren über 100 Dollar, rutschte es in diesem Jahr auf unter 30 Dollar. Derzeit wird es für 45 Dollar gehandelt. Autofahrer merken das beim Tanken, Häuslebauer, wenn der Heizölhändler kommt: "Der Kunde tankt voll, er tankt voll, auch wenn er nicht volltanken müsste. Ich habe schon Kunden gehabt, die 1000 oder 1500 Liter getankt haben, weil es so günstig ist."

Es ist clever, diese einzigartige Chance zu nutzen. Denn bei den Energiepreisen deutet sich bereits eine Wende an, prognostiziert der Chefvolkswirt der BayernLB, Jürgen Michels:

"Es gibt mit der jetzigen Ölpreisbewegung durchaus eine Chance, dass wir im kommenden Jahr im Euroraum 1,7 oder 1,8 sehen können. Mittelfristig, glaube ich, wird es für die EZB schwer sein, dieses Ziel 2 Prozent zu erreichen."

Jürgen Michels

Die Inflationsrate ist nur eine Durchschnittsberechnung.  Einzelne Preise können also kräftig anziehen. Inflation oder das Gefühl von Inflation hat viel mit den Lebensumständen des Einzelnen zu tun, betont Michels. Also, wenn Bäcker die Preise erhöhen, oder die Mieten steigen. "Diese täglichen Güter nehme ich viel stärker wahr, auch deren Preissteigerungen, als das bei all den anderen Komponenten der Fall ist, die ich halt nicht so oft kaufe," sagt Michels.

Ein Beispiel sind Computer, die in den vergangenen Jahren immer billiger wurden. Eines droht der Eurozone derzeit nicht: Eine Hyperinflation, wie sie jahrelang von Experten vorhergesagt wurde. Eine Deflation, ein Verfall der Preise auf breiter Front ist aber ein genauso großes Übel, denn dann drohen Umsatzeinbrüche, Lohnkürzungen und Massenentlassungen.


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