Junckers ganz persönliche Welt Der Kommissionspräsident und der Stöckelschuh
Europäische Kuriositäten gibt es reichlich - wer sollte dies besser wissen als der EU-Kommissionschef persönlich? Es gibt aber auch Regelungen, oder zumindest Versuche dazu, die selbst einen Jean-Claude Juncker als erfahrenen Staatsmann "erregen" - Stöckelschuhe zum Beispiel.
Jean-Claude Juncker ist in flachen Halbschuhen unterwegs. Das sollten auch die Friseurinnen in Europa dürfen. Oder eben in Stöckelschuhen laufen. Das stand ernsthaft zur Debatte. Deshalb hat der Präsident der EU-Kommission eine Richtlinie zum Verbot von Stöckelschuhen im Rahmen eines großen Paketes von Vorschriften gestoppt. Die Folge war Ärger mit dem Friseurhandwerk und mit den Gewerkschaften. Aber wenigstens schreibt die EU jetzt nicht vor, welche Schuhe in Friseursalons zu tragen sind, wie laut ein Fön sein darf und wie der Bodenbelag beschaffen sein muss.
Solche Geschichten aus seinem Alltag in Brüssel bringt der EU-Kommissionspräsident gerne zu Gehör. Weil sie seine Erfolge unterstreichen und den Menschen in Europa die EU mit all ihren Fallstricken erklären. So auch heute in Berlin, bei der Verleihung des Elite-Mittelstandspreises an den Europapolitiker Manfred Weber. Jean-Claude Juncker hielt die Laudatio.
Europa, da ist sich Juncker mit Weber einig, soll die wichtigen und die großen Dinge regeln. Aber das ist nur ein Aspekt. Juncker ist viel unterwegs, um für Europa zu werben. Gestern bei der Konrad-Adenauer-Stiftung, heute in der Repräsentanz von BMW am Kurfürstendamm. Bei seinem Auftritt verbindet Jean-Claude Juncker europäische Zukunftsvision mit dem Augenzwinkern eines erfahrenen europäisch geprägten Fuhrmanns. Besonders ärgert ihn - abgesehen von den Stöckelschuhen - das mit der Verteilung von Flüchtlingen. Und da erzählt Juncker diese Geschichte:
50 Flüchtlinge, so hatte es die Regierung in Luxemburg beschlossen, wolle das kleine Land aufnehmen. Aber als diese Plätze im griechischen Flüchtlingslager angeboten wurden, hob zunächst kein Flüchtling die Hand. Später, als vielen klar wurde, dass Luxemburg ganz nah bei Deutschland liegt, füllte sich das bereitgestellte Flugzeug. Erst nach Luxemburg und dann ganz schnell weiter nach Deutschland. Genau so etwas wolle er nicht, sagt Juncker, denn eine solidarische Verteilung von Flüchtlingen in Europa erfordere auch, dass die Menschen sich nicht aussuchen können, wohin sie wollen - Beifall von den zahlreich erschienenen Vertretern der deutschen und europäischen Wirtschaft und den nationalen und internationalen Politikerinnen und Politikern. Und auch Manfred Weber klatscht.
Alternativloses Amerika
Ebenso, als es dann aktuell um den Wahlsieg von Donald Trump geht. Juncker widerholt sich: Wir wollen mit Amerika zusammenarbeiten, wir werden und wir müssen. Nüchterner geht es nicht. Und geschickt verpackt wird Juncker dann noch deutlicher: Manfred Weber als Preisträger des Mittelstandspreises sei die einzig glückliche Wahl in dieser Woche gewesen. Da wird deutlich, dass Donald Trump als unkalkulierbares Risiko gesehen wird. Gleichwohl sehen die Europapolitiker aber keine Alternative zur transatlantische Brücke.
Von Demokraten und Diktatoren
Juncker formuliert knapp, präzise und treffend. An diesem Vormittag auch noch zum Zusammenspiel von EU-Kommission und Nationalstaaten, zur Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) und zur Notwendigkeit von globalen Handelsabkommen. Wir haben doch auch Abkommen mit fast allen Diktaturen in der Welt, ätzt Juncker. Und es sei schon erstaunlich, dass beim Abkommen mit Kanada gemault und gemeckert würde und sich bei dem mit der "Vorzeigediktatur" Vietnam, das gerade verhandelt werde, niemand zu Wort melde.
Griechenland, Investitionen, Stabilitätspakt - Juncker streift noch viele europäische Themen, sagt aber kein Wort zu den Medien. Das überlässt er seinem Freund Manfred Weber. Das Sterben von Verlagen, sagt dieser, mache ihm Sorge und auch dass der Konkurrenz- und Quotenkampf den objektiven Journalismus torpediert. Denn die Demokratie in Europa brauche einen unabhängigen pluralistischen Journalismus.
Das Gegenteil zur CSU
An dieser Stelle flüstert mir mein Sitznachbar ins Ohr, das sei doch das krasse Gegenteil zur Linie der CSU. Da kann ich ihm nicht wiedersprechen. Denn es gibt nun einmal diesen Beschluss vom CSU-Parteitag zur Zusammenlegung von ARD und ZDF. Das mag zwar Geld sparen, aber einen pluralistischen Journalismus fördert es nicht.