Manfred Weber Der stille Stratege
Der stellvertretende CSU-Vorsitzende Manfred Weber bleibt für weitere zweieinhalb Jahre an der Spitze der größten Fraktion im EU-Parlament. Die Mitglieder der EVP bestätigten den 44-jährigen Niederbayern heute mit rund 98 Prozent der Stimmen im Amt. Weber ist seit 2004 EU-Abgeordneter, seit 2014 Fraktionschef und gilt als einer der einflussreichsten deutschen Politiker in Brüssel.
Einen "Niederbayern von Welt" hat man ihn genannt. Und auch als "Anti-Söder" wurde er schon tituliert. Beides trifft ziemlich gut den Punkt. Kaum ein Deutscher – von EU-Parlamentspräsident Schulz einmal abgesehen – ist im täglichen Brüsseler Politbetrieb derart präsent, international vernetzt und zugleich so bodenständig wie der 44-jährige Fraktionschef der europäischen Konservativen. Und kaum einer verfügt über so viel Einfluss. Weshalb Weber auch bei weltbewegenden Themen, wie gerade der US-Wahl, zu den gefragten Gesprächspartnern zählt.
Im wohltuenden Kontrast dazu macht der CSU-Vize aus Niederhatz-kofen, im Landkreis Landshut, betont wenig Wind um seine Person. Dabei steht er praktisch täglich mit Kanzlerin Merkel und Minister-präsident Seehofer in Kontakt. Wobei er ersterer politisch deutlich näher steht. Auch für Jean-Claude Juncker, den erfahrenen Chef der EU-Kommission, den er 2014 mit ins Amt wählte, ist er ein wichtiger Verbündeter:
Ein Vorturner ist Weber, bei aller intellektuellen Beweglichkeit, nicht. Die ihn kennen, beschreiben ihn als stillen Strippenzieher und Strategen. Als Führer der stärksten Fraktion, der christdemokratischen EVP, hält der gelernte Ingenieur seit zweieinhalb Jahren erfolgreich die Fäden in der Hand. Diskret im Hintergrund, ohne viel Aufsehen, organisiert er gemeinsam mit Schulz und seinem sozialdemokratischen Pendant Pittella die Mehrheiten, die die Kommission für ihre Gesetzesvorhaben braucht. Etwa für den 300-Milliarden-Euro-Fonds "Invest in Europe", der die schwächelnde Konjunktur wiederbeleben soll. Oder für die umstrittene Fluggastdatenspeicherung. Gibt es Widerstand, wie im Fall der Flüchtlingsquote, wird der durchaus begabte Redner Weber auch mal kämpferisch:
"Liebe Kolleginnen und Kollegen, was hier versagt, ist nicht Europa! Es versagt nicht Brüssel, es versagt nicht Straßburg, sondern es versagt der nationale Egoismus auf diesem Kontinent."
Manfred Weber
Fürs Bierzelt ungeeignet
Poltern und auf den Putz hauen, nach Art des Politischen Aschermittwochs in seiner niederbayerischen Heimat, liegt ihm weniger. Obwohl er daheim in Bayern schon eine beachtliche Parteikarriere hingelegt hat. Weber selbst bekennt, er pflege eher einen "nachdenklichen Stil" und suche lieber den Ausgleich als Konfrontation und schnellen Applaus. Fürs Bierzelt ungeeignet ist er auch insofern, als er das sonst bei den Christsozialen so beliebte Brüssel-Bashing konsequent vermeidet. Bei Podiumsdiskussionen und in Talkshows wirbt er vielmehr unverdrossen für die europäische Idee, ohne dabei die Webfehler und Defizite der EU unter den Teppich zu kehren.
"Wenn man das übersetzt auf Europa, dann habe auch ich Sorge, dass die Menschen sagen, die Blockade, die wir im europäischen Rat erleben, wo die Staaten sich nicht einig werden, dass das zu viel Ärger führt. Und deshalb ist die Lektion, die wir daraus lernen müssen, endlich die Blockade im Europäischen Rat zu überwinden - Europa muss mehr Einheit schaffen."
Manfred Weber
Sinnsuche - für die europäische Idee
Eine weitere Lektion, die der Pragmatiker aus Populismus-Welle und Brexit-Krise zieht: Soll das Vereinte Europa noch eine Chance haben, muss es Ergebnisse liefern. Ergebnisse, die den Menschen, den jungen zumal, das Vertrauen in Sinn und Nutzen dieses historisch einmaligen Projekts zurückgeben.
"Europa hat zwei große Fragen zu klären: das ist Wachstum und das ist Beantwortung der Flüchtlingskrise. Und in beiden Punkten brauchen wir jetzt mutige, europäische Vorschläge, die die Staaten zusammenführen und nicht weiter trennen."
Manfred Weber
Alle Türen stehen ihm offen
Weitere zweieinhalb Jahre hat Manfred Weber nun Zeit, an der Spitze der EVP-Fraktion für dieses Ziel zu kämpfen. Danach dürften ihm alle Türen offenstehen. Sogar als möglicher Ministerpräsident wurde der CSU-Mann schon gehandelt, der nach den Worten seines prominenten Parteifreunds Juncker bewiesen hat, dass er auf vielen Hochzeiten tanzen kann.
"Er tanzt so gut, weil er bodenständig ist und über Bodenhaftung verfügt wie nur wenige in der Europäischen Union."
Jean-Claude Juncker
Gut möglich, dass der überzeugte Europäer aber lieber in Brüssel bleibt, wo er unter Umständen mehr bewegen kann als in der deutschen Politik. Vielleicht als Mitglied der EU-Kommission oder als Parlamentspräsident. Schließlich ist der aktuelle Amtsinhaber gerade selbst auf dem Sprung.