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Parlamentswahl Gemäßigte Islamisten siegen in Marokko

Bei der Parlamentswahl in Marokko sind die gemäßigten Islamisten der Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung erneut stärkste Fraktion geworden. Das geht aus den vorläufigen Wahlergebnissen eindeutig hervor. Allerdings werden sie auch diesmal, wie bereits 2011, mehrere Koalitionspartner brauchen, um eine Regierung zu bilden. Regierungschef Abdelilah Benkirane steht jetzt vor der Aufgabe, eine solche Koalition zusammenzubringen. Das wird nicht einfach.

Von: Jens Borchers

Stand: 08.10.2016

Wahl in Marokko | Bild: dpa-Bildfunk

Es war schon tiefe Nacht, als Abdelilah Benkirane vor der Parteizentrale einen kurzen Auftritt absolvierte. Das Ergebnis für seine Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung, die PJD, sei exzellent, sagte Benkirane, die Wahl ein „Tag der Freude für die Marokkaner“.

Für den Wahlsieger Benkirane selbst dürfte die Freude dennoch begrenzt sein. Mit 125 Mandaten wurde seine PJD zwar zum zweiten Mal nach 2011 stärkste Fraktion im Parlament,  Das ist sogar ein besseres Ergebnis als vor 5 Jahren. Aber die schärfste politische Konkurrenz von der Partei für Authentizität und Modernität, die PAM, errang 102 Sitze. Damit bildet sie einen großen oppositionellen Block. Denn ihr Parteisprecher machte unmittelbar nach Bekanntwerden des vorläufigen Wahlergebnisses klar, dass es keine Kooperatio mit der PJD geben werde.

Schwierige Aufgabe für Wahlsieger

Die PAM wolle sich auf gar keinen Fall an einer Regierung unter Ministerpräsident Benkirane beteiligen. Damit steht der Wahlsieger vor einer schwierigen Aufgabe: Wie schon in der vergangenen Legislaturperiode wird er eine Mehrparteien-Koalition bilden müssen. Welche Partner dafür in Frage kommen, ist momentan noch völlig offen. Benkirane  stehen komplizierte Verhandlungen bevor.

Parlamentswahlen in Marokko | Bild: ARD zum Artikel Marokkos Frauen und Minderheiten Die Furcht vor Stillstand und Rückschritt

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Klar ist auch: Die Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung hat zwar gewonnen. Aber sie hatte in der vergangenen Legislaturperiode kein wirklich klares Profil entwickeln können. Ihr vollmundiges Versprechen, der grassierenden Korruption im Königreich zu Leibe zu rücken zu wollen – das wurde in langwierigen und gewundenen Verhandlungsprozessen im Parlament zerrieben. Die Ankündigung, neue Arbeitsplätze zu schaffen, wurde zwar teilweise erfüllt. Aber die neuen Jobs reichen bei weitem nicht aus, um die Arbeitslosigkeitquote unten den vielen jungen Marokkanern zu drücken. Hinzu kommen die altbekannten Probleme im Bildungs- und im Gesundheitsbereich.

Große Erwartunge an Regierung

Die Erwartungen, dass eine neue Regierung diese Probleme wirklich angeht, ist groß. Eine 22-jährige Wählerin brachte das beispielhaft klar zum Ausdruck, als sie gestern ihre Stimme abgab: „Ich möchte, dass sie das Bildungssystem verändern“, sagt die junge Frau, „und sich um die Armen kümmern und um die Mittelklasse.“

Die Parlamentswahl jetzt hat aber erneut eines gezeigt: Das Vertrauen der Wahlberechtigten in die politischen Parteien ist nicht groß. Die Wahlbeteiligung lag nach vorläufigen Angaben des marokkanischen Innenministeriums bei gerade mal 43 Prozent derjenigen, die sich für das Votum eingeschrieben hatten. Das bedeutet: Deutlich mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten machte sich nicht die Mühe, ihre Stimme abzugeben. Das dürfte vor allem daran liegen, dass König Mohammed VI. laut Verfassung nach wie vor der alles entscheidende Machtfaktor in dem nordafrikanischen Land ist. Große Projekte, wie die strategische Wende hin zu erneuerbaren Energien, der Hochgeschwindigkeitszug TGV oder wichtige Industrieansiedlungen werden vom Monarchen selbst vorangetrieben.

Reformprojekte dringend nötig

Ministerpräsident Benkirane und seiner Regierung bleiben da nur die eher undankbaren und schwierigen Reformprojekte in den Bereichen Gesundheit, Bildung und Staatsfinanzen. Vorausgesetzt es gelingt ihm nun zum zweiten Mal nach 2011, eine Koalitionsregierung zusammenzubringen. Gesellschaftliche Minderheiten dürfen nach dem neuerlichen Wahlsieg der religiös orientierten PJD nicht auf positive Veränderungen hoffen. Und auch Marokkos Frauen-Organisationen müssen damit rechnen, dass es unter einer PJD-geführten Regierung auch weiterhin keine großen Anstrengungen in Richtung Gleichberechtigung  geben wird.


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