6

Rokoko in Franken Die Sehnsucht nach der alten Zeit

Das Rokoko erlebt eine Renaissance in Franken. Kaum ein Schlossfest ohne Rokoko-Gewänder. Perückenmacher und Schuster, die sich auf das Zeitalter spezialisiert haben, sind wieder gefragt. Woher kommt diese Sehnsucht nach der alten Zeit?

Von: Thomas Senne

Stand: 23.06.2016 | Archiv

Sendung zum Nachhören: Die Sehnsucht nach der alten Zeit

In Bayreuth lebte im 18. Jahrhundert die Markgräfin Wilhelmine. Sie schuf an der Schnittstelle von Barock und Rokoko einen Musenhof, zu dem sogar der berühmte Philosoph Voltaire pilgerte. Und obwohl die Markgräfin schon lange tot ist, wird sie immer wieder an verschiedenen Orten Bayreuths gesichtet: mit gepudertem Näschen, Reifrock und Sonnenschirm.

Alte Zeiten sind en vogue

In letzter Zeit hat sie aber von Richard Wagner und Nachtwächtern starke Konkurrenz bekommen. Denn alte Zeiten, sagt Frank Niklas von der Bayreuth Marketing und Tourismus GmbH, sind derzeit en vogue. Immer wieder geistern Wilhelmine-Darstellerinnen in historischen Kostümen durch das heutige Bayreuth.

Rokoko-Festspiele mit historischen Tänze für Jedermann

Einer, der sich ebenfalls der Vergangenheit verpflichtet fühlt, ist Peter Hoffmann. Der historische Tanzmeister wohnt in Fürth. In den geräumigen, eigenen vier Wänden unterrichtet er gelegentlich Schüler. Er besitzt nicht nur ein umfangreiches historisches Tanzarchiv, sondern ist oft auch selber als aktiver Tänzer auf historischen Bällen und Tanzböden mit dabei. Zum Beispiel bei den Ansbacher Rokoko-Festspielen, die Jahr für Jahr Tausende von Besuchern in ihren Bann ziehen. Dort bietet der Fürther Tanzmeister unter der Überschrift "Fürstliche Gartenlust" historische Tänze zum Mitmachen für Jedermann an.

Zu den Höhepunkten bei den Rokoko-Festspielen zählen Musik- und Tanzdarbietungen aus dem 18. Jahrhundert. Aber auch die markgräfliche Reiterei, Hofdamen in feinen Roben, stattliche Kavaliere setzen pittoreske Akzente. Alles zum Pläsier der Hochfürstlichen Durchlaucht, des Allergnädigsten Fürsten und Herren Carl Wilhelm Friedrich, Markgraf zu Brandenburg und Herzog in Preußen.

Der alten Zeit verschrieben

Doch nicht nur bei den jährlichen Festspielen in Ansbach sind sie zu sehen: Kaum ein Schlossfest vergeht ohne die Damen und die Herren, die sich der Zeit des Rokoko verschrieben haben. Perückenmacher sind wieder gefragt, die sich auf das Rokoko spezialisieren und Schuster, die wieder Schnallenschuhe herstellen. Die Sehnsucht nach der alten Zeit ist vielerorts sichtbar. Das Benehmen, das Auftreten, die höfische Sprache der Zeit werden gelehrt und gepflegt – französisch bevorzugt. Musikschulen bieten Kurse für die alten Instrumente und die alte Musik an und Feuerwerker widmen sich der Kunst des barocken Feuerwerks.

Woher kommt diese Sehnsucht?

Was aber treibt die Verkleideten an, zahllose Wochenenden im Jahr auf Barockfesten in ganz Deutschland zu verbringen, für Kleid oder Frack ein Vermögen auf den Tisch zu legen, mit Gleichgesinnten die Feste nicht nur zu besuchen sondern sie auf die Beine zu stellen, eine Adelsgesellschaft nachzuleben, in der die allermeisten der Akteure ausgeschlossen wären? Steckt mehr dahinter als die Freude an Schauspiel und Verkleidung, die Extravaganz sich adlig zu geben, mit ständischer Höflichkeit der modernen Höflichkeitsferne entgegenzutreten? Für die "Zeit für Bayern" hat sich Thomas Senne auf Zeitreise begeben.


6