56. Verhandlungstag "Freundlich und hilfsbereit"
Im NSU-Prozess vor dem Münchner Oberlandesgericht haben am 56. Verhandlungstag mehrere Zeugen aus dem Umfeld der Polenzstraße in Zwickau ausgesagt. Dort lebte das mutmaßliche Terror-Trio von 2001 bis 2008.
Vor dem Münchner Oberlandesgericht haben im NSU-Prozess ehemalige Nachbarn von Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe ausgesagt.
Als sehr nett, freundlich und hilfsbereit beschrieb eine 43-jährige Zwickauerin die Hauptangeklagte Beate Zschäpe. Sie lebte über der Wohnung von Zschäpe in der Zwickauer Polenzstraße. Böhnhardt und Mundlos seien immer dort gewesen seien, blieben aber gegenüber der Nachbarin wortkarg: "Mit denen konnte man nicht groß reden." Zudem seien die drei immer viel weg gewesen und ein- bis zweimal im Jahr mit einem Wohnmobil fortgefahren.
Außerdem berichtete die Zeugin, die beiden Männer hätten immer Schießspiele am Computer gemacht. Ein Zimmer der Wohnung wurde dafür sogar mit Dämmwolle schallisoliert. In der Zwickauer Polenzstraße lebte das mutmaßliche Terror-Trio - Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt - von 2001 bis 2008, bis zum Umzug in die letzte gemeinsame Wohnung in der Frühlingstraße.
Keine Aussagen zur Tatwaffe
Am Mittwoch war der NSU-Prozess ausgebremst worden. Eigentlich wollte sich das Münchner Oberlandesgericht mit der Frage nach der Tatwaffe beschäftigen, der Pistole vom Typ Ceska 83, mit der neun Menschen erschossen wurden. Zwei wichtige Zeugen aber sagten nicht aus. Der 40-Jährige, der früher in einem rechten Szeneladen gearbeitet hatte und die Pistole vom Typ Ceska 83 an den Angeklagten Carsten S. verkauft haben soll, konnte nach Ansicht des Gerichtes von einem "umfassenden Auskunftsverweigerungsrecht" Gebrauch machen - weil er sich sonst womöglich selbst belastet.
Zeuge will sich nicht "reinreiten"
Es bestehe ein Anfangsverdacht wegen Beihilfe zum Mord und somit die Möglichkeit einer strafrechtlichen Verfolgung, hieß es. "Da würde ich mich mit meinem Anwalt beraten, bevor ich hier mich selber reinreite", sagte der Zeuge nach seiner Belehrung durch den Vorsitzenden Richter Manfred Götzl. Bis zum kommenden Montag soll er dem Gericht nun einen Rechtsanwalt nennen.
Auch der Besitzer des Szeneladens, der ebenfalls in den Kauf der Tatwaffe verwickelt sein soll, sagte am Mittwoch nicht vor Gericht aus. Er meldete sich kurz vor seinem geplanten Auftritt krank. Ein Anruf des Gerichtes bei seinem Arzt habe ergeben, dass er tatsächlich in Behandlung gewesen sei, sagte Richter Götzl. Der Mann hatte seine Aussage bereits in der vergangenen Woche begonnen, sich aber immer wieder auf Erinnerungslücken berufen. Der Vorwurf der Aussageverweigerung steht im Raum.
Nebenkläger stellen Beweisanträge
Vor allem Nebenkläger nutzen die Zeit, um verschiedene Beweisanträge zu stellen. So forderten mehrere von ihnen, weitere Akten hinzuzuziehen, um der Frage nachzugehen, ob der hessische Verfassungsschutz Einfluss auf die Polizeiarbeit bei der Aufklärung des Kasseler Mordfalls genommen hat. Außerdem wurde gefordert, ein Gutachten, das dem Magazin "Stern" vorliegt, als Beweismittel zuzulassen. Zwei von dem Magazin beauftragte Sprachwissenschaftler gehen "mit hoher Wahrscheinlichkeit" davon aus, dass die Hauptangeklagte Beate Zschäpe Co-Autorin des NSU-Manifestes war, das die Verbrechen der Terrorgruppe ideologisch untermauern sollte.