NSU-Prozess


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NSU-Prozess Existenz der Nebenklägerin nicht ausreichend geprüft?

232 Verhandlungstage lang war Meral Keskin Nebenklägerin im NSU-Prozess, obwohl es sie wohl gar nicht gibt. Hätte das Gericht schon früher an ihrer Existenz zweifeln können? Von Tim Aßmann.

Von: Tim Aßmann

Stand: 07.10.2015 | Archiv

Andrea Titz, OLG München: "Eine Überprüfung der Personalien wird nicht durchgeführt"

Schon unmittelbar nach Verhandlungsbeginn wurde der Fall der wohl erfundenen Nebenklägerin Thema im Prozess. Zschäpe-Verteidiger Wolfgang Heer beantragte dienstliche Erklärungen des Gerichts zu dem Vorfall. Im Kern geht es darum, ob das Gericht die Nebenklageberechtigung der Frau ausreichend prüfte. Das ärztliche Attest, das der Eschweiler Anwalt Ralph Willms im Namen seiner Mandantin Meral Keskin vorlegte und das sie als Opfer des Nagelbombenanschlags in der Kölner Keupstraße ausweist, ist offenbar eine Fälschung. Es handelt sich um das Attest eines anderen Nebenklägers, der es offenbar manipulierte und Rechtsanwalt Willms unterschob.

Hätte das gefälschte Attest auffallen können?

Dem Gericht lagen also inhaltlich deckungsgleiche Atteste für zwei unterschiedliche Nebenkläger vor. Das hätte auffallen können, glaubt Zschäpe-Anwalt Wolfgang Heer. Außerdem wurden zwei völlig unterschiedliche Standorte des angeblichen Opfers zum Zeitpunkt des Anschlags in der Keupstraße angegeben, auch das hätte das Gericht bemerken können, trug die Zschäpe-Verteidigung nun vor. Gerichtssprecherin Andrea Titz betonte allerdings am Rande des Verfahrens die Nebenklageberechtigung von Meral Keskin sei vom Gericht ausreichend geprüft worden.

Erfundene Nebenklägerin auch vom Bund entschädigt

Der betroffene Rechtsanwalt Ralph Willms hat sich mittlerweile aus dem Verfahren zurückgezogen. Er hat eingeräumt, dem Nebenkläger Attila Ö., von dem er das offenbar gefälschte Attest bekam, eine Provision von mehreren tausend Euro für das Mandat gezahlt zu haben. Nach der Darstellung Willms wurde ihm auch eine Frau als das angebliche Anschlagsopfer Meral Keskin vorgestellt. Er behauptet auch hier, vom Nebenkläger Attila Ö. betrogen worden zu sein. Gegen Attila Ö. ermittelt mittlerweile die Staatsanwaltschaft Köln. Meral Keskin ist jedenfalls offenbar nicht existent. In ihrem Namen wurde allerdings auch ein Entschädigungsantrag beim Bundesjustizministerium gestellt. Daraufhin wurden 5.000 Euro aus dem Fonds der Bundesregierung für die NSU-Opfer und deren Angehörige gezahlt. Für die Nebenkläger im NSU-Prozess ist der Fall Meral Keskin ein enormer Imageschaden.

Zschäpe-Verteidigung tief zerstritten

Deutlich wurde im Prozess außerdem einmal mehr das zerrüttete Verhältnis innerhalb der Zschäpe-Verteidigung. Die Hauptangeklagte und ihr neuer Verteidiger Mathias Grasel waren über den Antrag zum Fall Meral Keskin, den die drei anderen Pflichtverteidiger im Namen von Zschäpe stellten, im Vorfeld nicht informiert. Zschäpe-Verteidiger Heer erhob außerdem Vorwürfe gegen seinen Kollegen Grasel. Dieser habe eine Einarbeitungspause, die ihm das Gericht ihm Sommer gewährte, nicht zur internen Beratung mit seinen Kollegen genutzt. Grasel erklärte daraufhin, diese Besprechung sei ihm von den anderen Pflichtverteidigern verwehrt worden. Das Hickhack zeigte überdeutlich: Beate Zschäpe hat zwar vier Anwälte, aber keine optimale Verteidigung.


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