NSU-Prozess


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192. Verhandlungstag, 12.03.2015 Vom Abgleiten in die rechte Szene

Ein ehemaliger Jugendfreund von Uwe Mundlos hat am Vormittag vor dem Münchner Oberlandesgericht ausgesagt. Von Julian von Löwis.

Von: Julian von Löwis

Stand: 12.03.2015 | Archiv

Springerstiefel eines Teilnehmers einer Demonstration der rechten Szene | Bild: picture-alliance/dpa

"Wir waren zehn Jahre lang Schulfreunde, ab der Unterstufe war er mein bester Freund", sagte der heute 41-jährige im Zeugenstand. Der ehemalige Klassenkamerad von Uwe Mundlos erzählt viel von seinem alten Freund: "In der Schule bis zur fünften oder sechsten Klasse war er pazifistisch unterwegs, hatte langes gelocktes Haar, trug selbst gestrickte Pullis und war gegen alles. Gegen die SED, gegen die Armee, gegen die Partei und er hat das auch immer zur Schau gestellt". Sein Freund, der mutmaßliche Rechtsterrorist Uwe Mundlos dem die Bundesanwaltschaft zehn Morde zur Last legt, habe sich aber im Laufe der Jahre verändert. Etwa ab der siebten Klasse habe Mundlos angefangen, viele Geschichten aus dem 3. Reich zu erzählen und diese Zeit zu verherrlichen. Der Vorsitzende Richter fragt, ob typische Neonazi-Symbole wie bestimmte Kleidung oder Musikvorlieben eine Rolle gespielt haben. "In der Schule hat er viel Udo Lindenberg gehört und später wurden daraus die Böhsen Onkelz", so der Zeuge heute Vormittag.

"Paulchen Panther-Sprüche kannte er auswendig"

Das zynische Bekennervideo des NSU ist ein Zusammenschnitt verschiedener Szenen der Zeichentrickserie "Paulchen Panther", die aber immer wieder zum Teil technisch aufwendig bearbeitet wurden. Man sieht ausländerfeindliche Parolen und Videoausschnitte, die die Mordopfer verhöhnen.  Auch der originale Erzählerton ist zu hören. "Den Rosaroten Panther fand er schon immer ganz toll", erzählte der Zeuge heute über Uwe Mundlos, "diese Sprüche hat er damals schon immer drauf gehabt. Die gehörten eigentlich zu seinem Sprachgebrauch."

Ob er sich mal mit Uwe Mundlos oder Beate Zschäpe über das Thema Terrorismus unterhalten habe, fragte Richter Götzl. "Er wusste damals schon verdammt viel über die RAF und über Rasterfahndung, und es ging um das Thema, wie man untertaucht. Da hat er schon viele Details gewusst, er kannte die gesamte Geschichte der RAF, das war für einen DDR-Jugendlichen sehr außergewöhnlich", so der 41-Jährige heute vor Gericht.

"Beate Zschäpe ließ sich nichts gefallen"

Die Hauptangeklagte lernte der Zeuge damals kennen, nachdem sein Schulfreund Uwe Mundlos umgezogen war. Beate Zschäpe gehörte zu einer Clique, der sich Mundlos angeschlossen hatte. Er selbst habe sich in der neuen Gruppe aber nie wirklich etablieren wollen, sagte der Zeuge. Welche Rolle Zschäpe in der Clique gespielt habe, wollte der Richter wissen. "Man merkt ja, ob sich jemand was gefallen lässt und es waren ja nur Jungs in der Gruppe und sie hat sich da ordentlich durchgesetzt und hat sich nichts gefallen lassen", meinte der 41-Jährige. Damit schlägt er in die gleiche Kerbe wie einige andere Zeugen, die bereits im NSU-Prozess ausgesagt und die Angeklagte als selbstbewusst und willensstark beschrieben haben. Dies ist zwar nur ein weiteres Indiz, aber es belastet Zschäpe, denn ihre Rolle innerhalb des mutmaßlichen NSU-Trios um die bereits verstorbenen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt ist die entscheidende Frage im Prozess: War sie Mitläuferin oder Mittäterin?

Dem heutigen Zeugen war Zschäpe damals nach eigenen Aussagen eher suspekt, "sie war halt immer dabei und war die Freundin von irgendjemandem". Sie habe auch zusammen mit anderen aus der Gruppe "Vietnamesen die Zigaretten abgenommen". Anschließend sei darüber in der Clique geprahlt worden. "Aber sie ist mir nicht dadurch aufgefallen, dass sie irgendwelche politischen Meinungen groß vertreten hat", so der Zeuge heute.

Die großen Erinnerungslücken der anderen Zeugen

Der Zeuge erzählte heute frei heraus von seiner gemeinsamen Schulzeit mit Uwe Mundlos und antwortete recht gezielt auf die Fragen der Prozessbeteiligten. Obwohl vieles schon über 20 Jahre her ist, konnte sich der 41-Jährige offenbar gut an einige Situation erinnern. "Dies sei ein gutes Beispiel dafür, wozu die menschliche Erinnerung in der Lage ist", meinte ein Vertreter der Nebenklage. Besonders die Zeugen aus dem rechten Milieu neigen nämlich dazu, sich zum Teil auf eklatante Erinnerungslücken zu berufen. "Das ist meiner Meinung nach gelogen", so der Rechtsanwalt. Die Verteidigung von Beate Zschäpe wollte den Lobgesang auf den Zeugen allerdings nicht stehen lassen. "Es fehle an jedweder Substanz, sagen zu können, die Bekundungen des Zeugen basieren auf realen Erfahrungen", meinte Verteidiger Wolfgang Stahl.


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