NSU-Prozess: Gerichtssaal-Protokoll 17. Verhandlungstag, 02.07.2013
Am 17. Verhandlungstag werden als Zeugen zwei Kriminalbeamte zu den Aussagen Beate Zschäpes im November 2011 angehört.
Die Aussagen tätigte die Hauptangeklagte, nachdem sie sich damals kurz zuvor freiwillig der Polizei gestellt hatte. Beide Zeugen schildern auch ihre persönlichen Eindrücke von Zschäpe.
Zeugen:
- André P. (Polizeibeamter, Zwickau, Gespräche mit Zschäpe)
- Frank L. (Kriminalhauptkommissar, Bundeskriminalamt, Gespräche mit Zschäpe)
ARD-Reporter über das Geschehen im Gerichtssaal
(Oliver Bendixen, BR)
9.43 Uhr.
Es geht los.
(Oliver Bendixen, BR)
9.48.
Keine Nebenkläger da.
(Holger Schmidt, SWR)
10.30 Uhr.
Zeuge André P., 47 Jahre alt, Polizeibeamter, Polizeidirektion Zwickau.
Situation: Vernehmung von Zschäpe.
Zschäpe hat sich am Dienstag, 8. November 2011, in Jena gestellt. Sicherstellung der Kleidung und erkennungsdienstliche Behandlung, in Bereich der Polizeidirektion Zwickau überführt. Habe Beschuldigtenvernehmung gemacht.
Gegen 18.00 Uhr traf Zschäpe ein, gegen 18.15 Uhr haben wir Beschuldigtenvernehmung begonnen. Belehrung, Erklärung, keine Angaben. Nach kurzer Zeit Beschuldigtenvernehmung beendet. Erstaunt, dass Rechtsanwalt Gerald Liebtrau nicht dabei war. War aber so abgesprochen - und Liebtrau wollte am nächsten Morgen beim Ermittlungsrichter dabei sein. Wechsel in mein Dienstzimmer ohne Schreibkraft. Zeit überbrückt, bis Kräfte zur Verbringung ins Gewahrsam da waren. Es entwickelte sich Gespräch, über das ich einen Vermerk geschrieben habe.
Ergänzen möchte ich, dass Frau Zschäpe mit Bekleidung der Polizei bekleidet war. Das war ihr unangenehm, das hat sie ausgedrückt. Sie hat sich nicht wohlgefühlt, das hat sie ausgedrückt, das war sie nicht gewöhnt. Habe ihr schon am Anfang gesagt, dass ich über das Gespräch einen Vermerk machen würde, das hat sie aber nicht gehindert. Keine Fragen zum Brandgeschehen. Lockerer Gesprächsverlauf, Bericht, wie sie aufgewachsen ist, in wenigen Sätzen, wie sich das Leben in Zwickau dargestellt hat. Wenige Sätze, dass die beiden [Uwes] ihre Familie waren. Zuhause aufgewachsen, mehr Kontakt zu ihrer Großmutter, weniger zur Mutter. Dann die beiden Uwes in ihr Leben getreten, dann das Leben mit den beiden Uwes verbracht. Kann mich an eine Sache erinnern, die ich nicht niedergelegt habe: Haben sie gefragt, ob noch eine Straftat in Planung oder zu verhindern ist, hat sie mit "Nein" geantwortet. Haben das Dienstzimmer gewählt, weil man da rauchen konnte, etwas zu Essen wurde auch gereicht. Hat gesagt, dass sie zum ersten Mal seit langer Zeit mit ihrem Namen Beate Zschäpe unterschreibt. Ich denke, dass sie den Namen Braunschweig erwähnt hat, da muss es irgendeinen Zwischenfall gegeben haben. Sie war der Meinung, dass dies der Polizei schon bekannt war, aber das war nicht der Fall. Sagte noch, dass sie die Mütter von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos angerufen hat und ihnen gesagt hat, dass ihre Söhne nicht mehr am Leben sind.
Richter Manfred Götzl: Hat sie gesagt, woher sie die Information über den Tod hatte?
P: Nein. Man hat ihr angesehen, dass sie eine ruhelose Zeit hinter sich hatte.
G: Woran machen Sie das fest?
P: Am Gesichtsausdruck.
G: Das würde mich interessieren!
P: Persönlicher Eindruck, ob Augenringe oder so kann ich nicht mehr sagen.
G: Was bedeutet "einen den letzten ruhelosen Tagen entsprechenden Eindruck?"
P: Habe das so eingeschätzt, dass wenn man tagelang unterwegs ist, es ein ruheloser Zustand ist. Nicht ausgeschlafen und übernächtigt.
G: Wie lange unterwegs?
P: Ich denke, dass sie gesagt hat, die letzten sechs Tage. Deswegen habe ich das so geschrieben. Aber es sind ja nur fünf Tage gewesen. Habe am Tag danach Familie Zschäpe befragt, deswegen schwierig auseinanderzuhalten, wer mir was gesagt hat. Hat gesagt, dass sie ein "Omikind" ist, bei der Omi aufgewachsen ist. Hat aber gesagt, dass sie bedauert, vor dem sich stellen nicht nochmals mit der Oma in Kontakt getreten zu sein.
G: Hat sie was zum Elternhaus der beiden Uwes gesagt?
P: Dass beide Uwes ein behütetes Elternhaus gehabt haben. Und dass es ihr unklar ist, wie und warum beide Uwes sich so entwickelt haben.
G: Stichwort Katzen?
P: Ja. Dass sie Katzen sehr gerne hat und dass sie sich erkundigt hat, was aus den Katzen geworden ist. Konnte ihr sagen, dass es den Katzen gut geht und sie im Tierheim untergebracht worden sind.
G: War in dem Zusammenhang doch irgendwann mal von dem Brand die Rede?
Schon darüber nachgedacht, im Zusammenhang mit dem Brand "sich selbst dabei wegzuräumen" (sinngemäße Äußerung des Zeugen), aber nicht die Kraft dazu gefunden.
Zeuge sagt bis hierhin mindestens 137 Mal: "Wenn ich das so geschrieben habe, dann wird es so gewesen sein!"
Diskussion darüber, woran er sich wirklich erinnern kann.
(Holger Schmidt, SWR)
10.43 Uhr.
P: "Gezwungen hat man mich zu nichts", hat sie gesagt.
G: Im Hinblick worauf?
P: Es blieb bei dieser Äußerung, eine konkretere Aussage dazu hat sie nicht getroffen und es wurde von uns nicht hinterfragt an der Stelle.
G: Vorhalt: "Sie brachte zum Ausdruck, dass sie …"
P: Dann wird Frau Zschäpe gesagt haben, dass sie zu nichts gezwungen wurde. Mehr kann ich dazu nicht sagen. Ich war der Annahme, dass Frau Zschäpe am nächsten Tag beim Ermittlungsrichter eine Erklärung abgeben wird. Aber das geschah dann nicht.
RA Wolfgang Heer (Verteidigung Zschäpe) bittet nachdrücklich, Zeugen zur klareren Unterscheidung zw. Vermerk und Erinnerung zu ermahnen. Diskussion darüber.
Herbert Diemer (Vertretung Bundesanwaltschaft): Ich rege an, Herrn Rechtsanwalt Heer zu verbieten, hier weiter zu stören.
RA Anja Sturm (Verteidigung Zschäpe) greift ein. Sie bekommt ein freies Mikro und wird sodann dafür kritisiert, dass sie gesprochen hat. Empörung bei Sturm.
Götzl unterbricht "zur allgemeinen Beruhigung".
(Holger Schmidt, SWR)
11.30 Uhr.
15 Minuten Pause.
Heer rügt, dass Götzl nicht über seinen Antrag entschieden hat, den Zeugen zur Differenzierung anzuhalten.
G: Doch, ich habe über Ihren Antrag entschieden, weil ich ja so verfahre, wie Sie es sich vorstellen.
G: Wann Vermerk gefertigt?
P: Am nächsten Tag nach Vorführung beim Ermittlungsrichter.
G: Notizen gemacht?
P: Nein. (Auf Nachfrage:) An den Wortlaut, an den genauen Inhalt, kann ich mich nicht erinnern. Aber es führte dazu, dass ich das genau so niedergeschrieben habe.
G: Kommt die Erinnerung zurück, wenn ich danach Frage?
P: Natürlich habe ich das in Erinnerung, die Atmosphäre, wie das abgelaufen ist. Aber ganz konkret kann ich mich nicht erinnern.
G: Dauer des Gesprächs?
P: Etwa eine halbe Stunde oder etwas mehr.
G. fragt nach Umständen des Gesprächs.
P: Zschäpe habe Bedenken gehabt, dass das Gespräch aufgezeichnet werde. Habe ihr gesagt, dass das eine verbotene Vernehmungsmethode wäre. Nacht im Gewahrsam, danach Frühstück angeboten und dann Vorführung beim Ermittlungsrichter in Zwickau.
Vertretung der Bundesanwaltschaft hat keine Fragen.
RA Gül Pinar (Nebenklage-Anwältin der Angehörigen des ermordeten Süleyman Tasköprü): Wer hat gesagt, dass Zschäpe kommt?
P: Vielleicht Polizeiführer, weiß es nicht mehr.
Pinar: Was wurde Ihnen mitgeteilt?
P: Es war ja von vornherein klar, dass da nicht irgendwer kam, da bedurfte es keiner weiteren Erklärung.
Pinar: Wodurch war das so klar?
P: Ich war im Vorfeld informiert, habe mich mit dem Sachverhalt vertraut gemacht.
Pinar: Welche Informationen haben Ihren vorgelegen?
P: Amtsgericht Zwickau hat Haftbefehl erlassen, darin die Infos: Brand Zwickau durch Brandbeschleuniger …
Pinar: Lagen Ihnen Informationen "über die beiden Uwes" auch vor?
P: Ich konzentrierte mich auf die bevorstehende Vernehmung zu Beate Zschäpe, aber natürlich lagen mir auch Informationen zu Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos vor.
Pinar: In welcher Form lagen die vor?
P: Ich war an Sachbearbeitung direkt beteiligt, deswegen war ich in Sachverhalt und Ermittlungsstand eingewiesen. Üblich, dass Besprechungen stattfinden.
Pinar: Teambesprechungen?
P: Ja, natürlich.
Pinar: Wer hat teilgenommen?
P: Mitglieder der Ermittlungsgruppe haben teilgenommen. Aussagegenehmigung lässt Namen und Stärke nicht zu.
Pinar: Personen, die nicht in den Akten stehen?
P: Kann ich Ihnen nicht beantworten, weil, es kann sein, dass Leute teilgenommen haben, die keine Sachen schriftlich niedergelegt haben.
Pinar: Wie viele Personen?
P: Aussagegenehmigung gibt das nicht her. Frage an Leiter der Ermittlungsgruppe.
Pinar: Sind Informationen aus den Besprechungen schriftlich niedergelegt worden?
P: Der Ablauf solcher Besprechungen wird niemals niedergeschrieben.
Pinar: Polizeiliche Merkbücher?
P: Ich habe ein Notizbuch.
Pinar: Liegt Ihnen das noch vor?
P: Muss ich prüfen.
Pinar: Können Sie in der Dienststelle anrufen?
P: Ich denke, das würde zu weit führen, liegt in meinem eigenen Schrank.
Pinar: Ich könnte auch einen Beschlagnahme-Antrag stellen.
Götzl: Jetzt nicht, jetzt Fragen!
Pinar: Weitere Vorwürfe?
P: Polizistenwaffen Heilbronn, deswegen war auch Frau H. aus Baden-Württemberg da.
RA Andreas Thiel (Nebenklage-Anwalt der Angehörigen des ermordeten Süleyman Tasköprü): Wer ist Leiter Ermittlungsgruppe?
P: Kriminaldirektor H., Kripo Zwickau.
Thiel: Haben Sie Bilder von den beiden Uwes gesehen?
P: Ja.
Thiel: Mich würde brennend interessieren, ob Sie die aus dem Stadtbild von Zwickau gekannt haben?
P: Überhaupt nicht.
(Paul-Elmar Jöris, WDR)
11.50 Uhr.
Im ausgebrannten Wohnmobil war Waffe der Polizistin gefunden worden. Frau H. von der Polizei Baden-Württemberg gehörte zeitweise der "Ermittlungsgruppe Parkplatz" an.
Pause bis 13.00 Uhr.
Überprüfung der Mikros.
(Holger Schmidt, SWR)
13.30 Uhr.
RA Detlef Kolloge (Nebenklage-Anwalt der Angehörigen des ermordeten Mehmet Turgut): Wann Teil der Ermittlungsgruppe?
P: Montag nach Brand.
Nachfrage: Andere Personen bei Besprechungen der Ermittlungsgruppe anwesend als Polizeibeamte?
P: Nein.
RA Stephan Lucas (Nebenklage-Anwalt von Semiya Simsek, Tochter des ermordeten Enver Simsek): Warum Katzen nach unten gebracht?
P: Kann mich nicht erinnern. Aber es ist schlüssig, wenn sie mehrfach nach den Katzen gefragt hat, dass sie dann besorgt ist, wenn es brennt.
L: Woher soll sie denn wissen, dass es gleich brennt? Eingebung?
P: Kann mich nicht erinnern.
L: Sie haben nach möglichen weiteren Straftaten gefragt, die Frage ist ja suggestiv. Ist sie da darauf eingegangen?
P: Nein. Es war unsere Intention, die geplante Ausführung von anderen Sachen zu verhindern. Als sie "Nein" sagte, haben wir nicht weiter nachgefragt.
RA Yavuz Narin (Nebenklage-Anwalt der Angehörigen des ermordeten Theodoros Boulgarides): Wann haben Sie vom Wohnwagen (!) erfahren? Wann wussten Sie von der Identität der Personen, die in dem Wohnwagen (!) verstorben sind?
P: Kann ich nicht genau sagen, denke aber, dass mir das am Montagmorgen im Rahmen der Besprechung mitgeteilt worden ist.
N: Zusammensetzung der Ermittlungsgruppe?
N: Möchte nachfragen, ob in nicht-öffentlicher Sitzung Angaben möglich wären.
Götzl: Ist doch eine Frage der Aussagegenehmigung.
RA Edith Lunnebach (Nebenklage-Anwältin der Opfer des Anschlags in der Kölner Probsteigasse): Sachgebiet bei der Kripo?
P: Dezernat 1, Leben und Gesundheit.
L: Gibt es politisches Dezernat?
P: Ja, gibt es, da war ich nicht.
L: Wer hat entschieden, dass Sie und Frau H. die Vernehmung machen?
P: Sicherlich die Leitung der Ermittlungsgruppe. Entzieht sich meiner Kenntnis und betrifft möglicherweise auch Aussagegenehmigung.
L: Warum haben Sie die Frage und Antwort nach weiteren Straftaten nicht in den Vermerk aufgenommen?
P: Aus dem Gedächtnis heraus den Vermerk gefertigt, ist mir erst jetzt wieder eingefallen.
L: Wer hat Ihnen gesagt, dass Sie den Vermerk schreiben sollen?
P: Ich mache das in der Regel.
Diemer interveniert: Ich möchte wissen, wer hat wen gebeten, etwas in welcher Richtung zu entwickeln? Es geht hier um die fünf Angeklagten.
L: Woher kommt denn jetzt diese Schärfe?
Diemer: Ich führe kein Zwiegespräch mit Ihnen, ich spreche zum Vorsitzenden
L: Ich habe in jeder Phase Anspruch auf rechtliches Gehör, das nehme ich gerade wahr. (Frage zum Vermerk:) Das "Nie" im Vermerk ist korrekt und wer es gesagt hat, wissen sie nicht mehr.
Nebenklage-Anwalt: Hat sich der Verfassungsschutz bei Ihnen gemeldet?
P: Nein.
Nebenklage-Anwalt: Beweggrund für Frage nach möglichen weiteren geplanten Straftaten? Mit dem Wissen um die Brandstiftung und der Identität der Toten fand ich es angebracht, diese Frage zu stellen? Böhnhardt und Mundlos waren tot, Zschäpe saß vor Ihnen? Generell! Wäre ja möglich gewesen, dass andere Personen etwas planen. Wer zum Beispiel?
P: Das weiß ich doch nicht!
Nebenklage-Anwalt: Konkreter Anlass?
P: Nein.
RA Thomas Bliwier (Nebenklage-Anwalt der Angehörigen des ermordeten Halit Yozgart): Haben Sie zum Zeitpunkt der Erstvernehmung gewusst, dass am 1. November 2011 in Döbeln in der Nähe von Zwickau ein irakischer Staatsbürger mit vier Schüssen hingerichtet worden ist?
P: Ich erinnere mich nicht.
B. fragt nochmal.
P: Ich kann mich nicht daran erinnern.
Nebenklage-Anwalt: Wer hat das Wort geführt?
P: Gleichberechtigt. Beide. Man kann nicht sagen, dass einer den Großteil der Unterhaltung bestritten hat.
(Holger Schmidt, SWR)
15.10 Uhr.
Götzl: Mikrofonanlage umgestellt, Sie hören jetzt hinten möglicherweise besser als vorher und wir hören jetzt weniger. Sprechen Sie deutlich!
Heer: Ist Ihnen bekannt, dass der Zeuge das Recht hat, keine Angaben zu machen oder nicht zu machen? Wie ist es jenseits der Angaben zur Sache? Er hat das Recht zu schweigen, außer bei Angaben zur Person.
Jochen Weingarten (Vertreter Bundesanwaltschaft): Hier wird der Zeuge examiniert.
Götzl: Weiter!
Heer: Wie ist es denn dann doch zu den Angaben gekommen?
P: Wir haben geraucht und dann hat es sich so ergeben. Frau Zschäpe wurde ja nicht gezwungen. Wir saßen uns gegenüber und haben uns unterhalten.
Heer ermahnt zur Wahrheitspflicht: Wieso haben Sie Fragen gestellt?
P: Fragen gehören zu einer Unterhaltung.
H: Was hat sie gesagt?
P: Keine Angaben machen.
H: Warum trotzdem gefragt?
P: Fragen richteten sich ja nicht auf den Tatvorwurf der Brandstiftung, sondern auf familiäre Dinge.
H: Wissen Sie noch die erste Frage?
P: Nein.
H: Wie belehrt?
P: Ich habe das gemacht.
H: Wie?
P: Ich habe sie ganz konkret belehrt, dass sie die Auskunft verweigern, einen Rechtsanwalt zuziehen kann.
H: Nochmal: Warum konkrete Fragen gestellt?
P: Weil es sich im Gesprächsverlauf so ergeben hat.
H: Bitte Situation schildern!
P: Speichelprobe: Kollege hat an die Zimmertür geklopft, kurz gesprochen, gefragt, Zschäpe hat zugestimmt und ich denke, dass mit einem Tupfer aus der Mundhöhle die Probe genommen wurde. Hat nicht lange gedauert. Beamter hat danach den Raum wieder verlassen.
H: Name?
P: Kollege L., Kripo Zwickau.
H: Haben Sie den Hintergrund des Begehrens eröffnet?
P: Das wird Herr L. gemacht haben, denn er hat auch den entsprechenden Vordruck dabei gehabt zum Ausfüllen und Unterschreiben.
Sturm: Zum Thema DNA: Fand das alles in ihrer Gegenwart statt?
P: Ja.
S: Wie lange dauerte das?
P: Nicht lange. Ich kann jetzt nicht genau eine Minutenzahl sagen. Vielleicht 5 Minuten.
S: Erinnerung, ob sie selbst gelesen hat und vorgelesen wurde? Situation?
P: Klopft an die Tür, Blatt ausfüllen und unterschreiben lassen. Aber ob Blatt auf dem Tisch lag - keine Erinnerung.
RA Wolfgang Stahl (Verteidigung Zschäpe): Haben Sie im Gespräch in irgendeiner Form gesagt, dass das Gespräch nicht in den Akten landet?
P. Nein. Ein Vermerk ist für die Akten und das habe ich ihr mitgeteilt.
Heer: Foto von totem Mundlos in der Brandakte?
P: Nein.
H: Haben Sie Frau Zschäpe zum Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof begleitet?
P: Nein.
Götzl: Keine sonstigen Fragen der Verteidiger?
Henning Saß (psychiatrischer Gutachter Zschäpe): Ruhelos, übernächtigt, Stress - Wachheitsgrad von Zschäpe?
P: Sie machte nicht den Eindruck, dass sie den Fragen nicht folgen kann. Nicht gesagt, dass sie müde ist und nicht eingeschlafen.
Saß: Konzentration? Rasche und prompte Reaktion?
P: Gut konzentriert, vielleicht sogar etwas "hibbelig". Kein Anlass, dass sie nicht wusste, was sie erzählt.
Saß: Zusammenhangslos oder sprunghaft?
P: Nein, die gab es nicht. Wenn es Ausfallerscheinungen gegeben hätte oder es von einem Thema zum anderen gegangen wäre, hätte ich das festgehalten.
Saß: Versprecher, Probleme, Worte zu finden?
P: Nein.
Saß: Stimmung?
P: Fällt mir auch nicht einfach, kann nur wiederholen, dass sie ruhelos war, ein wenig nervös, abgespannt.
Saß: Stimmung?
P. legt sich nicht fest.
Saß: Uwes seien Familie gewesen. Gab es da eine Differenzierung?
P: Es war nicht so, dass der Tod des einen mehr bedauert wurde als der Tod des anderen oder dass sie gesagt hätte, mit einem war ich zusammen, mit dem anderen bin ich zusammen.
Saß: Tod überhaupt thematisiert?
P: Ja, Anrufe bei den Müttern. Sonst nicht.
Vernehmung unterbrochen, Zeuge P. wird wohl erneut geladen.
RAin Pinar regt an, dass P. sein Notizbuch zur Verfügung stellt, "bevor der Zeuge den Saal verlässt und irgendwelche Handlungen vornehmen kann".
Diemer: Ungeheuerlicher Vorwurf! Verbitte ich mir. Frau Nebenklägerin, stellen Sie einen Antrag!
Unterbrechung bis 15.25 Uhr.
(Oliver Bendixen, BR)
15.38 Uhr.
Es geht weiter. RAin Pinar beantragt, den Notizblock des vernommenen Beamten den Akten zuzufügen. In einem Verfahren, in dem so viele Akten verschwunden sind, sei das legitim.
(Holger Schmidt, SWR)
16.00 Uhr.
Zeuge Frank L., 37 Jahre, Kriminalhauptkommissar, Bundeskriminalamt.
Vorführung Zschäpe beim Ermittlungsrichter und dann ein Treffen in der Justizvollzugsanstalt Köln.
13. November 2011: Auftrag, Zschäpe bei der Vorführung zu begleiten, von der Justizvollzugsanstalt Chemnitz zum Bundesgerichtshof in Karlsruhe, mit Polizeiobermeisterin S. aus Sachsen, Zschäpe über Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalt informiert und über ihre Pflichten belehrt. Im Auto auf dem Weg zum Flughafen angesprochen, ob sie weiterhin Suizidabsichten hege. Frau Zschäpe hat das verneint, früherer Gedanke, inzwischen davon abgekommen. Habe ihr gesagt, dass jedwede Aussage protokolliert wird.
Gegen 15.50 Uhr Abflug, Flugzeit 1.45 Stunden nach Baden-Baden. Zschäpe war nicht in die Bordkommunikation eingebunden. Landespolizei Baden-Württemberg hat uns erwartet, mit Fahrzeugkonvoi in Karlsruhe gegen 19.00 Uhr eingetroffen.
Mussten auf Vorführung warten, Polizeiobermeisterin S. und ich saßen im Vorzimmer des Ermittlungsrichters und mussten warten. Hier hat sie die Äußerungen getroffen, die ich niedergelegt habe. Zweite Möglichkeit zwischen Anhörung und Verkündung. Inhaltlich: Dass sie sich nicht gestellt hat, um nicht auszusagen. Sprach noch von Rechtsanwalt Liebtrau, sie habe ihn mehr oder weniger zufällig ausgesucht, von einem Szene-Verteidiger wolle sie sich nicht verteidigen lassen. Völlig neue Situation, mit dem Namen Beate Zschäpe angesprochen zu werden, weil das lange nicht passiert sei.
In Zwickau früher überwiegend mit dem Fahrrad fortbewegt. Ihr, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt sei schon klar gewesen, dass sie irgendwann auffliegen würden und das sie nun ruhiger schlafen würde.
Im weiteren Gespräch ging es um Katzen, sie sei eine Katzenliebhaberin. Man hätte auch gerne einen Hund gehabt, habe das aber nicht getan, weil man Sorge hatte, bei der Anmeldung oder Nicht-Anmeldung aufzufallen. Des weiteren habe man beschlossen, wenn die beiden Uwes nicht mehr nach Hause kommen, dass sie versprochen hätte, die Eltern der beiden Uwes anzurufen. Ihr sei es im Untergrund schwer gefallen, wahre Freundschaften zu schließen.
Dann richterliche Vorführung vor Bundesrichter Nikolaus Berger. Ich war anwesend. Sie erwähnte, dass sie ein "Faktenmensch" sei, sie legte Wert darauf, verschiedene Meinungen anzuhören. Hat sich auch bereitwillig meine Ausführungen angehört, sie zu motivieren, eine Aussage zu machen. Hat gesagt, dass sie keine Angaben machen will, sich aber meine Ausführungen gerne anhört, weil sie ein „Faktenmensch“ sei. Konnte sie genauer beobachten, Ermittlungsrichter hat alle 10 Vorwürfe vorgelesen, keine Regung, sehr emotionslos. Dann Situation: beide Uwes Tod. Genau hingesehen: keine Tränen, Schwitzen, Schlucken, sehr emotionslos.
Unterbringung in der Justizvollzugsanstalt Ossendorf, mit dem Auto. Unterwegs gab es ein Lunchpaket der Justizvollzugsanstalt Karlsruhe, 23.30 Uhr angekommen.
Am 26. November 2011 erhielt ich den Auftrag, bei Frau Zschäpe in der Justizvollzugsanstalt vorbeizufahren. Gab mehrere Gründe, vorbeizufahren, Gegenstände im Keller und Wunsch nach Brille. Also am 26. November mit Brille in die Justizvollzugsanstalt, gegen 13.40 Uhr mit Justizbeamten gesprochen, Brille gegeben, hat sie sich sehr gefreut. Die beiden Themen angesprochen. Katze: Möchte ich mich nicht äußern, weil es belastend für sie wäre: Zuordnung Wohnung und Katzen. Wollte erst mit Anwälten sprechen. Wertgegenstände: Gegenstände die mit Geldern erworben wurden, die aus Straftaten stammten, daran könne man doch kein Eigentum haben. Danach Smalltalk. Kalte Außenwand, sonst ganz gute Behandlung, Fernseher beantragt, öffentliches Geschehen über Radio verfolgt.
Habe geschlossen, dass Versprechen der Eltern-Info vor dem 4. November erfolgte, kann aber heute nicht mehr sagen wieso.
Zur Fahrt von der Justizvollzugsanstalt Chemnitz zum Flughafen: Frau Zschäpe wirkte sehr klar. Ruhig, klar, ansprechbar, hat Nachfragen gestellt. Vom Zeugen P. wusste ich, dass sie zum Zeitpunkt seiner Vernehmung sehr aufgewühlt war - bei mir nicht.
(Oliver Bendixen, BR)
16.29 Uhr.
Ende für heute.
Hinweis
Diese Texte sind eine Auswahl der Mitschriften der Reporter der ARD und des BR während der zentralen Verhandlungstage im sogenannten "NSU-Prozess", eines beispiellosen Verfahrens der deutschen Rechtsgeschichte. Wir dokumentieren diesen "Originalton", weil es in der deutschen Praxis des Strafprozessrechts, selbst bei derartig wichtigen Verfahren, kein offizielles und umfassendes Gerichtsprotokoll gibt. Wir erfüllen damit unsere Informationspflicht, um allen, die keinen der begehrten Sitzplätze im Gerichtssaal erhalten haben, einen - durchaus auch subjektiven - Eindruck der Prozessereignisse zu vermitteln. Die Zusammenfassungen der sogenannten "Saalinfos" unserer Reporter sind redaktionell bearbeitet, zum Teil gekürzt. Es wird kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben und es kann natürlich auch keine Gewähr für die Richtigkeit jedes einzelnen Wortes gegeben werden. Die Redaktion distanziert sich ausdrücklich von den Inhalten der Aussagen der Prozessteilnehmer.