NSU-Prozess: Gerichtssaal-Protokoll 52. Verhandlungstag, 06.11.2013
Am 52. Verhandlungstag des NSU-Prozesses kommt der Mann in den Münchner Gerichtssaal, dem das Auffliegen des NSU zu verdanken ist: der leitende Polizeibeamte Michael M. aus Thüringen.
Es war der Polizeibeamte Michael M., nach einer Serie von Raubüberfällen 2011 das Fahndungskonzept änderte. Nur so gelang es der Polizei, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos nach einem Überfall am 4. November 2011 in Eisenach zu stellen. Die beiden Männer zündeten danach das Wohnmobil an und nahmen sich das Leben. Im Prozess soll geklärt werden, wann genau das Landeskriminlamt Thüringen von der Identität von Böhnhardt und Mundlos erfahren hat und welche weiteren Ermittlungsschritte eingeleitet wurden.
Gutachter
- Cornelius S., Facharzt für Psychiatrie
Zeugen
- Ralf B., Kriminalbeamter in Dortmund (Mordfall Kubasik)
- Ansgar J., Landeskriminalamt Sachsen
- Michael M., Polizeidirektor aus Thüringen
- Michael S. (geb. L.), Leiter der Mordkommission in Dortmund (Mordfall Kubasik)
ARD-Reporter über das Geschehen im Gerichtssaal
(Sebastian Hesse-Kastein, MDR)
Verspäteter Beginn um 9.50 Uhr. Die Angeklagte Zschäpe heute sehr streng: Haare zum Zopf zurückgebunden, weiße Rollkragen-Bluse, grau-braunes, enganliegendes Kostüm, scherzt mit ihren Anwälten.
Zeuge Dr. Ansgar J., 35, Sachverständiger, Chemiker aus Dresden zur Untersuchung sichergestellter Gegenstände nach dem 4. November 2011, dem Brand in der Zwickauer Frühlingstraße (der letzten Wohnung von Zschäpe, Mundlos, Böhnhardt). Spuren Nr. 1, 2, 3: Holzstücke, Spur Nr. 4: nasser Fußabstreifer, Spur Nr. 6: Schwimmring und einiges mehr aus der ausgebrannten Wohnung, dazu Vergleichsmaterialien, brennbare Flüssigkeiten vorhanden? In diversen Spuren: Kohlenwasserstoffgemische deutlich, vermutlich aus Ottokraftstoffen (Benzin), bei anderen keine brennbaren Rückstände, unterschiedliche Kraftstoffzusätze, Lösungsmittelgemisch, brennbar, nach dem Waschen nicht mehr nachweisbar (wird von Zschäpes Verteidigung hinterfragt), fünf Tage lagen zwischen Brand und Untersuchung, die Kleidung Zschäpes war "nicht vollständig spurenschonend' verpackt" (Socken etwa in gasdichten Plastikfolien).
(Sebastian Hesse-Kastein, MDR; Holger Schmidt, SWR)
12.00 Uhr. Zeuge Michael M., Jahrgang 1960, leitender Polizeidirektor aus Thüringen; Ereignisse Eisenach 4. November 2011, aber auch Brand in Zwickau, Frühlingsstraße.
Michael M.: schon im September gab's am 7.9.2011 in Arnstadt einen Sparkassen-Überfall, es wurde ohnehin eine Banküberfallserie in Thüringen registriert, 2008 bis 2011, am 7. September dann Banküberfall zweier Täter auf Fahrrädern, am 13. September bundesweite Suche nach Hinweisen (Erkenntnisanfrage bei Dienststellen): Chemnitz meldete sich mit Hinweisen auf Serie gleicher Täter (Aussehen, Bewaffnung, Modus operandi etcetera.). 4. November - kurz nach 9.00 Uhr in der Einsatzzentrale dann Meldung über Sparkassenüberfall in Eisenach, genügend Kräfte vorhanden, so dass zusätzliche Beamte zum Tatort konnten (durch neue Autobahn schnell da), Ausfallstraße zur alten Autobahn sofort mit Streife besetzt, weil mit Flüchtigen in einem Transporter gerechnet wurde; Zeugenbefragung an einem OBI-Markt, wo Radler gesehen wurden, die Räder in Wohnmobil mit Voigtländer Kennzeichen luden; Eisenach derweil komplett abgeriegelt; Schüsse fielen dann in Wohnmobil mit V-Kennzeichen, das entdeckt wurde, sich nähernde Polizisten holten Verstärkung, dann brannte es in dem Fahrzeug; zunächst auch Verdacht auf Geiselnahme, gleich große Beschädigung durch Brand festgestellt, im Inneren, sowie zwei vermutlich tote Männer, Polizeibeamten sagten, sie hätten nicht geschossen, woher dann Kopfverletzungen? Frage nach drittem Täter, Patrone gefunden, wie sie auch von Polizisten verwendet wird, also mögliche Polizeimunition, viele Waffen, am Nachmittag Sonderkommission (SoKo), Schnellstmöglich aufarbeiten, was zu den Personen bekannt ist. SoKo zusammengerufen. Aufträge verteilt. Gegen 16.00 Uhr ist die Waffe vom Tisch im Wohnmobil identifiziert worden. Das war der erste Moment, wo ich den Eindruck hatte, kein gewöhnlicher Banküberfall, wollte wissen, wer die Personen waren. Zwickau Info: Personalie Holger G. (einer der Angeklagten, auf ihn war Wohnmobil gemietet). Habe Personenaufklärung angewiesen. Identifizierung im Wohnmobil hat eine ganze Zeit gedauert. Identifizierung an diesem Tag nicht mehr gelungen, nach Jena in die Rechtsmedizin gebracht worden und gebeten, mir noch in der Nacht das Ergebnis mitzuteilen.
Richter Götzl hält vor: Polizeiinspektion Bad Nenndorf: Beobachtung des Hauses (Holger G.).
Zeuge M.: "last but not least" kam vom Kriminaldauerdienst/KDD Hannover, dass Holger G. rechtsmotiviert ist und in Jena geboren wurde. Weitere Beobachtung des Hauses: es war niemand da. Gegen 22.00 Uhr bin ich nach Hause gefahren. In der Nacht angerufen worden: Seine Lebensgefährtin gegen 00.30 Uhr nach Hause gekommen, war auf Konzert, Frage an sie: wo ist Holger G.? Antwort: Auf Arbeit! Überprüfung. Gegen 01.30 Uhr: Festnahme angeordnet. Gegen 08.30: Uhr Sektionsergebnis: Eine Person konnte identifiziert werden: Uwe Mundlos. Ging aufgrund von Unterlagen aus der Vermisstenanzeige des Vaters aus 2005. Dadurch hat sich am Samstag ein ganz neues Bild ergeben: Ereignisse 1998/99 Jena. These: Böhnhardt und Zschäpe in Begleitung. Ist zweite Person Böhnhardt? Wo ist Zschäpe? Bildmaterial von einem Tattoo besorgt. Hatte am Samstag Zielfahnder des LKA gebeten zu helfen, er erkannte Zschäpe. Er hat Hinweis auf Tattoo, linke Wade, man konnte schlussfolgern, dass es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um Uwe Böhnhardt handelte. Hatte am Freitag noch „SoKo Parkplatz“ informiert und um Unterstützung gebeten.
Götzl: Wer war Frau bei der Anmietung? Zschäpe?
M.: Kollege Kripo Zwickau, der am Freitag Dienst hatte und Kennzeichen Wohnmobil identifizierte, hatte am Samstag Dienst und las Bericht von Brand in der Frühlingsstraße und Hinweis auf Wohnmobil. Informierte mich, habe die Infos gegenlaufen lassen und das hat das Bild nur noch abgerundet: Zwei Männer, eine Frau.
Götzl: Wie Presseinformation?
M.: Presse war schnell vor Ort. Wir haben abgestimmt, dass wir zunächst nur den Fakt bestätigen. Habe angewiesen, dass alle Infos nur schriftlich und mit Uhrzeit versehen herausgehen.
Götzl: Wann erstmals mitgeteilt, dass zwei Tote?
M.: Muss ich nachsehen. Bin mir nicht ganz sicher in der Uhrzeit. Vielleicht 14.30, 15.00 Uhr. Gibt einen Ablaufkalender dazu.
Götzl: Unterbrechung, M. soll nachsehen. 13.30 Uhr geht's weiter.
(Tim Aßmann, BR)
14.25 Uhr, weiter mit dem Zeugen Michael M., Polizeidirektor, Thüringen.
Michael M.: Frühester Zeitpunkt, zu dem die Polizei mitteilte, was passiert war, könnte 12.31 Uhr gewesen sein. Pressemitteilung kam erst um 14.18 Uhr, aber "Wichmann-TV" fragte vorher schon nach. Info um 14.18 Uhr: Im Wohnmobil befanden sich zwei männliche Leichen.
M.: Wollte zunächst wissen, wer die Personen sind. Obduktion kam danach. In der Nacht wurde Mundlos anhand von Fingerabdrücken identifiziert. Identifikation war 03.15 Uhr. Ich erfuhr es morgens.
Rechtsanwältin v. d. Behrens (Nebenklage): Habe ich vielleicht in den Akten nicht gesehen.
M.: Für das Aktenstudium kann ich jetzt nichts. Im Bericht steht die Uhrzeit drin.
RA v.d.B.: Kann es sein, dass vorher, vor Ihnen, Personen Bescheid wussten.
M.: Ja.
RA v.d.B.: Wieso?
M.: Die die Obduzierenden wussten es vor mir. Andere Personen gibt es nicht die vor 03.15 Uhr davon wussten.
RA v.d.B.: Herr W. (Verfassungsschutz) sagte in der 56. Sitzung des Bundestags-Untersuchungsausschusses, dass sie ihn am 4. November nachmittags anriefen und sagten, die beiden im Wohnmobil waren Mundlos und Böhnhardt und fragten, was mit Zschäpe sei.
M.: Mit Verlaub möchte ich die Aussage so stehen lassen. Wenn er meint, das so zu empfinden. Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich am 4. November anders gehandelt. Am Freitagnachmittag war die mehrheitliche Meinung, dass Zusammenhang Wohnmobil und Banküberfall ist, aber von dem Wissen, wer in dem Wohnmobil liegt, war nicht die Rede.
RA v.d.B.: Wann hatten sie Kontakt zu W.?
M.: Identifizierung ist mir im Wohnmobil nicht gelungen. Kenne weder Mundlos noch Böhnhardt. Deshalb habe ich die Identifizierungsmaßnahmen angeschoben und als gegen 16.00 Uhr die Kiesewetter-Pistole (die Polizistin Michèle Kiesewetter, erschossen am 25. April 2007, in Heilbronn. Ein Mord, der erst 2001 dem NSU zugerechnet wird) gefunden wurde war mir klar, dass Identifizierung schnell geschehen muss. Die Akte "Vermisst Mundlos" wurde mit zur Obduktion gegeben und am Samstagmorgen erfuhr ich, dass Mundlos identifiziert wurde. Als auch Böhnhardt klar wurde, aktivierte M. das Zielfahndungskommando am Samstagvormittag, um Zschäpe zu finden. Dessen Leiter kannte Zschäpe. Er gab den Hinweis, dass Herr W. diesen Sachverhalt wohl kennt. Deshalb W. am 5. November nachmittags angerufen und gefragt, ob er Hinweise auf Aufenthaltsort Zschäpe geben könnte. Herr W. irrt. Es war der 5. November. Er konnte mir nicht helfen. Der Name Wohlleben könnte gefallen sein, aber "suchen sie beim Wohlleben" hat er nicht gesagt. Ging zurück auf die Vernehmung von Holger G.. Er wurde vernommen und am 5. November um 14.10 Uhr kam Hinweis, dass Holger G. in seiner Vernehmung Wohlleben als Kontaktmann nannte. Nannte Umfeld des Trios - auch Wohlleben und André K.
RA v.d.B.: Zielfahnder D., LKA Thüringen, sagte im Untersuchungsausschuss, er habe mit Polizei in Gotha telefoniert und die habe gesagt, in dem Wohnmobil lägen Mundlos oder Böhnhardt - er war sich nicht sicher. Einer von beiden.
M.: Wenn ich das am Samstag 9.00 Uhr erfahre, halte ich es für ausgeschlossen. "Dieser Name Mundlos oder Böhnhardt ist nicht gefallen am 4. November - Punkt." Ich habe nur die Personen informiert, die es wissen mussten und das Landesamt für Verfassungsschutz gehörte nicht dazu.
RA v.d.B.: Warum dann W. als Verfassungsschützer angerufen (der war schon in Rente, was M. nicht wusste).
M.: Ich hatte ein Informationsbedürfnis. Ich hätte auch den Teufel angerufen, wenn der mir Informationen hätte geben können.
RA v.d.B.: Warum wurden Staatsschutz und Verfassungsschutz nicht kontaktiert? Warum W. privat?
M.: Dachte, Sie beziehen sich auf Anruf W.. Der war aber am 4. November, nicht am 5. November (auf einmal doch? wann denn nun?).
RA v.d.B.: Wann Verfassungsschutz offiziell informiert?
M.: Von mir nie. Habe kein LfV (Landesamt für Verfassungsschutz) informiert. Weder am 4., 5., 8. oder 9. November.
RA v.d.B.: was haben sie gemacht um Zschäpe zu finden?
M.: Konkret wurde das vom Bereich Fahndung gesteuert. Es gab Hinweise aus dem Wohnmobil zu weiteren Personen. Es wurden systematisch Kontaktadressen ermittelt um an Zschäpe heran zu kommen.
RA v.d.B.: Haben sie versucht, an Telefonnummer heran zu kommen?
M.: Hätte ich immer gerne gewusst. Wusste ich aber nicht.
RA v.d.B.: In Sachsen gefragt?
M.: Ich führte SoKo mit 50 Leuten. Telefonnummer hat Rolle gespielt, aber wann und wer die Nummer überprüft hat weiß ich nicht mehr. Gab Abfrage an sächsisches LKA, weiß auch dass Kollegen nach Zwickau gefahren sind, aber ich kann nicht sagen, ob das am 5. November vormittags war.
Rechtsanwältin v.d.B. will weiter fragen, aber Richter Götzl bittet, Relevanz der Fragen zu erklären.
Rechtsanwältin v.d. Behrens sagt, es geht um den Zschäpe-Anruf.
Richter Götzl: Fragen Sie, weil es Sie interessiert oder weil es relevant ist?
RA v.d.B.: Haben sie Zielfahnder gebeten, Zschäpe am 8. November zu identifizieren?
Polizeidirektor Michael M.: Ja Ich schickte W. (einen Polizeibeamten) nach Jena wo sich Zschäpe gestellt hatte.
Anwältin v.d. Behrens und Richter Götzl streiten nochmal über Relevanz der Fragen.
RA v.d.B.: Haben sie W. untersagt, Zschäpe zu befragen?
M.: Auftrag war Identifikation und sonst nichts.
RA v.d.B.: ausdrücklich untersagt?
M.: Kann ich nicht sagen, aber was soll W. Zschäpe fragen. Er soll sie identifizieren und damit ist kein weiterer Auftrag verbunden. Punkt.
Rechtsanwalt Narin (Nebenklage): Waren noch andere zugegen als sie das Wohnmobil betraten?
Polizeidirektor Michael M.: Ja natürlich - zahlreiche Polizeikräfte vor Ort, Rettungskräfte. Die waren natürlich vor Ort bei meinem Eintreffen. Feuerwehr sagte mir, sie hätten eine Leiche gesehen.
Narin: Haben sie sich bei Eintreten in Wohnmobil lautstark über Herrn W. (vom Verfassungsschutz) geäußert?
M.: Nach meiner Erinnerung nein. Was soll ich auch mit dem Herrn W. da anstellen?
Narin: Haben sie sich telefonisch mit W. heftige Diskussion geliefert?
(Richter Götzl ist sehr aufgebracht über die Frage.)
Narin: Zeuge gibt an, dass er nicht mit Herrn W. an dem Tag telefoniert habe, deshalb will ich Erinnerung auf die Sprünge helfen.
Götzl: Welche Relevanz?
Narin: Betrifft die Mörder des Vaters meiner Mandantin, Herr Vorsitzender.
Richter Götzl verbittet sich eine solche Belehrung.
Oberstaatsanwältin Weingarten: Unverschämtheit von Rechtsanwältin Narin, dem Zeugen vorzuwerfen, er wolle sich nicht erinnern.
RA Narin: War kein Vorwurf.
Polizeidirektor Michael M.: Wenn sie mich fragen, habe ich am 4. November mit W. telefoniert? Antwort: Nein. Am 5. November? Ja! Ich habe am 4.11. nicht gewusst, wer die Leichen sind. Die zwei Personen waren nicht zu identifizieren.
Narin: War irgendwann mal die Rede von drittem Projektil?
M.: Nein.
Narin: Ich bedanke mich.
Nebenklage: Warum Vermisstenakte Mundlos aus Jena beigezogen?
M. zögert lange: Mehrere Punkte: Auffindesituation, Erkenntnisse zu möglichen drei Personen, so dass in der SoKo diskutiert wurde, wie am schnellsten Identifizierung möglich und da Gotha keine eigenen Erkenntnisse hatte, hat man Jena gebeten.
Nebenklage: warum schon Erkenntnisse über dritte Person?
M.: Gab Aussagen dass da eine dritte Person gesehen worden sein soll. Teilweise an Autobahnraststätten oder sonst was. Konnte so nicht nachgewiesen werden.
Nebenklage: zu dem Zeitpunkt 4. November abends (als Anfrage nach Jena). Wie kamen sie auf diesen Auftrag? Haben sie weitere Sachen beiziehen lassen?
M.: Nein.
Nebenklage: Wie kamen sie auf eine Sache Mundlos zu diesem Zeitpunkt? Wieso diese Akte beiziehen? Keine andere?
(Polizeidirektor M. schildert, wie alle schon vorhandenen Erkenntnisse zusammengefasst wurden. Nach Abnahme der Fingerabdrücke lässt man sie durch BKA-Datei laufen und da gibt es den Treffer mit Mundlos.)
Rechtsanwalt Hoffmann (Nebenklage) fragt nach Wohnmobil.
M.: Betreten war nicht ganz einfach. Löschwasser stand drin, Teile des Daches waren hinein gefallen, Innenraumsituation ist auch von mir fotografisch gesichert worden, ne Veränderung der Waffen hat es weder in Lage noch in Zustand gegeben.
Hoffmann: Wer hat Waffen zuerst berührt?
M.: Auftrag ging an Bereich Tatortarbeit. Die hatten die Aufgabe, Waffen fachkundig zu sichern.
Rechtsanwalt Klemke (Verteidigung Wohlleben): Was wussten sie über dritte Person bei Wohnmobil?
M.: Überprüfung läuft immer so ab, dass man alle Informationen gegencheckt. War Aussage von Zeugin, sie habe nicht zur Tatzeit sondern vorher Wohnmobil schon an Stelle gesehen und dass sich da eine weibliche und zwei männliche Personen befunden haben sollen. Die Polizisten (gemeint sind die zwei, die das Wohnmobil überprüfen wollten) konnten alles einsehen.
Rechtsanwältin Sturm (Verteidigung Zschäpe): Durch wen wurde Rechtsmedizin Jena informiert?
M.: Vielleicht auch über den Kollegen L.. Ich rufe ja nicht an. Ich vergebe die Aufträge.
Rechtsanwältin Schneiders (Verteidigung Wohlleben): Warum wurde Jena gebeten?
M.: Lebend- und Totuntersuchungen gibt es für Polizei in Thüringen nur in Jena.
Rechtsanwalt Stolle (xyxy): Warum haben sie Vermisstenakte schon am 4.11. beigezogen wenn Mundlos erst nachts auf den 5.11. identifiziert wurde?
M.: Erst gab's den Abgleich der Fingerabdrücke und dann die Anforderung der Akte. Nicht umgekehrt.
RA Narin: Warum hatte Mundlos Verletzungen, die nicht mit Kopfschuss durch Winchester korrespondierten.
M.: Nein. Keine Erkenntnisse.
(Sebastian Hesse-Kastein, MDR)
Zschäpe zeigt keinerlei Gefühlsregung, als Polizeidirektor M. beschreibt, dass bei beiden, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, das Gesicht weggeschossen war.
(Sebastian Hesse-Kastein, MDR)
Zeuge zum Dortmunder Kubasik-Mord 2006: Ermittler Ralf B., damals Mordkommission.
Richter Götzl: Hat Familie nach fremdenfeindlichem Motiv gefragt?
Zeuge Ralf B.: Ja, Frau Kubasik, bei ihr zu Hause, haben ausländerfeindliches Motiv kurz in Erwägung gezogen, aber nicht nach bekannten Dortmunder Neonazis gefragt, Anfrage an den Verfassungsschutz gab's, aber unklar, ob auch Dortmund abgeklopft wurde, nein, Dortmunder Neonazis wurden nicht abgeklopft.
Götzl: In Dortmund 2003 und 2005 vier Morde durch Neonazis?
B.: 2003 an drei Polizisten.
Götzl: 2005 an einem Punker?
B.: Bekannt.
Götzl: Damalige Morde Anlass, in der Neonazi-Szene zu ermitteln?
B.: Nein.
Götzl: Haben Neonazis in der Nähe der Kubasiks gewohnt? Tony S. in der Schleswiger Straße gewohnt?
B.: Erst 2011 bekannt geworden, 2006 keine Kenntnis von der Person Tony S.
Götzl: Anschläge auf türkische Personen und Institutionen im zeitlichen Umfeld des Kubasik-Mordes?
B.: Ja; Anschlag auf türkisches Bildungszentrum? Vier Tage vor Kubasik-Mord, Ort war auf NSU-Liste.
(Tim Aßmann, BR)
17.40 Uhr.
Bundesanwalt Diemer appelliert: Wir haben hier keinen Untersuchungsausschuss und die Nebenklage-Vertreter sind keine gewählten Volksvertreter.
Rechtsanwalt Scharmer (Nebenklage): Beim achten Mord wussten die Täter welche Ermittlungen angestellt wurden. Deswegen muss die Frage erlaubt sein, welche Ermittlungen angestellt wurden.
RA Scharmer: Sagt ihnen Aussage Zeugin K. was?
Zeuge Michael S., Leiter der Mordkommission Dortmund (Mordfall Kubasik): Mit dem Namen kann ich nichts anfangen. Nein.
RA Scharmer hält vor: Teilte mit, sie habe nach Tat an Ecke gegenüber von Tatort männliche Person stehen sehen. Frau sei dazu gekommen und habe dem Mann gesagt: "Lass uns jetzt aber verschwinden."
Zeuge Michael S.: Erinnere mich nicht mehr genau, aber wenn es da so steht.
Rechtsanwalt Erdal (Nebenklage): Wann haben sie in Neonazi-Szene ermittelt?
Michael S.: Haben wir nicht
RA Erdal: Bekannt, dass in Deutschland Neonazis Anschläge auf Ausländer verüben?
S.: Ist mir bekannt. Ich bin hier wegen "BAO Bosporus" ("Besondere AufbauOrganisation" = große Sonderkommission, in Nürnberg) und nicht wegen irgendwelchen Brandanschlägen.
Erdal: Sie waren Chefermittler in Dortmund. Was haben sie veranlasst?
Richter Götzl beanstandet: Hat er schon beantwortet.
Rechtsanwalt Erdal gibt grinsend auf.
Hinweis
Diese Texte sind eine Auswahl der Mitschriften der Reporter der ARD und des BR während der zentralen Verhandlungstage im sogenannten "NSU-Prozess", eines beispiellosen Verfahrens der deutschen Rechtsgeschichte. Wir dokumentieren diesen "Originalton", weil es in der deutschen Praxis des Strafprozessrechts, selbst bei derartig wichtigen Verfahren, kein offizielles und umfassendes Gerichtsprotokoll gibt. Wir erfüllen damit unsere Informationspflicht, um allen, die keinen der begehrten Sitzplätze im Gerichtssaal erhalten haben, einen - durchaus auch subjektiven - Eindruck der Prozessereignisse zu vermitteln. Die Zusammenfassungen der sogenannten "Saalinfos" unserer Reporter sind redaktionell bearbeitet, zum Teil gekürzt. Es wird kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben und es kann natürlich auch keine Gewähr für die Richtigkeit jedes einzelnen Wortes gegeben werden. Die Redaktion distanziert sich ausdrücklich von den Inhalten der Aussagen der Prozessteilnehmer.