NSU-Prozess


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Tagebuch der Gerichtsreporter 60. Verhandlungstag

Der Hausmeister aus der Zwickauer Frühlingstraße ist kaum zu verstehen, so dermaßen undeutlich sächselt er bei seiner Vernehmung am 60. Tag des NSU-Prozesses. Beate Zschäpe, so sagt er aus, lernt er als nette Nachbarin bei Feierabendbierchen kennen.

Von: Eckhart Querner

Stand: 26.11.2013 | Archiv

Eckhart Querner | Bild: BR

26 November

Dienstag, 26. November 2013

Zschäpe wird das Haus später, im Jahr 2011, in die Luft sprengen, jetzt stellt sie sich als Frau Dienelt vor, die Männer der Frühlingsstraße nennen sie einfach "Diddlmaus". Zschäpes Tarnung funktioniert perfekt. Sie gibt die von zu Hause arbeitende junge Frau. Die beiden anderen mutmaßlichen NSU-Terroristen Böhnhardt und Mundlos ("die beeden Uwes", sagt der Zwickauer Hausmeister), sind oft unterwegs, Fahrzeuge überführen, so ihre Legende.

Bierselige Runden an der Frühlingsstraße

Im Keller der Frühlingsstraße also bierselige Runden. Ein Bild von Adolf Hitler steht da auch. Zeuge K. sagt, das sei eine Erinnerung an seinen verstorbenen Bruder gewesen, "das einzige, was aus dessen Wohnung zu verwerten gewesen" sei. Über das Hitler-Bild wundert sich niemand. "Hat ja jeder gewusst, wer das ist." Da brauchte man also nicht drüber sprechen. Genauso wenig, wie über Politik geredet wurde. Waren die Anwesenden vielleicht ohnehin einer Meinung?

Im Laufe dieses denkwürdigen Prozesstages folgen dem Hausmeister vier weitere Zeugen - keine Nachbarn, sondern Urlaubsbekanntschaften des NSU-Trios von der Ostseeinsel Fehmarn. Anders als Hausmeister K. treten hier nacheinander vier klar denkende, differenzierende Menschen in den Zeugenstand, deren Erinnerungsvermögen teilweise extrem gut ist. Anders als etliche im NSU-Prozess aufgetretene Zeugen, die aus dem rechten Dunst- und Unterstützerkreis des NSU kamen, sind die vier Urlaubsbekanntschaften in der Lage, zu unterscheiden zwischen dem, was ihnen von Beate Zschäpe und ihren "beiden Uwes" vorgelogen wurde, und dem, was sie im November 2011 über die wahre Identität des NSU-Trios erfuhren und worüber sie noch heute entsetzt sind.

Segeln, surfen, Essen gehen

Zwei Ehepaare sagen also aus, die davon berichten, wie nett und hilfsbereit Lise (Beate Zschäpe), Max (Uwe Mundlos) und Gerry (Uwe Böhnhardt) als Campingplatz-Nachbarn gewesen seien, und wie man wochenlang jeden Tag miteinander verbrachte, ohne zu ahnen, wer diese drei tatsächlich waren. Segeln, surfen, Essen gehen - Urlaub mit den freundlichen Neonazis von nebenan.

Weitgehend übereinstimmend sagen die vier aus, dass "die Lise die Kasse hatte", also über die Finanzen verfügte. Max und Gerry hatten "maximal nen Zehner in der Tasche": das Geld stammte aus den Banküberfällen von Böhnhardt und Mundlos. Klar wird am 60. Verhandlungstag auch: Beate Zschäpe war beim Nationalsozialistischen Untergrund nicht das Hausmütterchen, das den Jungs die Wäsche gemacht hat. Sie wird von allen vier Zeugen als gleichberechtigter Teil der Gruppe beschrieben, das Verhältnis der drei NSU-Mitglieder untereinander war nach Darstellung der Zeugen ausgewogen.

Für Zschäpe und ihre Verteidiger kein guter Tag: Anwalt Stahl versucht deswegen, die Bedeutung der Zeugenaussagen herunterzuspielen: schließlich sei nur von der Urlaubskasse die Rede gewesen, nicht aber von der Tatbeute. Für die Nebenkläger ist die Gleichberechtigung des NSU-Trios offensichtlich, aber auch der hohe Organisationsgrad ihrer Tarnung: Erholung an der Ostsee, und dann ging es wieder zum Morden durch die Republik.


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