104. Verhandlungstag, 9.4.2014 "Ich war kein Heinz"
Die Welt der Geheimdienste – jedenfalls der deutschen – hat ziemlich wenig mit Szenarien à la James Bond zu tun. Und schon gar nicht gilt das für die Kasseler Außenstelle des hessischen Landesamtes für Verfassungsschutz (was man eigentlich schon am Namen erkennen kann).
09. April
Mittwoch, 09. April 2014
Das würde nicht weiter verwundern und auch nicht weiter auffallen, wenn nicht genau diese Geheimdienstdependance durch den NSU-Prozess derart ins Licht der Öffentlichkeit gezerrt würde, was die lichtscheuen Agenten ohnehin nicht mögen und schon gar nicht unter solchen Umständen. In Kassel aber ereignete sich der letzte Mord, den die NSU-Killer an einem Migranten verübt haben sollen. Und ein Mitarbeiter des dortigen Verfassungsschutzes war ausgerechnet zur Tatzeit am Tatort: Einem Internetcafé.
Andreas T. heißt der Mann, er war zwar heute nicht persönlich geladen, aber die Vernehmungen drehten sich dennoch über weite Strecken um ihn. Sein einstiger Dienststellenleiter musste in den Zeugenstand treten, und er machte dort, wie schon Andreas T. selbst, keine besonders glückliche Figur. Es gehört zwar zur Natur eines Agenten, dass er Dinge für sich behalten kann und muss, aber vor Gericht lügen darf auch ein Geheimdienstmann nicht. Er darf sich höchstens darauf berufen, dass er für bestimmte Dinge keine Aussagegenehmigung habe. Wenn das aber nicht zieht, dann muss er reden.
Frank-Ulrich F. versichert noch zu Anfang seiner Vernehmung im Brustton der Überzeugung, dass er keinerlei Telefonate geführt haben will mit Andreas T. nachdem dieser als Tatverdächtiger in dem Mordfall Yozgat verhaftet wurde. Selbst als Richter Götzl ihm die Mitschrift eines abgehörten Telefongesprächs in allen Einzelheiten vorliest, streitet er alles ab. Schließlich legen die Rechtsanwälte der Nebenkläger nach, präsentieren weitere Telefonmitschnitte, die es durchaus in sich haben. Das versichert der Dienststellenleiter z.B. seinem unter Mordverdacht stehenden Mitarbeiter, dass er ihn über Neuigkeiten aus den Ermittlungen auf dem Laufenden halten will. Es dauert fast eine Stunde bis sich der Zeuge doch eines Besseren besinnt und einräumt, dass er doch desöfteren mit Andreas T. telefoniert haben könnte oder wie er ausdrückt: "Ich vermute, dass ich mich erinnern kann."
Viel mehr bekommen auch die Nebenklagevertreter nicht aus ihm heraus, auch seinen Decknamen will er nicht verraten. Nur so viel: "Ich war kein Heinz." Ein James aber sicher auch nicht.