NSU-Prozess


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NSU-Prozess: Gerichtssaal-Protokoll 142. Verhandlungstag, 23.09.2014

Zunächst berichten Zeugen über die Vernehmung der ehemaligen Nachbarin des Trios, die in dem mutmaßlich von Beate Zschäpe in Brand gesteckten Haus in Zwickau gewohnt hatte. Danach sagt der ehemalige V-Mann Tino Brandt erneut aus.

Von: Gunnar Breske, Holger Schmidt, Eckhart Querner und Tim Aßmann

Stand: 23.09.2014 | Archiv

NSU Prozess Gerichtsprotokoll | Bild: BR

Anfangs wird ausführlich über die Vernehmung von Charlotte E., der ehemaligen Nachbarin des Trios in der Zwickauer Frühlingsstraße, gesprochen. Beate Zschäpe soll der Mordversuch an der alten Dame nachgewiesen werden, in dem sie die konspirative Wohnung in Brand gesteckt hatte. Zschäpe will die Frau durch Klingeln gewarnt haben. Die Frau ist nicht mehr aussagefähig. Auch die heute befragten Zeugen - ein Kriminalbeamter und ein Richter-, die die Frau damals befragt hatten, konnten nicht klären, ob sie gewarnt wurde. Danach wird abermals der ehemalige V-Mann Tino Brandt vernommen. Er beschreibt Uwe Böhnhardt als militärisch eingestellt, Uwe Mundlos als politisch orientiert und identifiziert Beate Zschäpe auf vielen Fotos von rechten Demonstrationen der 1990er Jahre.

Zeugen:
Stefan P. (Kriminalhauptmeister, Polizeidirektion Südwestsachsen)
Stefan N. (Richter, Vernehmung Charlotte E.)
Tino Brandt (Ex-V-Mann und Ex-Neonaziführer)

ARD-Reporter über das Geschehen im Gerichtssaal

(Gunnar Breske, MDR; Holger Schmidt, SWR; Eckhart Querner, BR)
Beginn 9.47 Uhr.
Zschäpe mit Pferdeschwanz, diesmal ohne Halstuch, aber mit langärmeligem Ringel-T-Shirt, Ohrringe.

Zeuge Stefan P., KHM, zu seiner Vernehmung der Zschäpe-Nachbarin Charlotte E. am 11. November 2011, eine Woche nach der Brandstiftung in der Frühlingsstraße, Zwickau. P. hatte auf Antrag von Zschäpes damaligem Verteidiger Charlotte E. als Entlastungszeugin vernommen.
Verwandte hat Frau E. in den Raum begleitet, sie lief am Gehstock und wurde geführt. Habe sie da zum ersten Mal gesehen und gedacht, dass sie in einem schlechten Gesundheitszustand war. Wir saßen am Tisch in der Stube, mir wurde ein Kaffee angeboten, war eine gute Vernehmungssituation. Ich erklärte, wie ich die Vernehmung durchführen wolle, ich würde ihr gesprochenes Wort in ein Diktiergerät sprechen, damit war sie einverstanden. E. war aus den Medien informiert, um wen es sich bei ihren Nachbarn gehandelt hat. Sie erzählte von sich aus, dass sie eine defekte Herzklappe hat, kaum noch raus kommt, schwerhörig ist.
Am Nachmittag gegen 14 Uhr habe es an ihrer Tür geklingelt, sie hatte Radio an, sah durch ihren Spion, da war niemand, fragte über Hörer, ob jemand unten ist, da war niemand. Sah dann aus dem Badfenster auf die Straße, da war niemand. Ging dann zurück in die Küche, nahm Brandgeruch war, von diesem Moment an war sie verwirrt, konnte das nicht einordnen. Machte Fenster auf um Durchzug zu schaffen. Am Fenster sprach sie ihre Nichte von der Straße aus an, sie solle rausgehen. Durch ihre Nichte wurde sie in Sicherheit gebracht.
Die Männer habe sie kaum gesehen, Zschäpe habe sie oft beim Wäsche aufhängen beobachten können. Habe mit keinem je ein Wort gewechselt. In der Woche, wo es gebrannt hat, hat sie ihre Nachbarin nicht gesehen. Fahrzeuge oder besondere Kleidung habe sie nicht wahrgenommen. Sie wäre nicht besonders neugierig.
Konnte mir in der Vernehmung folgen. Ich weiß ja nun, dass sie dement ist, den Eindruck hatte ich nicht.

Richter Manfred Götzl: Geräusche wahrgenommen?
P: Keine Wahrnehmungen. Hatte sie gefragt, ob sie das Telefon gehört hat, das hat sie verneint.
G: Geräte an in der Wohnung?
P: Hatte Radio an, sie sagte Nachmittags gegen 14 Uhr, sie sagte, gut, dass es nicht später war, weil gegen 15.30 Uhr ihre Verwandten (Nichten) zum Kaffeeklatsch gekommen wären.
G: Zeitliche Abfolge?
P: 15 Minuten zwischen Klingeln und Bemerken Rauch in Küche - 4 min vom Klingeln bis sie an der Tür war.

Wortgefecht zwischen RA Wolfgang Heer (Verteidigung Zschäpe) und Götzl.
Heer beanstandet, G. halte sich nicht an Vernehmungsvorschriften - es folgt ein gegenseitiges ins Wortfallen, wobei G. Heer ermahnt, ihm nicht ins Wort zu fallen.

P: Nichte Monika M. von gegenüber und ein Mann, ich meine aus anderen Ermittlungen zu wissen, dass es sich um einen der Bauarbeiter handelte, geleiteten E. aus dem Haus. Sie sah erst von der Wohnung der Nichte aus, welches Ausmaß der Brand hatte.

(Eckhart Querner, BR; Gunnar Breske, MDR)
Beginn 9.47 Uhr, weiter mit Zeuge P.:
G: Wer war als Mieter in der Frühlingsstr. 26 eingetragen?
P: Müssten Sie mir aus Protokoll vorhalten.
G: Matthias D.

RA Wolfgang Stahl (Verteidigung Zschäpe)zitiert aus Vernehmung des Zeugen K., der in der Frühlingsstraße 26 die Bewohner der nicht zerstörten linken Gebäudehälfte versucht hat, über die Explosion zu informieren. Klingelte überall.
P. erinnert sich nicht an diese Vernehmung vom 7.11.2011. Evtl. habe er sie auch selbst vorgenommen.
Stahl: Sie sagten, dass der Verteidiger von Zschäpe, den Antrag gestellt habe, E. als Entlastungszeugin zu vernehmen. Was wissen sie dazu?
P: Mir ist bekannt geworden, dass der damalige Verteidiger von Frau Zschäpe bei der Vorführung beim Haftrichter in Zwickau den Antrag gestellt hat, Frau E. zu befragen.
S: Es gab den Antrag des Verteidigers - ist denn bei der Polizeidirektion Südwestsachsen niemand von sich aus auf den Gedanken gekommen, Frau E. zu vernehmen?
P. überlegt: Das ist schon eine heftige Frage, hatten Ermittlungsaufträge, mehr kann ich dazu nicht sagen.
S: Wissen Sie, ob dem Verteidiger von Zschäpe damals mitgeteilt wurde, dass der Bauarbeiter K. angeblich bei Frau E. geklingelt haben soll.
P: Weiß ich nicht.
S: Als Sie E. vernommen hatten, haben Sie eine Bewertung ihrer Ermittlungsergebnisse vorgenommen?
P: Ich habe für mich den Schluss gezogen, dass Frau Zschäpe bei Frau E. geklingelt haben muss, um sie zu warnen. Alles andere ergibt keinen Sinn. Demgegenüber steht die objektive Aussage von E., dass sie niemanden gesehen hat, der geklingelt hat.

Stahl lässt handschriftlichen Vermerk auf Vernehmungsprotokoll auflegen - P. kommt zur Richterbank.

P: Ja, ist meine Handschrift.
P: Wenn mir Vernehmung des Zeugen K. bekannt war, werde ich das (vier Tage später) mit auf den Weg (zur Befragung von Frau E.) genommen haben.
S: Hat Herr K. geklingelt, kurz bevor E. die Wohnung verlassen hat?

Beanstandung des Vorhalts durch RA Sebastian Scharmer (Nebenklage-Anwalt von Gamze Kubasik, Tochter des ermordeten Mehmet Kubasik). Götzl sagt: zu Recht!
Stahl: Ich bin halt nicht so helle. Warum "zu Recht"? Das ärgert mich jetzt ungeheuerlich.
P. wird gebeten, kurz rauszugehen.
Stahl: Das ist ja hier keine Kinderspielplatzbefragung. Es geht hier um eine ganz entscheidende Frage: die des versuchten Mordes. Stahl verlangt Pause, damit er wieder in seine Fragen hineinkomme. 15 Minuten Unterbrechung.

(Holger Schmidt, SWR; Eckhart Querner, BR; Gunnar Breske, MDR)
11.45 Uhr.
RA Eberhard Reinecke (Nebenklage-Anwalt der Opfer des Anschlags in der Kölner Keupstraße): Sie haben Gespräch mit RA L. (Zschäpes damaligen Rechtsanwalt) geführt?
P: Kann ich mich nicht daran erinnern.
R: Erinnern Sie sich, dass Oberstaatsanwalt (OStA) I. mit dem RA L. nach Verkündung des Haftbefehls unterhalten hat?
RA Herbert Hedrich (Verteidigung des Angeklagten André E.) beanstandet, da Nebenklagevertreter keine Berechtigung zur Frage hat.
R: Es geht um die Frage der Mittäterschaft, insofern uneingeschränkt zulässig.
H: Mittäterschaft post mortem geht ja wohl nicht, es gab das so genannte "Trio" nicht mehr.
Anette Greger (Vertretung Bundesanwaltschaft): Nebenkläger sind berechtigt, diese Fragen zu stellen.
Götzl lässt die Frage zu.
R: Erinnern Sie sich, dass OStA I. mit dem RA L. nach Verkündung des Haftbefehls unterhalten hat?
P: Daran habe ich keine Erinnerung.
Ende Vernehmung P., 11.33 Uhr.

Zeuge Stefan N., 58, Richter - Aussagegenehmigung vom 03.06.14.
Vernehmung der Frau E. am 16.05.2014 in Zwickau.
Mir lag das Ersuchen des Oberlandesgerichts (OLG) vor, Liste der Prozessbeteiligen, Zeugenvernehmung der Frau E. War am Vortag im Pflegeheim St. Barbara, hatte mir das angeschaut.
Am nächsten Tag war Zimmer vorbereitet, war eine Stunde vorher da, habe mich bei der Heimleiterin erkundigt, wie Frau E. "drauf war", bekam gesagt: gut.
Erschienen waren nur Frau Sturm (Verteidigung Zschäpe), Herr Stahl und Herr Heer. Wir haben eine Zeit lang gewartet, kamen keine weiteren Beteiligten, auch die nicht, die ihr Kommen zugesagt haben. Haben das akademische Viertel gewartet. Haben die Heimleiterin gefragt, ob sie als Vertrauensperson da bleiben würde, wurde im Rollstuhl vorgefahren. Naja, ich sag' mal so, sie machte einen - hinfällig kann man schlecht sagen - aber sie machte einen (bringt den Satz nicht zu Ende). Kam im Rollstuhl.

Sie war ansprechbar, sie verstand, was man sagte. Ich hab' sie belehrt über Zeugenpflichten. Klar war, dass man die Aussagefähigkeiten nicht durch Formalien strapazieren wollte. Sie meinte, sie sei wohl 80. Ich hab Zweifel angemeldet. Hat dann korrigiert: wohl um die 90. Dann stellte sich heraus, dass sich Frau E. nur gering zeitlich und räumlich orientieren könne. Sei in den Westen gegangen und dann wieder gekommen. Wohnte in Frühlingsstraße. Sei kein großes Haus gewesen. In welchem Stock sie gewohnt habe, konnte sie nicht sagen. Meine Frage: Warum ist sie dort ausgezogen? Antwort: sie sei nicht mehr zurechtgekommen. Hat es äußere Umstände, ein Unglück gegeben? Nein. Konnte sie laufend das Haus verlassen? Ja, sie habe einen Stock dabei gehabt, sei die Treppe hinuntergegangen, in den Garten gegangen.
Gab es junge Leute im Haus? Ja.
Hat da mal ne junge Frau Wäsche aufgehängt? Da hat sie sich nicht festgelegt. Junge Männer hat sie gar nicht gesehen. Habe ihr Fotos aus Lichtbildmappe angesehen und gemeint, sie kenne gar niemanden. Foto Zschäpe gezeigt. Antwort E.: die kenne ich auch nicht. Dann Pause gemacht. Es ging dann weiter. Hab‘ versucht, andere Dinge anzusprechen, z. B. ihren Auszug. Zusammenhang mit Explosion. Sie war wohl bei einem Neffen in Königswalde untergekommen. E.: Da hab ich wohl mal gewohnt. - Es war unklar, ob sie sich erinnern würde.
Danach hat der junge Anwalt, erinnere mich nicht an seinen Namen, geschickt Fragen gestellt. Hat aber auch nichts herausbekommen. Konzentration von Frau E. ließ nach. Nach knapper Stunde haben wir Vernehmung abgebrochen.
Zum Eindruck: Frau E. hat sich sichtlich bemüht, sich große Mühe gegeben, aber ich hatte den Eindruck, dass sie nicht mehr so recht weiß, worum es eigentlich geht.
Ich weiß nicht, ob ich gefragt habe, ob mal jemand geklingelt habe. Das spielte wohl eine wichtige Rolle. Wusste sie aber nicht mehr. An Vernehmung (durch P.) erinnerte sie sich, aber nicht an Details.
Götzl: Zur Niederlegung im Protokoll.
N: Wir hatten eine ganz gute Protokollantin. Im Protokoll war alles drin. Ich hab das unterschrieben. Es gab auch keine Anträge auf Protokollkorrektur.
G: Wie Ablauf der Protokollierung?
N: Viel hat E. von selber nicht erzählt. War ein Frage-Antwort-Spiel. Man musste ihr fast alles vorhalten. In ihrem Zustand war das normal.
G: Vereidigt?
N: Nein, habe auch keinen Grund gesehen, sie würde das eh nicht verstehen.
G: Hat sich Frau E. zum Stadtteil geäußert?
N: Ich denke Weißenborn, bin mir nicht ganz sicher.
G: Hat sie ihren Geburtsnamen gewusst?
N: Kann ich nicht sagen.
G: Zusammenhängender Bericht wurde nicht eingeholt?
N: Dazu war sie nicht in der Lage nach einem Eindruck.

(Tim Aßmann, BR)
Weiter um 14.34 Uhr mit dem Zeugen Stefan N.:
Heer: Als Sie die Vernehmung vorbereitet haben, haben sie darüber nachgedacht, ob überhaupt sinnvoll?
N: Darüber nachgedacht, aber das steht mir ja nicht zu. Wenn ich darum gebeten werde, mach‘ ich das. Ich kenn ja das Verfahren nicht. Das war eigentlich mein Problem.
H: Nicht sinnvoller. ob Richter aus diesem Senat vernimmt?
N: Wäre sinnvoll gewesen, es wäre jemand nach Zwickau gekommen, der das Verfahren kennt.
H: Mit Heimleiterin unterhalten?
N: Sie hat gesagt, E. ist gut drauf. Habe mit anderen gegessen und gesprochen. Man könne mit ihr reden.

(Tim Aßmann, BR)
Weiter um 14.50 Uhr mit Zeuge Tino Brandt (Bluejeans, dunkelgrauer Schlabberpulli, kurze Haare) - er ist zum zweiten Mal zum Prozess in München. Es ist sein dritter Vernehmungstag.
Brandt (aus U-Haft vorgeführt) kommt in Begleitung von zwei Polizisten, die auch mit nach vorne gehen, als ihm nun am Richtertisch Fotos gezeigt werden. Das erste ist ein Schwarz-Weiß-Bild, das eine Gruppe mit Fahne auf einer Demonstration zeigt.
Brandt: Das war auf einem Gedenkmarsch. Ich denke hinten rechts, im Hintergrund, ist Beate zu sehen.
Auch auf weiterem Bild erkennt er Zschäpe, weiß aber nicht mehr, wo das war: "Wir waren früher fast jedes Wochenende auf einer Demonstration."
Er erkennt eine sehr junge Beate Zschäpe auf weiterem Bild: "Müsste Rudolf-Heß-Gedenkmarsch in Worms gewesen sein". Von dort auch weiteres Bild mit ihm, Zschäpe, Holger Apfel, Wohlleben.
Brandt kann nun wieder Platz nehmen.
Götzl hält aus alter Brandt-Vernehmung vor: Böhnhardt war militärisch orientiert, das stand bei ihm immer im Vordergrund.
G: Was haben sie damit gemeint?
B: Uwe Mundlos war eben politisch mehr orientiert.
G: Was meinen sie mit militärisch.
B: Hab da nix Besonderes gemeint. Da interpretieren sie möglicherweise mehr rein als da ist.
G: Nein. Ich frage nur, was sie damals gemeint haben.
B: Kann ich ihnen heute nicht mehr sagen. Bei den einen stand halt Politik mehr im Vordergrund und bei ihm nicht.
G: Sondern?
B: Diese militärische Geschichte. Mehr Uniform und ähnliches. Stahlkappenschuhe, Bomberjacke, die Richtung Uniformierung.
G: Vorhalt: Zschäpe war nicht dumm, immer dabei, sehr interessiert, nicht im Hintergrund, politisch immer mitgeredet, lehnte Klischees wie Kleidung, Frisur ab.
B: Hat nicht Klischee eines Skinhead-Mädchens entsprochen.
G: Nach Enttarnung noch Kontakt zu Wohlleben?
B: Kontakt nach Jena eigentlich komplett abgerissen nach Enttarnung 2001. Wohlleben zwar noch ein-, zweimal gesehen, Verhältnis aber total gestört, keine Basis für Gespräche mehr, hatte sich einfach erledigt.
G: Haben sie mal versucht, ihm Versicherung zu verkaufen?
B: Kann sein. Ist nicht ausgeschlossen.
G: Noch Kontakt zu Herrn André K.?
B: Nein.
G: Vorhalt: Wenn der mich gesehen hat, hat er gleich gebrüllt, ich sei ein Verräter.
B: Hab ihn ein-, zweimal aus der Ferne gesehen und das hat nicht unbedingt das Bedürfnis hervorgerufen, näher mit ihm zusammen gekommen.
G: Ging‘s mal darum wo die Drei sind?
B: Mal irgendwas aufgeschnappt, sie seien auf Kreta, aber hat mich nicht weiter interessiert. War danach (nach seiner Enttarnung) und davor hat das keine Rolle gespielt.
G. fragt später nach „Blood & Honour“-Leuten.
B: Habe schlechtes Namensgedächtnis (Lachen).
B: Sie schütteln mit dem Kopf, aber so ist das. Da hat sich der Verfassungsschutz auch schon drüber beschwert (Lachen).
Stahl: Vorhalt: Schäfer-Kommission, Charakterisierung Zschäpes. Waren die Angaben wahrheitsgemäß?
B: Denke schon.
S: Was heißt das?
B: Ich denke nicht, dass da was gelogen war.
S: So richtig sicher scheinen sie sich nicht zu sein.
B: Weiß viele Sachen nicht mehr so genau.
S. Woran machen Sie fest, Zschäpe habe sich nicht im Hintergrund gehalten.
B: War mein Eindruck, kann das nicht mehr festmachen. Ist zu lange her. So hab' ich das in Erinnerung.
S: Bei ihrer letzten Vernehmung hier, haben sie Zschäpe eher als ruhig und zurückhaltend beschrieben. Sie stand nie im Vordergrund.
S: Das beißt sich mit dem, was sie bei Schäfer-Kommission gesagt haben.
B: Das weiß ich nicht mehr, kann ich ihnen nichts zu sagen.
S: Sie müssen das an irgendwas festmachen.
B: Bei politischen Schulungen stand sie nicht im Vordergrund. Hat nie Reden gehalten oder Ähnliches. Im Vordergrund stand sie nie.
S: Vorhalt: Sie hat sich auch nicht im Hintergrund gehalten.
S: Wie gemeint?
B: Mauerblümchen war sie auch nicht. Saß nicht nur da und hat gar nichts gemacht.
S: V-Mann: Haben Sie Beamten immer wahrheitsgemäß alles gesagt?
B: Die haben weniger gefragt. Man hat da erzählt, was da so passiert ist. Aber zu allem und Ausführlich ist da nie geredet worden.
S: Herr Brandt, was haben sie geantwortet, wenn sie auf Verfassungsschutz (VS) angesprochen wurden? War das die Wahrheit?
B: Logischerweise nicht.
B: Hatten Vereinbarung, dass Straftaten das Landesamt nichts angehen.
S: Auch Dinge verschwiegen?
B: Also alles ist denen nicht immer gesagt worden, aber wenn ich was gesagt habe, dann immer wahrheitsgemäß.
S: Warum überhaupt V-Mann?
B: Hat sich 1994 leider so entwickelt gehabt. Landesamt trat an mich heran. Mit dem Geld ging die Politik viel weiter und irgendwann war man gefangen. Hat sich ergeben. Sind wegen Interview an mich heran getreten, dafür gab es Geld und dadurch hat sich das entwickelt.
B: Aus heutiger Sicht fühle ich mich durch Landesamt für Verfassungsschutz missbraucht. War mit Sicherheit der falsche Weg. Weiß nicht, wie ich mich sonst politisch entwickelt hätte.
S: Weichen Wie bitte nicht aus. Wo fühlten Sie sich damals zugehörig?
B: Zur rechten Szene.
S: Das hat sie aber nicht abgehalten, für VS zu arbeiten?
B: Bin davon ausgegangen, dass die Informationen nicht problematisch sind.
S: VS nach Unproblematischem nicht gefragt?
B: Gab damals bei uns nichts Unproblematisches. Was hätt‘ ich denen denn berichten sollen?
S: Das müssen sie am besten wissen.
B: Wir waren eine junge patriotische Gruppe. War ja nicht so, dass wir mit Bomben durch die Gegend gezogen sind und Rathäuser zum Einsturz gebracht haben.
S: Der VS hat sich nicht für Straftaten interessiert?
B: Hat es nicht. Haben am Anfang gesagt, sie sind kein Polizeiorgan. Interessiert sie nicht.
S: Sie wurden nicht nach Straftaten gefragt? Ist das so?
B: Soweit ich mich erinnere, ja.
RA Olaf Klemke (Verteidigung des Angeklagten Ralf Wohlleben): Sie hatten geschildert, "Thüringer Heimatschutz" (THS) habe sich aus "Anti-Antifa Ostthüringen" entwickelt?
B: Ja.
K: Was hat die denn so gemacht?
B: Politischen Gegner aufklären, politische Arbeit gemacht, Begriff Ostthüringen war dann viel zu klein und deshalb haben wir uns umbenannt.
K: Adressen von politischen Gegnern gesammelt. Zu welchem Zweck?
B: Hatten damals starke Antifa-Bewegung in Saalfeld. Angriffe auf Leute von uns. Wurden Plakate runtergerissen. Und damit wir gleich Anzeige erstatten können, sind die Adressen gesammelt worden.
K: Plakate?
B: DVU und Ähnliches.
K: Sollten die Informationen auch anderen Zwecken dienen?
B: Nein.
K. hält vor: Brandt über Carsten S.: Habe sich gut entwickelt, Führungskraft gewesen, konnte selbstständig handeln und entscheiden.
B: Hat Veranstaltungen für JN selber organisiert und da auch geredet. Daran hab ich das festgemacht. Weiß das heut nicht mehr so genau. Hab an einigen Veranstaltungen teilgenommen, aber nicht an allen.

(Gunnar Breske, MDR)
16.00 Uhr.
Brandt erscheint mit dichtem, rotblonden Bart - Götzl beginnt sofort mit Lichtbildvorlage.
1. Einzelnes Bild, nicht in Akte oder kopiert.
B: Neuhaus könnte es sein.
G: Erkennen Sie jemanden?
B: Hinten Beate. 2. Niemanden. 3. André K., Beate. 4. Jens P.? Und Beate. 5. Rudolf-Heß-Gedenkmarsch Worms. Mundlos, ich, Beate.
G: Welches Jahr?
B: Weiß nicht. 6: Kenn‘ ich nicht. 7. Hinten ist Apfel (Holger, ehemaliger NPD-Parteivorsitzender und jetziger Inhaber einer Sangria-Bar auf Mallorca), vorn wieder Mundlos, ich, Beate - war auch in Worms.
G: Sie sind bei der Schäfer-Kommission angehört worden?
B: Ja.

Fragen Klemke: Vorhalt: Mundlos sei für Ideale der NSDAP eingetreten? Welche Ideale?
B: Gemeinnutz vor Eigennutz.
K: Wie ist er dafür eingetreten?
B: Kann ich nicht mehr sagen.
K: Carsten S.? - Vorhalt: Hat sich selbsttätig gezeigt, selbstständig gehandelt, hat sich gut entwickelt.
B: Hat JN Landesverband geleitet, daran habe ich das fest gemacht.
K: Waren das viele Veranstaltungen der JN?
B: Ja, aber ich war nicht auf allen, war ja kein Mitglied.
K: V-Mann-Tätigkeit - Gedanken gemacht, dass sie ihren Freunden damit geschadet haben, abgesehen von strafrechtlichen Verfahren?
B: Auf Demos hatte das kaum Auswirkungen.
K: D. ist vernommen worden, er wusste davon nichts. Er kam selbst drauf, als er ihren PC repariert habe.
B: Ich habe ihn angerufen.
K: Wie hat D. reagiert?
B: Das sei meine Entscheidung.
K: Sie waren Bauernopfer eines internen Streits?
B: Roewer (Thüringens Ex-Verfassungsschutz-Präsident) hatte mich abgeschaltet, sein Nachfolger hatte mich wieder aktiviert, das mochten die Anhänger von Roewer nicht.
K: Mal mit Wohlleben über seine politischen Ansichten gesprochen?
B: Also ein Einzelgespräch haben wir nicht geführt.
K: Mit Wohlleben über Anwendung von Gewalt diskutiert?
B: Nein, also wir wollten politisch handeln, wollten Abgeordnete werden, habe Wohlleben nie gewalttätig erlebt.
K: Verhältnis Wohlleben zu "Trio"?
B: Also alle Jenaer waren kameradschaftlich, befreundet - das war eine Gruppe.
K: Haben viel Geld bekommen, fiel das mal auf?
B: Sagte, mein Vater habe eine gut gehende Versicherungskanzlei, und bei Verlag Europa würde ich viel verdienen.
K: Haben ja bestimmt Berichterstattung verfolgt.
B: Das zum Thüringer U-Ausschuss habe ich immer gelesen.
K: „THS“ zu Hammerskins?
B: Thüringen war nur Gera, wo es Hammerskins gab, man war mit den unterschiedlichen Gruppen nicht verfeindet. War ein nebeneinander der Gruppen.
K: Zusammenarbeit?
B: Mag einige personelle Überschneidungen gegeben haben.
K: Ist Geld vom VS über sie an die NPD gegangen?
B: In Jena habe ich oft Strafbefehle für André K. bezahlt. In Rudolstadt und Saalfeld habe ich Mitgliedsbeiträge bezahlt. In Jena nicht.
K: Warum?
B: Um Stimmgewichte zu haben - auf Landesebene.

(Eckhart Querner, BR)
Klemke: Hat Wohlleben viel Zeit in politische Arbeit gesteckt?
B: Könnte ich heute nicht sagen.
K: Ist Ihnen in Zusammenhang mit Flucht des Trios ein mögliches Interview bekannt?
B: Der "Stern" hat angeblich mal Geld geboten. An mich war da nichts herangetragen worden.
K: Wie meinen Sie das?
B: Wenn Interviews waren, hab‘ ich die gemacht. Ob das Trio gemeint war - ich hatte keinen Kontakt zum "Stern". Der hat angeblich mal Geld geboten.
K: Welche Beträge?
B: Weiß ich nicht.
K. zitiert aus Verfassungsschutz-Bericht: Jena-Aktivist Wohlleben, B., K. und Brandt sei von Berliner "Stern"-Journalisten kontaktiert worden. Habe 50.000 DM geboten. Wohlleben habe um Zeit gebeten.
B: Kann sein.
K: Keine Erinnerung?
B: Muss ich passen. War nicht wichtig für mich.
K: Anmerkung von Quelle (Sie, Tino Brandt). B. und Wohlleben hätten dazu tendiert, K. hätte das als politisch unsicher abgelehnt.
B: Keine Erinnerung.
RA Nicole Schneiders (Verteidigung Wohlleben) zu Sonneberg.
B: Ich hatte gute Kontakte dorthin.
S: Wie waren Wohllebens Kontakte nach Sonneberg?
B: Hauptsächlich hatte ich die Kontakte. Die Sonneberger hatten eigentlich keine Kontakte nach Jena.
Verteidiger des Angeklagten André E.: Hatten Sie Skrupel, mit Verfassungsschutz zusammenzuarbeiten?
B: Man hat sich immer unwohl gefühlt, mit Verfassungsschutzschutz zusammenzuarbeiten.
V: In Bezug auf Ihre Kameraden?
B: Das war mit Sicherheit ein Ärgernis.
V: Haben Sie von sich aus mal daran gedacht, Zusammenarbeit zu beenden?
B: Überlegungen waren öfters da.
B: Ich durfte mich nicht vor Gericht und bei der Polizei offenbaren, dass ich für den Verfassungsschutz arbeite.
Stahl zu D.: Was ist ein Führungskamerad?
B: D. kam aus Franken. War regelmäßig in Thüringen. War für uns Ansprechpartner.
Stahl: Wer waren Ihre Freunde nach der Enttarnung, mit denen Sie darüber gesprochen haben, warum trotz Verjährung das Trio nicht aus der Versenkung auftaucht?
B: S., Sven B. Freundeskreis hat sich komplett geändert.
Stahl: Bei welcher Gelegenheit war das?
B: In Rudolstadt, in irgendeiner Gaststätte beim Biertrinken.

16.34 Uhr, Ende für heute.

Hinweis

Diese Texte sind eine Auswahl der Mitschriften der Reporter der ARD und des BR während der zentralen Verhandlungstage im sogenannten "NSU-Prozess", eines beispiellosen Verfahrens der deutschen Rechtsgeschichte. Wir dokumentieren diesen "Originalton", weil es in der deutschen Praxis des Strafprozessrechts, selbst bei derartig wichtigen Verfahren, kein offizielles und umfassendes Gerichtsprotokoll gibt. Wir erfüllen damit unsere Informationspflicht, um allen, die keinen der begehrten Sitzplätze im Gerichtssaal erhalten haben, einen - durchaus auch subjektiven - Eindruck der Prozessereignisse zu vermitteln. Die Zusammenfassungen der sogenannten "Saalinfos" unserer Reporter sind redaktionell bearbeitet, zum Teil gekürzt. Es wird kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben und es kann natürlich auch keine Gewähr für die Richtigkeit jedes einzelnen Wortes gegeben werden. Die Redaktion distanziert sich ausdrücklich von den Inhalten der Aussagen der Prozessteilnehmer.


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