NSU-Prozess


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158. Verhandlungstag, 12.11.2014 Zwei ganz unterschiedliche Zeugen

Der eine, ein Kommissar des BKA, hatte sogar die Telefonnummern aus den Ermittlungsakten auswendig gelernt, der andere, in den Neunziger Jahren eine Größe der oberfränkischen Neonazi-Szene, schwadronierte munter drauf los.

Von: Christoph Arnowski

Stand: 12.11.2014 | Archiv

Christoph Arnowski | Bild: Bayerischer Rundfunk

12 November

Mittwoch, 12. November 2014

Hat ein sächsischer Neonazi Kontakt zum untergetauchten NSU-Trio gehabt und dieses unterstützt? Ersteres ist für den BKA-Kommissar offensichtlich, bei den Unterstützungshandlungen ist er vorsichtiger. Doch der Wert seiner Aussage ist - wie so oft in diesem Prozess - umstritten. Die Verteidiger von Zschäpe und Wohlleben beanstanden, dass der Kommissar nicht seine eigenen Erinnerungen vortrage, sondern die gesammelten Erkenntnisse aus den BKA-Ermittlungen.

Zeuge war führender Kopf der Neonazis in Oberfranken

Auch der zweite Zeuge des Tages sorgt am Nachmittag immer wieder für Diskussionen. Kai D. war von 1987 bis 1998 Mitarbeiter des bayerischen Verfassungsschutzes und zugleich führender Kopf der Neonazis in Oberfranken. Und er hatte nach eigenen Angaben in den neunziger Jahren viel Kontakt mit Tino Brandt, dem Chef des Thüringer Heimatschutzes THS. Anfangs, so berichtet D. habe er mit Brandt gut zusammengearbeitet. Einmal pro Woche habe er sich mit ihm in Thüringen zur "politischen Arbeit" getroffen. Mitte der 90ziger Jahre sei es aber zum Bruch  gekommen. D. macht dafür zwei Dinge verantwortlich. Zum einen habe sich der THS "radikalisiert und militarisiert". Zum anderen habe Brandt ohne Absprache in Bayern politisch aktiv werden wollen. Beides sei nicht in seinem Sinne gewesen, betonte D. mehrfach.

Konkrete Erinnerungen fehlen

Die beherrschende Frage der Vernehmung: Was meint der Zeuge mit "Radikalisierung und Militarisierung" des THS? Kai D. nannte zwei Beispiele.  Nach einem Kameradschaftsabend mit einem Kasten Bier auf offener Straße hätten Brandt und etwa weitere 15 Gefolgsleute ein zufällig vorbeifahrenden Polizeiwagen mit vollen Bierflaschen beworfen. Und: Einmal sei er von THS-Mitgliedern gefragt worden, ob er zum Schießen mitkomme. In Vernehmungen  beim BKA zuvor  hatte D. auch von "einem militärischen Arm" und "Schießübungen" gesprochen. Aussagen, die den THS und damit auch die Angeklagten Ralf  und Beate Zschäpe natürlich belasten, schließlich gehörten auch sie zu der Thüringer Neonazi-Organisation. Die Verteidiger versuchten diese Aussagen natürlich in Zweifel zu ziehen. Konkrete Erinnerungen, wer wann was genau gesagt und getan habe, hatte Kai D. tatsächlich nicht.

Zschäpe-Verteidigerin: Das sind Spekulationen

Stattdessen blieb er oft sehr allgemein, bis Zschäpes Verteidigerin Anja Sturm der Kragen platzte: "Das sind alles nur Spekulationen, die der Zeuge vorträgt", und sich an den Vorsitzenden Richter Manfred Götzl wandte: "Ich bewundere Ihre Geduld". Ironisch verpackte Kritik an dessen Verhandlungsführung, die Götzl mit Sarkasmus konterte: "Sie wollen jetzt also die Antworten des Zeugen beanstanden." Viel Gelächter daraufhin im Saal, ehe es wieder ernst weiter ging.

Bayerischer Verfassungsschutz war informiert

Festzuhalten bleibt davon: D. ist sich sicher, dass einmal, wahrscheinlich im Zeitraum zwischen 1993 und 1995 im Stammlokal des Thüringer Heimatschutzes darüber diskutiert worden sei, ob man in den bewaffneten Untergrund gehen solle. Über dies alles will der ehemalige V-Mann übrigens damals den Bayerischen Verfassungsschutz informiert haben.


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