168. Verhandlungstag, 09.12.2014 Schämen und langweilen
Aktenzeichen, Asservate, daktyloskopische Gutachten - der 168. Verhandlungstag, ein langweiliger NSU-Prozesstag. Aber auch einer zum Selbstschämen für die Medien - auch ihr jahrelanges Versagen wurde durch das Verlesen damaliger Schlagzeilen zu den Morden überdeutlich.
09. Dezember
Dienstag, 09. Dezember 2014
"Raubüberfall oder Mafiamord?"
Schlagzeile zu einem der NSU-Morde
"Auftragskiller richtet das 9. Opfer hin."
Schlagzeile zu einem der NSU-Morde
"War es eine Abrechnung der Mafia?"
Schlagzeile zu einem der NSU-Morde
Schlagzeilen wie diese prägten jahrelang die Berichterstattung über die Opfer der NSU-Mordserie. Heute wurden viele dieser Schlagzeilen im NSU-Prozess verlesen. Eigentlich ging es dabei darum, Spuren, die in der Zwickauer Wohnung von Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe gefunden wurden, in die Verhandlung einzuführen. Doch quasi nebenbei wurde damit noch einmal dokumentiert, wie sehr sowohl die Ermittlungsbehörden als auch wir Medien in der NSU-Affäre jahrelang versagt haben. Ein Prozesstag zum Fremd- und Selbstschämen sozusagen.
Mafia, Auftragskiller, Drogen, organisierte Kriminalität - die Behörden ermittelten fast ausschließlich in diese Richtung und wir Journalisten berichteten brav, ohne kritisch nachzufragen. Immerhin: Eine einzige der heute vorgelesenen Artikelüberschriften wies in die richtige Richtung, eine einzige aus weit über 60: "Auch ein politisches Motiv möglich".
Wie kam der NSU an regionale Artikel über die Morde?
Die heute verlesenen Schlagzeilen verdeutlichen aber noch etwas anderes: Die mutmaßlichen Täter Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe waren gut informiert über die Berichterstattung über ihre Taten. Denn die über 60 Artikel, die die Ermittler aus der Wohnung der drei in der Zwickauer Frühlingsstraße bergen konnten, stammen nicht aus überregionalen Blättern, die man mühelos in jeder Bahnhofsbuchhandlung bekommt, sondern vor allem aus Lokalzeitungen, wie dem "Express" und dem "Stadtanzeiger" aus Köln, oder den regionalen Boulevardblättern "Abendzeitung" und "tz" aus München. Womit sich einmal mehr die Frage stellt: Wie kamen die drei an diese Artikel? Waren sie tatsächlich anschließend noch tage-, wenn nicht wochenlang in Tatortnähe, um Material für ihr Archiv zu sammeln? Oder hatten sie doch Helfer in den Städten, in denen sie mordeten?
Zschäpes Fingerabdrücke auf Zeitungsausschnitten
Und zu guter Letzt könnten diese Zeitungsartikel für den Prozess durchaus entscheidend sein. Denn auf zwei von ihnen finden sich Fingerabdrücke von Beate Zschäpe. Womit die Hauptangeklagte nur noch schwerlich behaupten kann, sie habe von den Morden und Anschlägen nichts gewusst.
Ein spannender Prozesstag also? Ehrlich gesagt: Nein. Denn vor allem wurden heute endlose Ziffern- und Buchstabenfolgen verlesen: Aktenzeichen und Asservatennummerierungen. Dazu Spurenberichte, daktyloskopische Gutachten (Fingerabdrucksanalysen) usw. Wichtig (siehe oben), aber leider auch ziemlich langweilig.