NSU-Prozess


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176. Verhandlungstag, 21.01.2015 Der Wunsch nach vorne zu schauen

Die Zeugenaussagen verlangen den Opfern aus der Keupstraße viel ab. Einige hoffen nun mit dem Anschlag „abschließen“ zu können. Es wäre ihnen zu wünschen.

Von: Tim Aßmann

Stand: 21.01.2015 | Archiv

Tim Aßmann | Bild: BR

21 Januar

Mittwoch, 21. Januar 2015

"Ich bin erleichtert. Glücklich! Jetzt ist alles weg". Sandro D`Alauro ist diese Erleichterung auch anzusehen. Er wurde durch die Nagelbombe in der Keupstraße schwer verletzt, leidet bis heute unter den gesundheitlichen und vor Allem den seelischen Narben. Nachdem er 2011 erfuhr, dass der NSU hinter dem Anschlag steckte, bekam er Angstzustände. Der Gang in den Gerichtssaal war schwer für ihn. Ein "Mix der Gefühle" seien die knapp elf Jahre seit jenem 9. Juni 2004 gewesen, erzählt Sandro D´Alauro. Er spricht von Wut, Verzweiflung, Angst, Aggression, Depression und am Ende: Erleichterung. "Ich hoffe, dass jetzt alles gut wird", sagte er nun, einen Tag nach seiner Aussage und zur Ruhe gekommen. Diesen Satz würden sicher die Meisten der anderen Keupstraßen-Opfer unterschreiben.

"Eine große Befreiung"

Abdullah Özkan war damals in dem Friseursalon vor dem das Fahrrad mit dem getarnten Sprengsatz stand. Auch er wurde verletzt und ihm ist bewusst, dass es noch wesentlich schlimmer hätte kommen können. Seinen "zweiten Geburtstag" nennt Özkan den 9. Juni 2004. Seine Zeugenaussage heute war schwer für ihn. "Der Gang in den Zeugenstand war enorm lang", sagt er. Noch einmal musste er sich erinnern. Noch einmal war der Tag des Anschlags, der sein Leben veränderte, präsent. Am Ende hat aber auch Abdullah Özkan die Aussage im Zeugenstand genau so empfunden wie Sandro D´Alauro. "Es war eine große Befreiung", sagte er danach und ergänzte: "Man muss nach vorne schauen." Wo er das machen will, ist für Abdullah Özkan, der Opfer eines fremdenfeindlichen Anschlags wurde, keine Frage. Ob er mal erwogen habe Köln zu verlassen, wurde Özkan im Gerichtssaal gefragt. "Warum sollte ich das?" erwiderte er verdutzt und er fuhr fort: "Köln ist meine Heimatstadt. Deutschland ist mein Heimatland und ich werde weiter hier leben." Dafür kann man ihm und den anderen Opfern aus der Keupstraße nur alles Gute wünschen.


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