NSU-Prozess


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178. Verhandlungstag, 27.01.2015 Verdächtige statt Opfer

„Ich kann das Alles hier gar nicht zum Ausdruck bringen – das muss man erlebt haben!" So schilderte ein Zeuge seine Erinnerungen an diesen Sommernachmittag im Jahr 2004. Er saß mit zwei Freunden vor einem türkischen Cafehaus an der Kölner Keupstrasse, als nur wenige Meter entfernt vor einem Friseurladen die Nagebombe gezündet wurden.

Stand: 27.01.2015 | Archiv

Oliver Bendixen | Bild: Bayerischer Rundfunk

27 Januar

Dienstag, 27. Januar 2015

22 Verletzte und gewaltige Zerstörungen an Gebäuden, Ladeneinrichtungen und geparkten Autos. Den Schaden, den der Bombenanschlag vom 9. Juni 2004 angerichtet hat, ist mit dieser Aufzählung nicht annähernd beschrieben. Neun  Männer und Frauen wurden heute im NSU-Prozess vor dem Münchner Oberlandesgericht vernommen – alles Zeugen des Bombenattentats in der Kölner Keupstrasse – mit einer Ausnahme Türken und Kurden.

Ängste, Albträume, Schlafstörungen

NSU-Nagelbombenanschlag in Koeln | Bild: picture-alliance/dpa zum Artikel 178. Tag im NSU-Prozess Zeugen wollen NSU-Mitglied erkannt haben

Im NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München sind erneut Zeugen zum Kölner Nagelbombenanschlag 2004 gehört worden. Zwei Befragte gaben an, einen mutmaßlichen Täter erkannt zu haben. Von Alf Meier [mehr]

Sie berichteten von dem gewaltigen Knall , den umherfliegenden Splittern und Nägeln, den blutüberströmten Menschen auf der Straße und davon, wie ihnen die Polizei nicht glauben wollten, dass das schreckliche Geschehen nichts mit der türkischen Türstehersteherszene und nichts mit der Mafia oder der kurdischen PKK zu tun habe.

"Man hat uns das nicht geglaubt – und so bin ich vom Opfer zu Verdächtigen geworden." Solche Sätze waren heute immer wieder zu hören. Am Ende verdächtigten sich die Geschäftsleute aus der Keupstraße gegenseitig, das Vertrauen untereinander war dahin, in den Lokalen und Läden blieben die Gäste und Kunden aus. Ein türkischer Gastwirt musste sein Lokal schließen – seine Tochter ihren Schmuckladen. An die Vernehmungen denken die meisten von ihnen auch noch mit Grauen zurück. Ein paar Geschädigte gingen aus Angst verdächtigt zu werden -  nur weil sie Kurden sind - gar nicht zur Polizei. Andere leiden noch heute unter Schlafstörungen und Albträumen, die sie auch fast elf Jahre nach dem Anschlag weiter verfolgen.

Hinweise nicht ernst genommen

Wie die Bombe in die Keupstraße kam und die beiden Attentäter nach dem Anschlag entkommen konnten, wurde ebenfalls ausführlich angesprochen. Eine inzwischen pensionierte Sparkassenangestellte schilderte präzise, wie ihr in der Nähe der Keupstraße ein junger Mann entgegenkam, der – so ihre Worte – auffällig vorsichtig ein offensichtlich neues Fahrrad schob. Auf dem Gepäckträger war ein überdimensionierten schwarzer Plastikkoffer montiert. Und der enthielt, wie sich später herausstellte, die Nagelbombe des NSU. Als etwa 27 Jahre alt, wie ihr eigener Sohn, beschrieb die Zeugin damals den Mann – und eindeutig kein Türke oder Kurde.

Ihr Hinweis aber wurde von den Ermittler nicht ernst genommen – genauso wie die Angaben eines Kölner Feuerwehrmannes. Der wollte ein paar hundert Meter vom Tatort entfernt gerade sein Motorrad besteigen, als ein wild in die Pedale tretender Mann auf einem Fahrrad um die Ecke kam. "Der hätte mich fast über den Haufen gefahren", schilderte der Zeuge diese Begegnung. Auch er sprach eindeutig von einem Deutschen – und davon , dass dem Radler die Panik ins Gesicht geschrieben stand: "Der wollte da nur weg – und zwar schnell." Dass das alles etwas mit dem gewaltigen Knall zu hatte, der nur Minuten zuvor im ganzen Viertel zu hören war, das erfuhr der Zeuge erst später.


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