NSU-Prozess


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179. Verhandlungstag, 28.01.2015 "Ich vertraue den deutschen Verfassungsorganen!"

Zarife K. ist heute 43 Jahre alt. Mehr als zehn Jahre liegt der Tag zurück, der ihr Leben vollständig veränderte. Am 9. Juni 2004 explodierte in der Kölner Keupstraße eine selbstgebaute Bombe. Der mit 700 Zimmermannsnägeln gefüllte Sprengkörper, und die damit verbundene Druckwelle verletzten 22 Menschen teils schwer. Die Bombenleger: die NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos. Sie flüchteten mit Fahrrädern vom Tatort. Heute sagte Zarife K. als Zeugin im NSU-Prozess aus.

Von: Eckhart Querner

Stand: 28.01.2015 | Archiv

Eckhart Querner | Bild: BR

28 Januar

Mittwoch, 28. Januar 2015

Zarife K. hatte weit mehr Glück als andere Opfer der Kölner Keupstraße. Weil der Friseursalon, vor dessen Türe die Bombe detonierte, voll war, ging die damals 33-Jährige zu einer Freundin in den Juwelierladen gegenüber. Fünf oder zehn Minuten später explodierte der Sprengsatz. Splitter flogen in das Geschäft hinein, es war auf einmal stockdunkel. Die beiden Frauen blieben unverletzt, "physisch", wie K. heute mehrfach aussagte. Sie stand unter Schock, sah Menschen schreiend umherlaufen, hatte große Sorge, was ihrem Bruder Ercan und ihrer Mutter passiert war.

Anders als ihre Mutter kommt Zarife K. ohne Dolmetscher ins Gericht. Die Deutschtürkin beeindruckt mit ihrer klar strukturierten Persönlichkeit.  K. blieb in den Tagen nach dem Anschlag erspart, was viele Opfer der Keupstraße durchmachen mussten: dass sie von den Polizisten, die sie verhörten, für Personen aus dem Dunstkreis der angeblich türkischen Täter gehalten wurden.

K. schildert am heutigen 179. Verhandlungstag, was passierte, als sich der Bombenrauch verzogen hatte. Polizeibeamte kamen und fragten, wie es ihr ging. "Zum Glück gut", ist ihre Antwort. Wie es ihr psychisch gehe, fragt heute der Vorsitzende Richter Götzl nach. K. räumt nüchtern ein, dass sie die schlimmen Ereignisse weitgehend verdrängt hat. "Man erlebt ja nicht jeden Tag so einen Vorfall. Ich hab das ad acta gelegt, um damit klar zu kommen." Ihr Bruder und sie versuchten damals, Stärke zu zeigen, um die äußerlich unverletzte, aber stark traumatisierte  Mutter zu beruhigen. Sie hatte sich zum Zeitpunkt des Anschlags in ihrer Wohnung genau gegenüber dem Fiseursalon  befunden.

Die türkischstämmige Rentnerin, wohnt heute noch in der Keupstraße und hat nach wie vor Angstzustände. Ihre Tochter erzählt, dass sie mit ihrer Mutter am zehnten Jahrestag des Anschlags im vergangenen Juni wegfahren musste, weil die 66-Jährige den Anschlag in ihrer Erinnerung nicht noch einmal durchleben konnte.

Nach 50 Minuten ist die Befragung von Zarife K. beendet. Als Richter Götzl die Zeugin bereits entlassen hat, bittet sie noch einmal um das Wort: "Ich lebe 38 Jahre in Deutschland. Ich vertraue der deutschen Legislative, Exekutive und Judikative. – Das wollte ich nur sagen."


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