NSU-Prozess


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190. Verhandlungstag, 05.03.2015 NSU-Prozess

Der Chemnitzer Betreiber eines Szeneladens gibt vor Gericht zu, Uwe Mundlos auch nach dessen Untertauchen getroffen zu haben. Und ein Journalist aus Chemnitz wird auf der Pressetribüne von einem unbekannten Mann offen bedroht.

Stand: 05.03.2015 | Archiv

Ina Krauß | Bild: BR/Julia Müller

05 März

Donnerstag, 05. März 2015

Beate Zschäpe wirkte heute gelöst, als sie den Saal A 101 betrat. Die Haare offen, einen dunklen Hosenanzug an und auch nach Pausen lächelnd und in engem Kontakt zu ihren Verteidigern. Doch der äußere Schein trügt offenbar. Am Ende des 190. Verhandlungstages gibt der der Vorsitzende Richter Manfred Götzl bekannt, dass aus Rücksicht auf Zschäpes Gesundheit in den kommenden drei Wochen nur an zwei statt drei Tagen verhandelt wird. Zschäpe war auf Antrag des Gerichts ärztlich begutachtet worden. Der renommierte Forensiker Prof. Norbert Nedopil attestierte Beate Zschäpe Verhandlungsfähigkeit. Doch empfahl er vorübergehend die Verhandlungstage pro Woche zu reduzieren.

Prozess eine Belastungsprobe

Nicht nur für Beate Zschäpe, für alle Prozessbeteiligten ist der Mammutprozess eine Belastungsprobe. Das zeigte sich auch heute bei der Vernehmung des Zeugen Hendrik L. Der Betreiber eines Szeneladens in Chemnitz wurde von Manfred Götzl mehrmals in scharfem Ton  darauf hingewiesen, dass er seinen Fragen stets ausweiche. Ein Beispiel: Erst nach drei Nachfragen räumte der Zeuge ein, dass der Neonazi Uwe Mundlos nicht nur eine rechte Gesinnung hatte, sondern politisch „am rechten Rand“ stand. L. war mit Uwe Mundlos seit Mitte der neunziger Jahre befreundet, man traf sich auf Rechtsrock-Konzerten und besuchte sich gegenseitig. Auch nach dem Untertauchen von Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe traf er sich weiter mit seinem Freund. Einmal besuchte er ihn in einer Chemnitzer Wohnung, um an einem Motiv für ein T-Shirt zu arbeiten. Es zeigt eine Simpsons-Figur als Skinhead mit Baseball-Schläger und Springerstiefeln und ist in der Szene als „Skinson“ bekannt. In früheren Aussagen hatte der Zeuge behauptet, Mundlos habe das T-Shirt entworfen, heute reklamierte er das Urheberrecht für sich. Den Vertrieb des T-Shirts übernahm Hendrik L.. Geld oder logistische Hilfe will er den drei Untergetauchten nicht geleistet haben. Er habe auch die Treffen nicht als geheim oder konspirativ wahrgenommen. Glaubt man seinen Aussagen, hätten sich die drei polizeilich gesuchten Neonazis Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe auch nach ihrem Untertauchen relativ frei in Chemnitz bewegt.

Gründer eines Musik-Labels

Hendrik L. gründete einst das Chemnitzer Musiklabel, das 2010 eine CD mit dem Song „Dönerkiller“ veröffentlichte. Ein Song, der – vor dem Auffliegen des NSU – die Morde verherrlichte. L. sagte dazu, er wisse nichts vom Entstehen dieses Songs und habe das Label 2003 abgegeben und die Aktivitäten seiner Nachfolger nicht weiter beobachtet.

Auch will er im Jahr 2000 den Kontakt zu seinem engen Freund Uwe Mundlos verloren haben – ausgerechnet in dem Jahr, in dem die Mordserie begann. Wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung kann Hendrik L. nicht belangt werden, bedauert Nebenklagevertreter Yavuz Narin im Anschluss an die Verhandlung, aber „zumindest die Falschaussagen, die er heute in einigen Punkten geleistet hat müssten für die Staatsanwaltschaft Anlass zu Ermittlungen sein“, so Narin.

Journalist bedroht

Als der Zeuge entlassen wurde und seine Sachen packte, verließ auch ein unbekannter Zuschauer die Besuchertribüne. Er ging an einem Chemnitzer Journalisten vorbei, beugte sich zu ihm hinunter und raunte ihm dessen Privatadresse zu und fragte: Alles klar? Von allen Zeugen wurde das als offene Drohung wahrgenommen. Die Polizei fing den unbekannten Zuschauer am Ausgang ab und stellte seine Personalien fest. Der Journalist der Chemnitzer Freien Presse erstattete Anzeige.


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