213. Verhandlungstag, 24.06.2015 "Nahe an der Wahrheit bleiben"
Die Befragung eines hessischen Ex-Verfassungsschützers macht einmal mehr klar: Die Aufklärung des Mordes an Halit Yozgat war für den Dienst nachrangig.
24. Juni
Mittwoch, 24. Juni 2015
Gerald H. war mal so etwas wie der Mann für die Innere Sicherheit in Hessens Verfassungsschutz. Dass er diese Aufgabe sehr ernst genommen hat, zeigte seine Aussage nun überdeutlich. Dem Schutz der Verfassungsschutz-Interessen ordnete der Zeuge H. offenbar auch Mordermittlungen unter.
Kooperation mit der Polizei?
Als im Mordfall Yozgat der Verfassungsschützer Andreas Temme ins Visier der Ermittler geriet, war es die Aufgabe von Gerald H. als Geheimschutzbeauftragtem des hessischen Landesamtes, den Kontakt zur Polizei zu halten. Der Verfassungsschutz habe kooperiert, erklärte Zeuge H. nun. Doch E-Mails der Ermittler und auch deren Aussagen vor Gericht machen klar: So haben sie es nicht empfunden. Die Polizisten verlangten vom Verfassungsschutz Druck auf seinen Mitarbeiter und Mordverdächtigen Temme zu machen. Doch Gerald H., der Mann für den Schutz des Geheimen beim Geheimdienst, lehnte den Wunsch von Polizei und Staatsanwaltschaft ab.
Der Mord war Nebensache
Dass er den Verdacht gegen den Kollegen Temme gar nicht ernst nahm, wird auch aus den mitgeschnittenen Telefonaten zwischen Temme und H. deutlich. Sie reden übers Wetter, über Rasenmähen, über Temmes Frau, darüber ob er nachts schlafen kann und wie sehr ihn die Ermittlungen belasten. Das Wort "Mord" fällt aber kein einziges Mal und über das Opfer Halit Yozgat wird auch mit keiner Silbe gesprochen. Und dann noch dieser eine, unerklärliche Satz in einem der von der Polizei abgehörten Telefonate. Er rat jedem, der wisse, dass so etwas passiere, nicht vorbeizufahren. Das sagte der Verfassungsschützer H. dem Verfassungsschützer Temme. Wusste das Landesamt also vor dem Mord an Yozgat von der Tat? Diese Frage des Vorsitzenden Richters verneinte der Zeuge H. Eine schlüssige Erklärung für den Satz konnte er aber nicht bieten. Nicht nachvollziehbar und nicht logisch - so das Fazit von Richter Manfred Götzl. Bei der Befragung von Gerald H. kam einem als Zuhörer manchmal der Satz in den Sinn, den H. einst seinem Kollegen Temme am Telefon als Ratschlag im Umgang mit den Mordermittlern auf den Weg gegeben hatte: "Nahe an der Wahrheit bleiben!"