NSU-Prozess


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218. Verhandlungstag, 15.07.2015 Der nächste Provokateur im Zeugenstand

Als Zeuge sagte heute ein Mann aus, der einst zum Führungskreis der Rechtsextremen in Thüringen gehörte. Wie schon frühere Szenezeugen schaffte es auch Mario B., den Richter in kürzester Zeit in Rage zu versetzen. Die Hauptangeklagte Zschäpe versuchte er zu entlasten.

Von: Eckhart Querner

Stand: 15.07.2015 | Archiv

Eckhart Querner | Bild: BR

15 Juli

Mittwoch, 15. Juli 2015

Zeuge Mario B. machte schon Ärger, als er zu Beginn seiner Vernehmung seinen Beruf nennen sollte. Die Bezeichnung "Angestellter" reiche ihm nicht, erklärte ihm Richter Götzl. B. verzögert die Antwort, schließlich sagte er: Pharmareferent.

"Nicht verwandt und nicht verschwägert?", fragte Götzl dann, eine Formel, die die Strafprozessordnung verlangt und die bedeutet, dass der Zeuge erklären soll, ob er mit den Angeklagten verwandt sei. B.s Antwort: "Ist mir nicht bewusst." Der 39-Jährige hat es innerhalb von Minuten geschafft, den Vorsitzenden Richter gegen sich aufzubringen. B. wirkte intelligent, es musste also Provokation dahinterstecken.

Provokationen ohne Ende

Mario B. ist in den 1990er-Jahren eine der Führungsfiguren des "Thüringer Heimatschutzes" (THS) gewesen, einem Sammelbecken für Rechtsextremisten jedweder Schattierung. Aus dem THS kamen die wichtigsten Unterstützer des NSU. Chef beim THS war Tino Brandt, eine der einflussreichsten und schillerndsten Figuren der rechten Szene, der lange Jahre als V-Mann für den Thüringer Verfassungsschutz arbeitete.

Ideologisch ist B. heute offensichtlich immer noch stramm auf Rechtskurs. Als V-Mann Brandt aufflog, habe Ralf Wohlleben das entstandene Vakuum besetzt. Wohlleben, Mitangeklagter im NSU-Prozess und mutmaßliche NSU-Unterstützer, sei anschließend "zu einer demokratischen Partei gegangen, ich denke, das war die NPD."

"Ich habe es nicht so mit Namen"

Wenn es darum geht, wer noch beim THS war, offenbarten sich plötzlich Erinnerungslücken, wie sie Prozessbeobachter bereits von vielen anderen Szenezeugen kennen. Ein Standardsatz dabei lautet: "Ich habe es nicht so mit Namen." Als Richter Götzl ihn aufforderte, er solle die Personen beschreiben, provozierte B.: "Legen Sie mir Fotos vor!" Götzl antwortet zunehmend ärgerlich: "Sie antworten auf meine Fragen!" Und einmal explodierte der Richter fast, nämlich als B. von ihm verlangte: "Formulieren Sie Ihre Frage um!" Der 39-Jährige hatte übrigens einen Zeugenbeistand mitgebracht, es handelte sich um Rechtsanwalt Stefan Böhmer aus Uttenreuth bei Erlangen. Der hätte seinen Mandanten zur Vorsicht ermahnen können, doch ganz offensichtlich trug er die Provokation mit. Böhmer gilt als rechter Szene-Anwalt.

In B.s Anschauung besteht die rechte Szene aus "Kameraden". So sei Mundlos ein Kamerad gewesen, Böhnhardt aber ein Freund. Um den Letztgenannten zu charakterisieren, sagte B. noch: "Wenn zwei Thüringer Polizisten vor der Türe standen, hätte er bestimmt keinen Selbstmord gemacht."

"Zschäpe war keine Entscheidungsträgerin"

Sicherlich steckte Strategie hinter dem Versuch, die Hauptangeklagte Zschäpe als untergeordnetes Szene-Mitglied zu beschreiben. Sie habe sich nicht eingebracht, "die hat nichts organisiert, war keine Entscheidungsträgerin, wollte das wahrscheinlich auch gar nicht". Ziel der Strategie war offenbar, die These der Bundesanwaltschaft von Zschäpe als gleichwerte Mittäterin zu erschüttern.

Der Richter hatte weitere Fragen, wohl auch Bundesanwaltschaft und Nebenkläger. Zeuge B. muss jedenfalls wiederkommen. Die Provokationen dürften weitergehen.


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