NSU-Prozess, 220. Tag, 21.7.15 Hickhack um Zschäpe-Verteidigung geht weiter
Das Tauziehen um Beate Zschäpes Verteidigung geht weiter. Nachdem das Oberlandesgericht (OLG) München am Montag den Antrag der drei Pflichtverteidiger abgelehnt hatte, sie von ihrem Mandat zu entbinden, legte wiederum die Hauptangeklagte nach: Sie will nun ihrerseits ihren Verteidiger Wolfgang Heer loswerden.
Wie Heer am Dienstag im Prozess mitteilte und später gegenüber dem Bayerischen Rundfunk bestätigte, hat Zschäpe einen entsprechenden Antrag vorbereitet. Der Antrag wurde Heer vor Verhandlungsbeginn ausgehändigt. Bis Mittwochnachmittag hat er Gelegenheit, dazu Stellung zu nehmen. Die Situation scheint völlig verfahren, lässt auch Zschäpe-Verteidigerin Anja Sturm durchblicken. Man könne derzeit nur von Woche zu Woche schauen, wie sich das Ganze entwickle, so Sturm gegenüber dem BR.
Stühlerücken für Zschäpe
Am Dienstag beriet das OLG über Zschäpes neuen Antrag erst einmal nicht. Gleich zu Verhandlungsbeginn setzten sich die vier Verteidiger Zschäpes - dem Wunsch der Hauptangeklagten folgend - erst einmal um, so dass Zschäpe und ihr neuen Wunschverteidiger Mathias Grasel nun direkt vor dem Richtertisch sitzen und damit weiter weg vom Publikum und vom Gutachter, mit dem Zschäpe jede Zusammenarbeit verweigert.
Polizistin belastet Hauptangeklagte schwer
Dann wurde die Beweisaufnahme wie geplant fortgesetzt. Und die geladene Zeugin, eine Kommissarin des Bundeskriminalamts (BKA), belastete Zschäpe schwer. Laut ihrer Aussage fand sich auf mindestens einem Umschlag, mit dem die berüchtigte Bekenner-DVD des NSU verschickt worden ist, Fingerabdrücke der Hauptangeklagten. Auf der DVD rühmen sich die Terroristen ihrer Taten. Außerdem schilderte die Zeugin, dass die Ermittler eine Internetabfrage Zschäpes bei der Deutschen Bahn rekonstruieren konnten. Aus dieser zieht das BKA den Schluss, dass Zschäpe wenige Monate vor dem Auffliegen des NSU zu ihrem Mitangeklagten Holger G. nach Niedersachsen gefahren sei, um dort einen Pass abzuholen, den G. den Untergetauchten für ihr Leben im Untergrund zur Verfügung stellte.
Szene-Zeuge gibt Nagelbomben-Fund zu
Am Nachmittag sagte der Zeuge Henning H. aus, der in den 1990er Jahren - wie die Angeklagten Zschäpe und Ralf Wohlleben - in der Thüringer Neonazi-Szene unterwegs war. Wie er zugab, fand die Polizei bei ihm 1997 bei einer Hausdurchsuchung eine funktionsfähige Nagelbombe. Der Zeuge beteuerte jedoch, dass er die Bombe nur als Silvesterkracher gebaut habe. Die Polizei verdächtigte ihn zwar, gemeinsam mit den mutmaßlichen späteren NSU-Terroristen Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt in Jena mehrere Bombenattrappen platziert zu haben. Doch das stritt der Zeuge ab. Er sei nur Mitläufer gewesen, außerdem ständig betrunken - weshalb er sich auch weder an Namen noch an irgendwelche Einzelheiten erinnern könne.