NSU-Prozess


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NSU-Prozess: 232. Verhandlungstag "Wir müssen hier doch vorankommen!"

Der Vorsitzende Richter im NSU-Prozess nutzte den 232. Verhandlungstag, um Schlampereien und Verzögerungen am Rande und im Prozess deutlich anzumahnen. Anträge, die zum Teil schon vor Monaten gestellt wurden, lehnte er heute einen nach dem anderen ab. Götzl scheint Dampf machen zu wollen.

Von: Mira Bartelmann

Stand: 29.09.2015 | Archiv

Mira Barthelmann | Bild: BR

29 September

Dienstag, 29. September 2015

„Wir haben einen Anruf vom Fundamt Köln-Ehrenfeld erhalten. Wer hat eine DVD mit hiesigen Prozessunterlagen verloren?" Betretenes Schweigen im Saal 101. Keiner meldet sich. Wer von den Anwälten oder Sachverständigen würde schon vor versammelter Prozessmannschaft zugeben wollen, dass er hochbrisante, vertrauliche Daten so verlegt oder vergessen hat, dass sie im Kölner Stadtbezirk 4 beim entsprechenden Fundamt wieder auftauchen? Götzl insistiert nicht weiter, sondern bittet lediglich um Kontaktaufnahme mit den Kölnern.

Zeugin in türkischem Krankenhaus

Nicht ganz so glimpflich verlief der Informationsaustausch zwischen dem Vorsitzenden und dem Nebenklagevertreter Ralph Wilms. Götzl wollte wissen, wann und inwiefern der Anwalt zuletzt Kontakt zu seiner Mandantin hatte. Sie war bereits mehrmals als Zeugin geladen gewesen, doch nie in München vor Gericht erschienen. Meral Keskin wurde 2004 beim Kölner Nagelbombenattentat verletzt, sie trug mehrere Schnittwunden davon, die genäht werden mussten. Der Senat will sie zum Hergang des Attentats, den Verletzungen und ihren persönlichen Langzeitfolgen genauer befragen und ihre Angaben in die Beweisaufnahme einfließen lassen. Doch der letzte Kontakt zwischen Anwalt und Mandantin liegt offenbar Monate zurück.

"Aber Sie müssen doch Kontakt zu ihrer Mandantschaft haben!"

Götzl ist empört. Rechtsanwalt Wilms hat bislang kein Attest für seine Mandantin herbeigebracht. Über einen anderen Zeugen hat er lediglich erfahren, dass sich Keskin in einem Krankenhaus in der Türkei befinde und wohl bis Januar nächsten Jahres krankgeschrieben sei. Mit einer Rückkunft könne man nicht vor Ende dieses Jahres rechnen. Götzl forderte Wilms heute mehr als deutlich auf, bis morgen zu klären, ob seine Mandantin bereit sei für den Prozess nach München zu kommen oder nicht. "Wir müssen hier doch vorankommen!", so sein dringender Appell.

Anträge abgewiesen

Von der Zuschauertribüne aus konnte man heute den Eindruck gewinnen, dass sich so mancher Prozessbeteiligte kaum mehr an die eigenen Anträge erinnern konnte, die man zum Teil vor vielen Monaten gestellt hatte. Die vorgetragenen Beschlüsse des Senats hatte alle eine Gemeinsamkeit: Die Anträge wurden ausnahmslos abgewiesen. Bemerkenswert hierbei: Es wird keine weiteren Ermittlungen über die Einsätze der ermordeten Polizistin Michele Kiesewetter geben. Einige Nebenklagevertreter sind der Auffassung, dass sie kein Zufallsopfer – mutmaßlich des NSU – ist, sondern bewusst ausgewählt worden sei, weil sie verschiedene, dienstliche Einsätze im rechten Spektrum absolviert hatte. 


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