254. Verhandlungstag, 13.1.2016 "Ich kann mich nicht an politische Diskussionen erinnern"
Ralf Wohlleben will von nichts etwas gewusst haben: nicht von irgendwelchen Waffen, nichts von den Taten des NSU-Trios. Mit Beate Zschäpe will er nur über Privates gesprochen haben. Es ist klar: Da will einer seine Rolle ganz klein machen.
13. Januar
Mittwoch, 13. Januar 2016
"Na gut." Mit dieser lakonischen Bemerkung entlässt Richter Götzl den Angeklagten Wohlleben für diesen Tag. Stundenlang hat Götzl Wohlleben befragt, zu seinem politischen Werdegang, zu seiner Glücksspielsucht, zu seiner Beteiligung an politischen Aktionen, zum Besorgen der Mordwaffe Ceska für den untergetauchten NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt. Die Anklageschrift der Bundesanwaltschaft sieht Wohlleben als wichtigsten Unterstützer des Nationalsozialistischen Untergrunds, er soll die Ceska besorgt haben. Er selbst hat heute vor Gericht seine Rolle klein geredet.
"Die Kameradschaft Jena war unpolitisch"
Kaum zu glauben: nach Ansicht von Wohlleben war die rechtsextreme Kameradschaft Jena unpolitisch. "Ich kann mich nicht an großartige politische Diskussionen erinnern." Und die Kameradschaftsabende? "Ich habe keine Erinnerung daran, dass das politisch war." Nach eigener Aussage war der Pressesprecher der Kameradschaft "kein Super-Organisationstalent. Sondern ich war einfach dabei gewesen." Und wenn das Politische nicht zu leugnen ist, hilft das Vergessen: "Wir waren schon politisch. Aber ich habe keine Erinnerung daran, was wir für Flugblätter verteilt haben."
Mit Waffen will Wohlleben nichts zu tun gehabt haben
Den Hauptvorwurf der Anklage, er habe die Mordwaffe besorgt, versucht Wohlleben durch verschiedene Argumente auszuräumen. Zunächst ganz grundsätzlich: "Waffensachen: Ich war dafür der völlig falsche Ansprechpartner, weil mich solche Sachen überhaupt nicht interessierten." Später in der Befragung sagt Wohlleben zur angeblichen Besorgung der Ceska: "Ich wusste, dass der Wunsch nach der Waffe da war, aber ich wusste auch, dass ich keine beschaffen wollte." Als der Mitangeklagte Carsten S. ihm bei einem Treffen schließlich die Waffe präsentiert, sagt er, er habe sie sich nicht genau angesehen. Vor Weihnachten hatte Wohlleben noch behauptet, er schließe aus, des sich bei der ihm von S. gezeigten "klobigen" Waffe um die Ceska gehandelt habe. nur einer von mehreren Widersprüchen heute.
Fragen auch nach wichtigen Ereignissen wie der Finanzierung der Waffe
Zu wichtigen Ereignissen in seiner Vergangenheit erklärt Wohlleben, er habe keine Erinnerung. Und antwortet dann auf die Fragen des Vorsitzenden Richters immer häufiger so: Da habe ich keinen zeitlichen Ankerpunkt. Da habe ich kein festes Erinnern. Das ist mir nicht erinnerlich. Ich kann da nur vermuten.
Wohlleben schützt einen bislang unentdeckten Vertraute des NSU-Trios
Wohlleben besorgte für das NSU-Trio offenbar immer wieder Dinge, die Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos aus dem Untergrund bei ihm bestellten. Zur Übergabe der nicht näher spezifizierten "Sachen" wird Wohlleben von einem glatzköpfigen Vertrauten des NSU-Trios an einer Tankstelle in Chemnitz abgeholt. Den kennt Wohlleben angeblich nicht und erfährt auch sonst nichts von ihm. Der Unbekannte bringt ihn in eine Altbauwohnung, in der sich drei provisorische Schlafplätze befinden. Götzl fragt: "Hat sich Ihnen die Person, die Sie abgeholt hat, vorgestellt?" - "Nein, bei den Fotos in den (Gerichts-)Akten habe ich geschaut, ob ich sie wiedererkenne, aber da war nichts."
Nur Privates mit Zschäpe
Mit der Hauptangeklagten Beate Zschäpe hat er nur über private Dinge gesprochen: Thema war zum Beispiel ein Mädchen im Nachbarhaus von Zschäpe, die in Wohlleben verliebt war. Wenn Götzl ihn zur Rolle Zschäpes bei politischen Aktionen des NSU fragt, schützt er sie. Götzl: "War Zschäpe dabei?" - "Nein."
Über seine Spielsucht spricht Wohlleben ganz offen. Mit Aussagen darüber würde er sich im strafrechtlichen Sinne auch nicht belasten, sie hat mit seiner Unterstützung des NSU nichts zu tun. Da sagt er sogar, diese Spielsucht hätte pathologische Züge gehabt.
Als es um ein konspiratives Kommunikationsnetz mit Telefonzellen geht, fragt Götzl: "Welche Personen waren daran beteiligt?" - "Mundlos und Böhnhardt, Kapke auf jeden Fall." Und was ist mit Wohllebens Mitangeklagten? "An Zschäpe und Gerlach habe ich keine Erinnerung."
"Na gut"
"Na gut", hat Richter Götzl am Schluss des heutigen Verhandlungstages gesagt. Er scheint zufrieden mit der Befragung Wohllebens zu sein. Götzl erklärt nicht, warum. Aber Prozessbeteiligte sind überzeugt, dass sich Wohlleben keinen Gefallen mit seiner Aussage getan hat. Sie komme viel zu spät und sei mit der Aussage Zschäpes koordiniert. Entlastet hat sich Wohlleben nicht, im Gegenteil, meinen Nebenklage-Anwälte: Für sie ist die Aussage ein Geständnis – ein unfreiwilliges.