NSU-Prozess


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281. Verhandlungstag, 10.05.2016 Der "unverantwortliche" Staat

Am 281. Verhandlungstag im NSU-Prozess macht das Gericht den brandenburgischen Verfassungsschutz nicht für NSU-Taten mitverantwortlich. Einzelne Nebenkläger wollten mit ihrem Antrag eine entsprechende Untersuchung anstoßen, wurden aber zurückgewiesen. Sie kündigten bereits an, weiter nachzuhaken.

Von: Ina Krauß

Stand: 10.05.2016 | Archiv

Verfassungsschutz Brandenburg | Bild: pa/dpa/Patrick Pleul

I"Eine staatliche Mitverantwortung kann nicht festgestellt werden", begründete der Vorsitzende Richter Manfed Götzel die Ablehnung eines umfangreichen Beweisantrags der Anwälte der Kasseler Familie Yozgat. Die Nebenkläger wollten mit ihrem Antrag nachweisen, dass der Staat für die NSU-Taten mitverantwortlich ist. Denn die Ermittlungsbehörden hätten sie verhindern können, wenn Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt frühzeitig festgenommen worden wären. Das wäre möglich gewesen, wenn der Verfassungsschutz in Brandenburg nicht der Schutz eines V-Mannes wichtiger gewesen wäre als die Ergreifung dreier untergetauchter Neonazis. Der Hinweis kam im September 1998, Halit Yozgat wurde im April 2006 ermordet.

Ging der Schutz der Quelle über alles?

Zum Hintergrund: Bereits im September 1998, also wenige Monate nach dem Untertauchen der Drei und zwei Jahre vor dem ersten von zehn Morden des NSU, erhielt das Landesamt für Verfassungsschutz in Brandenburg einen brisanten Hinweis. Ein V-Mann berichtete, dass drei untergetauchte Skinheads aus Thüringen eine Waffe suchten. Das Geld dafür sollte von Mitglieder der Blood and Honour-Szene in Sachsen kommen. Das Innenministerium in Potsdam entschied aber, den eigenen V-Mann mit dem Decknamen "Piatto" auf jeden Fall zu schützen. Die Ermittler in Thüringen wurden ohne Nennung der Quelle informiert, Nachfragen des LKA Thüringen wurden aber abgeblockt.

Hätten die drei bereits 1998 festgenommen werden können?

Anders als die Nebenkläger zieht der Senat aber nicht den Schluss, dass der Aufenthalt von Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt durch diesen Hinweis sicher hätte ermittelt werden können. Dass die Ermittler die drei festnehmen hätten können, sei eine "Unterstellung". Eine Mitverantwortung sei im juristischen Sinne nur gegeben, wenn der Staat etwas mit der Genese der Taten zu tun hätte, so das Gericht.

Für die Anwälte der Familie Yozgat Doris Dierbach und Thomas Bliwier greift diese Argumentation zu kurz. Sie wollen die Verantwortung des Staates weiter im Prozess thematisieren und aufgeklärt wissen. Unabhängig von dem betreffenden Beweisantrag ist der V-Mann-Führer von "Piatto" alias Carsten Sz. demnächst erneut als Zeuge im NSU-Prozess geladen.

Ablehnung weiterer Anträge

Das Gericht lehnte auch weitere Beweisanträge der Nebenklage ab, aber auch den Antrag auf Aussetzung des Verfahrens durch die Verteidigung von Beate Zschäpe. Deren Wahlverteidiger Hermann Borchert hatte beantragt den Prozess für ca. zwei Jahre auszusetzen, um die digitale Akten-Kopie mit den Originalen zu vergleichen.

BKA-Ermittlerin korrigiert frühere Aussage

Am Vormittag musste außerdem eine Kriminalkommissarin des BKA ihre frühere Aussage vor Gericht korrigieren. Darin ging es erneut um die Frage, wann Beate Zschäpe vom Tod ihrer beiden Freunde Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt erfahren haben kann. Nach Recherchen des MDR-Korrespondenten Matthias Reichert, sendete am 4. November 2011 MDR Thüringen bereits um 14.00 Uhr die Explosion eines Wohnmobils in Eisenach und den Fund zweier Leichen. Theoretisch könnte Beate Zschäpe diese Meldung gehört haben, so die BKA-Ermittlerin. Um 15.05 Uhr legte Zschäpe die gemeinsame Wohnung in der Zwickauer Frühlingsstraße in Brand.


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