NSU-Prozess


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297. Verhandlungstag, 13.7.2016 Ein NPD-Politiker im Zeugenstand

David Petereit ist NPD-Landtagsabgeordneter in Mecklenburg-Vorpommern. Auch er ist ein Zeuge, der vorgibt, kaum Erinnerungen zu haben. Trotzdem ist seine Befragung im NSU-Prozess höchst aufschlussreich.

Von: Christoph Arnowski

Stand: 13.07.2016 | Archiv

Christoph Arnowski | Bild: Bayerischer Rundfunk

13 Juli

Mittwoch, 13. Juli 2016

Kann es wirklich sein, dass die deutschen Sicherheitsbehörden erst im Jahr 2011 von der Existenz des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) erfuhren? Diese Frage gehört von Anfang zu den Kernthemen des Verfahrens vor dem Münchner Oberlandesgericht. Zumal inzwischen bekannt ist, dass bereits im Frühjahr 2002 im Szeneorgan "Weißer Wolf" folgende drei Sätze abgedruckt waren: "Vielen Dank an den NSU. Es hat Früchte getragen. Der Kampf geht weiter." 2002, das war neun Jahre, bevor der NSU und seine Morde bekannt wurden.

Der "Weiße Wolf", der NSU und der NPD-Politiker Petereit

David Petereit

Der Herausgeber dieses rechtsextremen Hetzblattes, das ein Babybild von Adolf Hitler auf dem Titel hatte, war damals David Petereit. Der wurde 1981 geboren, war also zu jenem Zeitpunkt gerade mal 21 Jahre alt. Inzwischen ist er 35 und sitzt seit 2011 für die NPD im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern. Heute war er als Zeuge geladen. Eine Aussage, die mit Spannung erwartet wurde, immerhin ist er der bislang einzige, von dem man weiß, dass er Jahre vor dem Auffliegen des NSU dessen Namen verwendet hat. Nur nebenbei: Herausgefunden hat das 2012 übrigens nicht der Verfassungsschutz, der damals natürlich die Ausgaben des "Weißen Wolf" mitgelesen hat; auch nicht das Bundeskriminalamt, sondern das Antifaschistische Pressearchiv und Bildungszentrum Berlin (Apabiz).

Ein Zeuge mit ganz schlechtem Gedächtnis

Zurück zum heutigen Zeugenauftritt: Petereit räumt gleich zu Beginn etwas überraschend ein, was er bislang bestritten hat. Zum fraglichen Zeitpunkt war er Herausgeber des Blattes, es könne daher niemand anderes diese drei Sätze geschrieben haben. Dann aber verweist er immer wieder auf sein schlechtes Gedächtnis. Was mit dem Dank an den NSU gemeint sei, könne er heute wirklich nicht mehr sagen. Was Früchte getragen hat? Die gleiche Antwort. Auch an eine Spende über 2.500 Euro, die nach heutigen Erkenntnissen vom NSU an den "Weißen Wolf" geflossen ist: keine Erinnerung. Der Kampf geht weiter? "Das war damals eine vielgebrauchte Formel in unseren Kreisen", sagt Petereit mit unglaublicher Selbstsicherheit und setzt gleich noch eines drauf: "Auch die SPD verwendet diese Worte häufig."

Trotzdem ist seine Aussage aufschlussreich

Da sitzt einer im Gerichtssaal, der sich als studierter Jurist sicher ist, dass man ihm seine Erinnerungslücken nicht widerlegen kann. Das ist nicht nur für die Opferanwälte schwer zu ertragen. Seine Aussage wird also nichts zur Aufklärung darüber beitragen, ob und wie sehr der NSU als Organisation mit Namen bei den Neonazis in Deutschland bekannt war. Und trotzdem hat der Auftritt des NPD-Landtagsabgeordneten, der vorsorglich mit einem Fraktionskollegen aus Schwerin als Rechtsbeistand gekommen ist, etwas Erhellendes. Seine damalige Tätigkeit sieht Petereit keineswegs als Jugendsünde - als etwas, was ihm heute unangenehm wäre, von dem es sich zu distanzieren gelte. Nein, er verhält sich so, als habe er damals die Vereinszeitschrift eines Kaninchenzüchtervereins herausgegeben. So also denkt ein junger NPD-Politiker. Nebenklageanwalt Alexander Hoffman wertet das in einer Prozesspause so: "Das passt genau zur NPD. Die haben damals versucht, in diesen ganzen Jahren, über die wir hier verhandeln, die gesamte Szene aufzusaugen, auch die gewalttätige. Und dadurch kam es zu so einer Melange und dazu, dass jemand wie Herr Petereit jetzt Landtagsabgeordneter ist."


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