NSU-Prozess


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302. Verhandlungstag, 26.7.2016 Der peinliche Zeugenflüsterer

Oft fangen Prozesstage mit ganz harmlos klingenden Fragen an und enden für manch einen Beteiligten in der totalen Blamage. Eine solche erlebte am 302. Verhandlungstag des NSU-Prozesses der Anwalt eines rechten Szenezeugen.

Von: Eckhart Querner

Stand: 26.07.2016 | Archiv

Eckhart Querner | Bild: Julia Meuller

26 Juli

Dienstag, 26. Juli 2016

Die harmlos klingende Frage lautete: "Es geht darum, ob Sie mal einen NSU-Brief bekommen haben. Was wissen Sie dazu?" Der heutige Zeuge Torsten A. sollte die Frage des Vorsitzenden Richters Manfred Götzl beantworten. Gar nicht so leicht für einen Szenezeugen, der sich nicht erinnern will.

Szenezeuge A. gab rechte Szenezeitschrift heraus

Torsten A. hat früher W. geheißen und war seit 1998 Herausgeber des Wolfener Neonazi-Fanzines "Fahnenträger". Im Jahr 2002 soll er einen anonymen Brief bekommen haben - darin auch 500 Euro und das Logo des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU). Darum ging es in der heutigen Vernehmung. Zeuge A. machte angebliche Erinnerungslücken geltend, seine häufigste Antwort auf die Fragen Götzls lautete: Kann mich nicht mehr daran erinnern.

Erinnerungslücken

Brachte mit seiner Nachfrage den Anwalt des rechten Szenezeugen in Bedrängnis: Oberstaatsanwalt Jochen Weingarten.

Für die Prozessbeobachter wurden Erinnerungen an frühere Verhandlungstage wach, in denen das Gericht rechten Szenezeugen mit angeblichen Gedächtnislücken nicht am Zeug flicken konnte, obwohl jeder im Saal wusste, dass die Zeugen logen. Wer aber dachte, heute würde der Verhandlungstag wieder genauso ablaufen, hatte nicht mit Oberstaatsanwalt Jochen Weingarten von der Karlsruher Bundesanwaltschaft gerechnet.

"Sagen Sie, dass Sie die nicht kennen ..."

Weingarten fragte irgendwann nach A.s Freunden im Jahr 2002. Der Zeuge zögerte, er wollt die rechten Freunde nicht nennen. Dann flüsterte ihm sein Rechtsbeistand, Anwalt Dr. Dr. Egbert Gueinzius aus Wolfen, etwas ins Ohr. Später gaben mehrere Prozessbeteiligte an, Gueinzius habe seinem Mandanten so oder ähnlich empfohlen: "Sagen Sie, dass Sie die nicht kennen oder sich nicht erinnern!"

Blamage für Zeugenbeistand

Ein folgenschwerer Fehler, der für den Wolfener Strafverteidiger sofortige Konsequenzen hatte. Das Gericht schloss ihn von der Verhandlung aus. Im mittlerweile über drei Jahre dauernden NSU-Prozess war das ein Novum. Zwar war bereits vergangene Woche ein Zeugenbeistand nach Hause geschickt worden. Doch der wurde nur entpflichtet, er darf als Wahlverteidiger wiederkommen. Nicht so Gueinzius: Der 80-jährige studierte DDR-Jurist ist raus aus dem Verfahren. Sein Mandant, der im September noch einmal im NSU-Prozess aussagen muss, wird sich bis dahin einen neuen Beistand suchen müssen.

Und dann noch das Auto

Das war aber noch nicht alles. Als Gueinzius das Gericht verließ, war sein Auto weg. Geparkt hatte der Wolfener Strafverteidiger direkt vor dem Gericht, in einem Bereich, wo nur Einsatzfahrzeuge von Polizei und Hilfsorganisationen stehen dürfen. Die Polizei hatte das Fahrzeug des Wolfener Anwalts abschleppen lassen.


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