NSU-Prozess


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318. Verhandlungstag, 27.10.2016 Voll daneben

Ein Verhandlungstag, der einen mit zwiespältigen Gefühlen zurücklässt: Einerseits ging es heute für den Angeklagten Wohlleben ans Eingemachte, anderseits konnte man sich als Gerichtsreporter des Eindrucks nicht erwehren, im Saal A 101 des Münchner Justizzentrums nur seine Zeit zu verschwenden.

Von: Thies Marsen

Stand: 27.10.2016 | Archiv

Verhandlungssaal NSU-Prozess Oberlandesgericht München | Bild: BR/Ernst Eisenbichler

27 Oktober

Donnerstag, 27. Oktober 2016

Stand an der Endhaltestelle der Straßenbahn im Jenaer Stadtteil Winzerla mal ein Holzhäuschen oder nicht? Mit dieser Frage beschäftigt sich der NSU-Prozess nun schon seit unzähligen Verhandlungstagen in unzähligen Varianten - bis hin zu dem skurrilen Höhepunkt, dass dazu jüngst gar ein sehbehinderter Zeuge aus Jena befragt wurde. Heute kam eine neue Variante hinzu: Der Geschäftsführer der Jenaer Verkehrsbetriebe wurde dazu einvernommen.

Gab es das Häuschen oder nicht?

Was das Ganze soll? Nun, es geht um einen brutalen Überfall gewalttätiger Neonazis auf zwei Jugendliche im Jahr 1998. Carsten S., der einzige Angeklagte, der umfassend aussagt und geständig ist, hatte über diesen Angriff berichtet und auch angegeben, dass der Mitangeklagte Ralf Wohlleben damals mitgeprügelt hatte. Und in seiner Aussage erwähnte Carsten S. eben dieses Holzhäuschen. Nun versucht die Verteidigung Wohlleben seit Monaten zu beweisen, dass es dieses Holzhäuschen gar nicht gegeben hat, in der Hoffnung, dass damit Carsten S. insgesamt unglaubwürdig wird. Denn dieser hat den mutmaßlichen Waffenlieferanten des NSU, Wohlleben, in seiner Aussage insgesamt schwer belastet.

Doch die Bemühungen der Wohlleben-Verteidigung dürften vergeblich sein, denn dank der Recherchen eines Nebenklageanwalts, der heute ebenfalls als Zeuge vernommen wurde, sind inzwischen nicht nur Presseartikel zu dem Vorfall aufgetaucht, sondern auch die bislang unauffindbaren Polizeiakten zu dem Fall. Sie werden wohl demnächst in den Prozess eingeführt.

Fragwürdige Befragung

Drängt sich die Frage auf, warum zu dem Thema heute dennoch ein kaufmännischer Geschäftsführer aus Jena anreisen musste, der zum Zeitpunkt des Naziüberfalls noch nichts mit den Verkehrsbetrieben zu tun hatte und dementsprechend nicht viel berichten konnte. Und diese Frage drängt sich umso mehr auf, wenn man bedenkt, wen das Oberlandesgericht erklärtermaßen alles nicht als Zeugen laden will: Zum Beispiel V-Männer des Verfassungsschutzes, die Uwe Mundlos und Beate Zschäpe während ihrer Zeit im Untergrund als Angestellte beschäftigt haben sollen. Oder Geheimdienstmitarbeiter die ganz bewusst Akten zum NSU vernichtet haben, um sie Ermittlern, Justiz und Öffentlichkeit vorzuenthalten.

Die Rolle staatlicher Behörden in der NSU-Affäre interessiert das Münchner Oberlandesgericht nicht mehr, jetzt da der Prozess doch so langsam dem Ende zuzugehen scheint. Dafür wird es für die Angeklagte zunehmend brenzliger und heute stand Ralph Wohlleben im Fokus. Nicht genug damit, dass die Versuche, Carsten S. als unglaubwürdig darzustellen, bisher weitgehend ins Leere liefen. Der Strafsenat lehnte dann am Nachmittag auch noch mehrere Anträge der Wohlleben-Verteidigung ab, mit denen diese beweisen wollte, dass ihr Mandat mit der Lieferung der Mordwaffe Ceska an den NSU nichts zu tun hatte. Die Wohlleben-Anwälte reagierten auf die Beschlüsse des Gerichts - mal wieder - mit einem Befangenheitsantrag gegen den kompletten Senat. Dem vorausgegangen waren - mal wieder - stundenlange Unterbrechung, die den Verhandlungstag schließlich bis in den Abend hineinzogen. Was beim Gerichtsreporter am Ende das schale Gefühl hinterließ, doch irgendwie seine Zeit verschwendet zu haben. 


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