NSU-Prozess


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320. Verhandlungstag, 9.11.2016 Nico E. verirrt sich in Widersprüchen und Ausflüchten

Der Angeklagte Ralf Wohlleben war wie ein Bruder für ihn, genau wie das NSU-Trio. Doch Nico E. will nie nachgefragt haben, warum dieses 1998 in den Untergrund ging. Am Ende des Verhandlungstages verstrickte er sich in Widersprüche.

Von: Ina Krauß

Stand: 09.11.2016 | Archiv

Ina Krauss | Bild: BR/Julia Müller

09 November

Mittwoch, 09. November 2016

Zuerst lässt er das Gericht viele Stunden warten, er fährt zu einem anderen Münchner Gericht, landet schließlich weitab am Frankfurter Ring. Das Gericht empfiehlt ihm schließlich, ein Taxi zu nehmen. Nach langer „Irrfahrt“, wie der Vorsitzende Richter Manfred Götzl es nennt, sitzt Nico E. schließlich auf dem Zeugenstuhl im Saal A 101. Er trägt einen grauen Kapuzenpulli, Jeans, hat eine Glatze. Er ist 39 Jahre alt, Küchenleiter von Beruf und wohnt in Eisenberg.

Szenetypische Erinnerungslücken

Schon der erste Satz lässt erkennen, dass Nico E. sich bei seiner Aussage im NSU-Prozess auf Erinnerungslücken berufen wird, so wie schon so viele Szene-Zeugen vor ihm. „Das ist lange her“, sagt er gleich zu Beginn der Befragung. Das Gericht will herauszufinden, ob Nico E. nach dem 26.1.1998 Kontakt zu den untergetauchten Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe hatte. Denn es gibt auf einem Handy, das im Brandschutt der Wohnung in der Frühlingsstraße gefunden worden war, eine Nachricht - mutmaßlich abgeschickt von Ralf Wohlleben - die sich auf einen „Ebi“ bezieht.

Nico E. bestätigt, dass er einen Spitznamen hatte. In der Szene sei er vor allem „Ebbse“ genannt worden, auch Ebi. Aber „Ebi“ seien noch zwei andere in Jena genannt worden, deren wirkliche Namen er nicht kenne. Er habe selbst viele Handys gehabt und viele SIM-Karten, die er immer wieder verliehen habe, ja, auch an Ralf Wohlleben. „Man hilft ja gerne“, so Nico E. So ging es über Stunden weiter. Er habe es nicht so mit Namen und auch nicht so mit Jahreszahlen, sagt er, sobald er sich auf einen Namen oder Zeitraum genauer festlegen soll.

„Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß“

So bleibt der Erkenntnisgewinn auch nach über dreistündiger Befragung gering. Er kann nicht einmal genau sagen, ob er Ralf Wohlleben, zu dem er ein Verhältnis wie zu einem Bruder gehabt haben will, kennen gelernt hat. Auch will er mit ihm, der ihm Ende der neunziger Jahre „Unterschlupf“ in seiner Wohnung gewährte, nicht über das Untertauchen der gemeinsamen Freunde Böhnhardt und Mundlos gesprochen haben. Er wollte darüber nichts wissen, sagt er. „Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß.“

Nico E. hatte sich Ende der neunziger Jahre auf vier Jahre bei der Bundeswehr verpflichtet, wollte gerne auf acht Jahre verlängern. Doch dann hatte der V-Mann Tino Brandt dem Militärischen Abschirmdienst MAD einen Hinweis gegeben, so Nico E: „Thilo Brandt, die kleine Ratte.“ Zweimal wurde er vom MAD befragt; danach bleib ihm nur noch, den Militärdienst nach vier Jahren zu verlassen. Weil er seine Bezüge nicht verlieren wollte, hielt er die „Füße still“ , d.h. er will den Kontakt zu seinen Freunden in der Hooligan- und Neonazi-Szene abgebrochen haben.

Damals bekennender Neonazi – heute Thürgida-Anhänger

Diese Phase ist allerdings längst vorbei. So marschiert er heute regelmäßig auf „Thürgida“-Demonstrationen in Eisenberg mit, was er ungefragt zum Besten gibt. Angeblich nur, um mit Freunden danach ein „Bierchen zu trinken und zu schnattern“.

So wirkt die Aussage von Nico E. wie die Fortsetzung der Irrfahrt, die der Zeuge am Vormittag durch München unternommen hat. Als hätte er sein Erinnerungsvermögen ausgeschaltet, wie offenbar vorher schon sein Navi -  mit Absicht.


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