NSU-Prozess


4

332. Verhandlungstag, 21.12.2016 Zschäpe gewinnt wieder etwas Zeit

Eigentlich sollte der psychiatrische Sachverständige Henning Saß sein Gutachten heute einbringen, nachdem er schon gestern nicht dazu gekommen war. Doch seine Aussage wurde auf 2017 verschoben. Die Zschäpe-Verteidigung stellte einen Befangenheitsantrag gegen den Senat.

Von: Ina Krauß

Stand: 21.12.2016 | Archiv

Ina Krauß | Bild: BR/Julia Müller

21 Dezember

Mittwoch, 21. Dezember 2016

Wusste Beate Zschäpe, was sie tat, als sie mit Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt im Untergrund lebte? Diese Frage soll ein psychiatrisches Gutachten im NSU-Prozess beantworten. Um die Einschätzung des Sachverständigen wird mit harten Bandagen gefochten, denn sie ist für das Verfahren von zentraler Bedeutung.

Zschäpe droht die Verurteilung wegen Mittäterschaft

Das vorläufige Gutachten liegt den Prozessbeteiligten seit einigen Wochen vor. In ihm kommt der Sachverständige zu dem Schluss, dass Zschäpe schuldfähig sei. Ihr könnte im Falle einer Verurteilung die anschließende Sicherungsverwahrung drohen. Das bedeutet, Zschäpe würde möglicherweise ihr Leben lang nicht mehr aus dem Gefängnis kommen. Für Zschäpe geht es also bei dem Gutachten um viel. Kein Wunder, dass ihre Pflichtverteidiger schwere Geschütze auffahren. Saß sollte das Gutachten eigentlich noch vor Weihnachten mündlich erstatten, doch es kam nicht dazu.

Tauziehen um das Gutachten

Gestern hatte Zschäpes Pflichtverteidiger Wolfgang Heer beantragt, den renommierten Professor wegen "fachlicher Ungeeignetheit" von seinem Auftrag zu entbinden. Das Gericht wies diesen Antrag ab. Denn er richtet sich gegen das vorläufige Gutachten. Beweiskraft habe aber erst das mündliche Einschätzung des Sachverständigen, so die Begründung des Gerichts.

Zschäpe-Verteidigung rückt näher zusammen

Die Zschäpe-Verteidiger Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm antworteten auf diese Ablehnung wiederum mit einem Befangenheitsantrag gegen den Senat. Zschäpe schloss sich ihren Verteidigern an, was keine Selbstverständlichkeit ist - hatte es doch einen offensichtlichen Bruch zwischen den "Alt-Verteidigern" Heer, Stahl und Sturm und ihrer Mandantin gegeben. Zschäpe kommunizierte ausschließlich mit ihren neuen Verteidigern Mathias Grasel und Hermann Borchert. Heute waren im Gerichtssaal erstmals Absprachen zwischen beiden Lagern zu beobachten.

Auch das ist wohl eher ein Zeichen der Verzweiflung im Zschäpe-Lager. Viel Möglichkeiten, das Ruder für ihre Mandantin herumzureißen haben die Anwälte nicht mehr. Das Gutachten markiert gewöhnlich das nahe Ende der Beweisaufnahme. Dass Saß irgendwann zu Wort kommt, werden die Anwälte nicht verhindern können. Mitte Januar geht's weiter im NSU-Prozess.


4