NSU-Prozess


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368. Verhandlungstag, 20.6.2017 Zweifel am Gutachter

In einer schriftlichen Stellungnahme hat der von der Zschäpe-Verteidigung beauftragte Freiburger Psychiater Joachim Bauer Zweifel an seiner Eignung als Gutachter zurückgewiesen. Die Bundesanwaltschaft überzeugt er damit nicht.

Von: Christoph Arnowski

Stand: 20.06.2017 | Archiv

Christoph Arnowski | Bild: Bayerischer Rundfunk

20 Juni

Dienstag, 20. Juni 2017

Er sei unvoreingenommen bei der Begutachtung von Beate Zschäpe gewesen, den Vorwurf der Befangenheit weise er deshalb zurück. Das und vieles mehr steht in einer schriftlichen Stellungnahme des Freiburger Psychiaters Joachim Bauer, die der Vorsitzende Richter Manfred Götzl  heute vorliest.

Bauer verteidigt Gutachten und eigenes Verhalten

Der Professor hat sie nach dem Ablehnungsantrag mehrerer Nebenklageanwälte verfasst. Darin verteidigt Bauer nicht nur sein Gutachten. Sondern er sucht auch zu rechtfertigen, warum er der Tageszeitung "Die Welt" einen "exklusiven Beitrag über Beate Zschäpe und die aktuelle Lage im NSU-Prozess" angeboten habe. Das habe er unter dem Eindruck heftiger Angriffe auf seiner Person in den Medien gemacht. Denen wirft Bauer seinerseits vor, einseitig und skandalisierend zu berichten. Als Beispiel dafür nennt er unter anderem die Berichterstattung über  die Pralinen, die er Zschäpe in die Untersuchungshaft mitbringen wollte. Was verboten ist, weshalb ihm das süße Mitbringesel von einer Wachtmeisterin abgenommen wurde.

Bundesanwaltschaft schließt sich Nebenklägern an

Dass dies eine nur "humane Geste" , wie es Bauer formuliert, ohne weitere Bedeutung gewesen sei, zweifelt  aber auch Bundesanwältin Anette Greger an. Die Pralinen "dürfen nicht unerwähnt bleiben", formuliert sie unmissverständlich. Und macht deutlich: Die Bundesanwaltschaft sieht in Bauer keinen unparteiischen und einwandfrei arbeitenden Gutachter.  Bereits in der Hauptverhandlung hätten sich Unzulänglichkeiten abgezeichnet. Die Mail an die "Welt" habe den Eindruck verfestigt, dass Bauer sein Gutachten "ergebnisorientiert und interessengeleitet" erstattet habe. Greger zitiert dabei die Passage, in der Bauer im Zusammenhang von einem "Hexenprozess" schreibt. Dass er die Verbindung zur Inquisition herstelle, kritisiert Greger scharf. Auch seine heute vorgelegte Stellungnahme sei nicht geeignet, die Besorgnis der Befangenheit zu widerlegen.

Jetzt muss das Gericht entscheiden

Wenn sich der Münchner Staatsschutzsenat der Meinung von Nebenklägern und Bundesanwaltschaft anschließt, bleibt der bislang wichtigste Vorstoß von Beate Zschäpes Vertrauensverteidigern Matthias Grasel und Hermann Borchert wirkungslos. Die hatten sich von Bauers Gutachten, das Zschäpe eine schwere Persönlichkeitsstörung bescheinigt, einen erheblichen Strafrabatt wegen verminderter Schuldfähigkeit für ihre Mandantin erhofft. Danach sieht es im Moment aber nicht aus.

Christoph Arnowski, Rundschau-Reporter und ARD-Inlandskorrespondent des BR Fernsehens, berichtet vom NSU-Prozess


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