NSU-Prozess


7

438. Verhandlungstag, 11.7.2018 Ein Urteil, aber keine vollständige Aufklärung

Lebenslange Haft: Der Schuldspruch gegen Beate Zschäpe im NSU-Prozess ist die logische Konsequenz aus der akribischen Beweisaufnahme des Münchner Oberlandesgerichts. Dennoch bleiben viele offene Fragen.

Von: Tim aßmann

Stand: 11.07.2018 | Archiv

Tim Aßmann | Bild: BR/Tim Aßmann

11 Juli

Mittwoch, 11. Juli 2018

Es schien sie nicht zu überraschen. Dass das Gericht an ihrer Legende von der fremdbestimmten Mitläuferin, die nichts vorher wusste und das Morden und Bomben nicht wollte, mindestens massive Zweifel hatte, musste Beate Zschäpe schon vor dem Urteilsspruch ahnen. Nun ist klar: Das Gericht glaubt ihr kein Wort. Der Schuldspruch gegen Beate Zschäpe ist die logische Konsequenz aus der Beweisaufnahme.

Die Angeklagte und ihre Widersprüche

Auf Basis von Indizien hat das Gericht entschieden, dass die Frau, die mehr als 13 Jahre mit den Rechtsterroristen Mundlos und Böhnhardt im Untergrund lebte, Mittäterin an den Bluttaten der Terrorzelle ist. Beate Zschäpes Version machte auch für das Gericht keinen Sinn. Wenn sie die Morde verabscheute, wie sie behauptet, warum verschickte sie dann am Ende die Bekenner-DvDs? Nur einer der Widersprüche, die Zschäpe nicht aufklären konnte und die ihr nun zum Verhängnis wurden.

Das Gericht sieht einen essentiellen Tatbeitrag der Hauptangeklagten und das ist nachvollziehbar. Es war Beate Zschäpe, die der Terrorzelle nach außen den Anstrich der Normalität verpasste. Sie tarnte ab, sie legendierte, und am Ende zündete sie die Wohnung an, im offenkundigen Bemühen, Beweise zu vernichten. 

Akribische Beweisaufnahme

Der Bundesgerichtshof wird das Münchner Urteil gegen Zschäpe überprüfen. Sie sollte allerdings nicht zu große Hoffnungen in die Überprüfung setzen. Das Münchner Gericht hat sich die Entscheidung gut überlegt. Die Beweisaufnahme war akribisch. Es galt aufzuklären, was angeklagt war. Diesem Auftrag ist der Senat um den Vorsitzenden Richter Götzl umfänglich nachgekommen. Dass am Ende offene Fragen bleiben, ist dem Gericht nicht vorzuwerfen. Sein Auftrag war durch die Anklageschrift klar vorgegeben. Das Aufklärungsversprechen, dass die Kanzlerin den Opferangehörigen gab – das Gericht hat seinen Anteil an der Erfüllung geleistet. 

Die Rolle des Verfassungsschutzes und andere offene Fragen

Dennoch ist die tiefe Enttäuschung der Familien der NSU-Opfer nachvollziehbar, denn nicht immer in der Beweisaufnahme hatte man den Eindruck, dass die staatlichen Institutionen wirklich alles taten, um aufzuklären. In Erinnerung bleiben Verfassungsschützer, die mit äußerst eingeschränkten Aussagegenehmigungen im Zeugenstand Platz nahmen oder sich in einem Fall im Gerichtssaal weigerten, Akten zu übergeben.

Die Rolle des Verfassungsschutzes ist nur eine offene Frage, die die Opferfamilien umtreibt.Ungeklärt außerdem: Halfen örtliche Neonazis den Mordschützen Mundlos und Böhnhardt bei der Opferauswahl? Bestand der NSU wirklich nur aus drei Mitgliedern? Das Gericht hat sich nun in der Urteilsbegründung festgelegt. Immer wieder war vom Trio die Rede, davon, dass Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe alleine handelten und entschieden.

Dass das die Opferangehörigen empört, ist nachvollziehbar. Sie haben Anspruch auf Antworten: Der NSU-Prozess konnte sie nur zum Teil geben. Die Aufklärungsarbeit ist noch nicht abgeschlossen.


7