NSU-Prozess


1

NSU-Prozess in München Ermittler observierten Kurierdienste

Die Sicherheitsbehörden waren dem untergetauchten NSU-Trio kurz nach dessen Abtauchen 1998 offenbar dicht auf der Spur. Das geht aus der Aussage eines Zeugen, der für die Nazi-Terrorzelle NSU als Kurier arbeitete, hervor.

Stand: 19.05.2014 | Archiv

NSU-Prozess 112. Prozesstag (Archivbild) | Bild: picture-alliance/dpa

Der Zeuge Jürgen H. war nach Erkenntnis des Verfassungsschutzes als Kurier tätig und pendelte zwischen Untergrund und Unterstützerszene. Er räumte bei seiner Befragung ein, dass das Thüringer Landeskriminalamt ihn bei der Übergabe eines Beutels für das Trio observiert und fotografiert habe. Die Bilder habe er bei Vernehmungen gezeigt bekommen. Darauf sei auch jener Mann zu sehen gewesen, dem er die Tasche übergab - offenbar ein weiterer, noch unbekannter Kurier.

Fluchtort in der Schweiz?

Jürgen H. war Zielfahndern des thüringischen Landeskriminalamtes aufgefallen, die kurz nach dem Untertauchen des Trios 1998 den wegen Beihilfe mitangeklagten Ralf Wohlleben observierten. Der Zeuge sagte, er habe Uwe Böhnhardt schon 1998 für einen "Rechtsterroristen" gehalten. Bei zwei Kurierfahrten habe er Gegenstände übergeben. Wegen eines "merkwürdigen Gefühls" habe er seine Kuriertätigkeit dann beendet. Ralf Wohlleben, der als Unterstützer im NSU-Prozess einer der Angeklagten ist, habe ihn jeweils aufgefordert, zu einer festgelegten Zeit eine anrufbare Telefonzelle in Jena aufzusuchen, sagte der Zeuge. Da habe es dann geklingelt, und "Uwe" sei am Apparat gewesen. Er habe nicht immer gewusst, ob der Anrufer Uwe Böhnhardt oder Uwe Mundlos gewesen sei. Seine Aussagen legen nahe, dass die Gesuchten vorübergehend in die Schweiz geflohen waren.

Direkte Aufträge vom NSU

Die nächsten Anrufe wurden wieder von Telefonzellen in Deutschland geführt. Beim ersten Transport habe "Uwe" ihn angewiesen, mit dem Auto auf den Parkplatz eines McDonald's-Restaurants an der Autobahn 4 bei Zwickau zu fahren und dort zu warten. Nach wenigen Minuten sei ein Mann in einem türkisfarbenen Opel Corsa erschienen, habe sein Auto verlassen und sei auf ihn zugegangen. Jürgen H. erklärte, er sei kurz ausgestiegen, habe dem Mann die Tüte aus dem Kofferraum gegeben - das war's. Dass seine Tour von der Polizei observiert wurde, habe er nicht bemerkt.

Ein unbekannter Mann war es auch, der die zweite Lieferung des Kuriers entgegengenommen habe. Dieses Treffen fand in der Ruine einer alten Brauerei in Jena statt. Bei dieser Übergabe habe er "kein gutes Gefühl gehabt", sagte der Jürgen H.. Wegen des Gewichts des Päckchens habe er sich gefragt, ob eine Waffe darin war. Der Zeuge räumte auch ein, an einem Einbruch in die verlassene Wohnung von Beate Zschäpe in Jena beteiligt gewesen zu sein. Es sei darum gegangen, persönliche Unterlagen für sie zu beschaffen, die sie wegen ihrer Flucht zurückgelassen hatte. Angestiftet habe ihn der mitangeklagte und geständige Helfer Carsten S.

Zeuge lagerte "Pogromly"-Spiel

Wohlleben und S. hätten ihn auch gebeten, Exemplare des judenfeindlichen und NS-verherrlichenden "Pogromly"-Spiels zwischenzulagern. Diese Abwandlung des Monopoly-Spiels hätten Böhnhardt und Mundlos in Handarbeit produziert. Die Spiele seien für je 100 D-Mark an Kunden aus der Szene verkauft worden. Der Zeuge, der nach Erkenntnis der Behörden inzwischen aus der Szene ausgestiegen ist, schilderte, dass er vor allem mit Uwe Böhnhardt befreundet gewesen sei. Beide hätten im selben Stadtteil in Jena gewohnt, ihre Väter seien Arbeitskollegen gewesen. Er schilderte Böhnhardt als "Waffennarr".


1